43. TAGUNG DER HUGO OBERMAIER-GESELLSCHAFT
vom 17. bis 21. April 2001 in Halle (Saale)

ZUSAMMENFASSUNGEN DER VORTRÄGE - SUMMARIES



Victor CHABAI – Kiew: The middle paleolithic of Crimea. In Zusammenarbeit mit Jürgen RICHTER – Köln.

 

 

Julia R.R. DRELL M.A. – Southampton: The use of leafpoints as chronological markers: a critical analysis with reference to the Altmühlian.

 

This paper proposes to analyse the German leafpoint occurences usually summarized under the term Altmühlian and defined on the basis of Mauern. The continuing uncertainty of the nature and significance of this material justifies scrutiny of the assemblages following a notable discontinuity of concern for the material, despite its immediate bearing on the period in question, and an acceptance of its general Middle Palaeolithic nature in the English-speaking archaeological community (e.g. cf. Allsworth-Jones 1987, 1989). Among the somewhat unusual lithic complexes of the period 50-30 ka BP (C14) it represents the least understood and investigated assemblage group, its nature being taken as a given. Questioning the integrity of these sites as well as the designation ‘Altmühlian’ directs attention not only to the nature of archaeological reasoning and methodology but also the meaning of Middle Palaeolithic variation and the onset of the Upper Palaeolithic. Several recent theoretical frameworks will be utilised (notably Kozlowski 1989; White & Pettitt 1995, Gamble 1999) to suggest a novel understanding of the Altmühlian with reference to the nature of the Middle Palaeolithic, population densities and Neanderthal behaviour. This paper calls for a systematic review of methodology in the Palaeolithic and the establishment of a sound procedure in accordance with the insights of recent investigation.

 

 

Lothar EISSMANN – Leipzig: Alt- und mittelpaläolithische Funde Mitteldeutschlands im Lichte der heutigen Quartärstratigraphie und -paläogeographie.

 

Das Quartär des gesamten Gebietes der ehemaligen DDR wurde in den 60er bis 80er Jahren unter Auswertung aller Befunde im Maßstab 1:50.000 revisionskartiert. Der mitteldeutsche Raum war in dieser Kampagne insofern begünstigt, als der Kartierung mehr als 250.000 Bohrungen und während der gesamten Kartierungszeit über 20 Großaufschlüsse (Tagebaue) der Braunkohlenindustrie zur Verfügung standen und sich die Forschung auf eine 150jährige Tradition stützen konnte.

Quartärgeologisch zu unterscheiden ist ein Präelsterkomplex mit Dominanz von Fluss-Schottern („Älteres Fluviatil“) und wichtigen fluviatil-limnischen Sedimentvorkommen mit warmzeitlichen Säugern (Untermaßfeld, Vogtstedt u. a.). Dominanten der Elstereiszeit sind zwei Grundmoränen und weit verbreitete Fluss-Schotter des Früh- und Spätglazials. Vorgeschichtlich von höchster Relevanz ist das „Mittlere Fluviatil“, das Schotter des Elsterspätglazials, der Holsteinwarmzeit und des Saalefrühglazials mit Erwärmungsphasen umfasst. Damit zum Teil verzahnt sind zahlreiche Vorkommen limnischer Sedimente der Holsteinwarmzeit. Diese Sequenz wird über großen Flächen von zwei, lokal drei Grundmoränen der Saaleeiszeit im Sinne des Drenthe-Stadiums bedeckt. Zwischen den Grundmoränen existieren keine Warmzeitbildungen. In Hohlformen über den Moränen sind zwischen Harz und Neiße zahlreiche Vorkommen von Sedimenten der Eemwarmzeit erhalten mit konkordantem Übergang in die Weichseleiszeit. Diese ist vor allem durch Fluss-Schotter (Niederterrasse) und Lösse vertreten. Von höchster Wichtigkeit ist der regionale Befund der Schichtkohärenz von der frühen Elstereiszeit bis in die Weichseleiszeit.

·         Fundstätten aus dem „Mittleren Fluviatil“

Die Fundstätten Wangen und neuerdings Uichteritz bei Weißenfels sind aller Wahrscheinlichkeit nach älter als das Optimum der Holsteinwarmzeit mit Corbicula fluminalis und in die ausgehende Elstereiszeit bis frühe Holsteinwarmzeit zu stellen. Die Fundplätze Wallendorf, Markkleeberg, Eythra (z.T.), Zwochau, Köchstedt und auch Hundisburg, Wettin, Werdershausen liegen sämtlich über der (zweiten) Elstergrundmoräne oder ihrem Auswaschungsrückstand in Schottern der „Hauptterrasse“ = Frühsaale-Schotterterrasse. Die Hauptakkumulation begann nach den jüngsten Pollenzonen der Holsteinwarmzeit (Zone 6, 7). Fundschichtalter also frühe Saaleeiszeit, Herstellungsalter der Artefakte späte Elstereiszeit bis frühe Saaleeiszeit.

·         Fundstätten nichtfluviatiler Genese

Alle renommierten weiteren Fundplätze wie Bilzingsleben, Schöningen, Ehringsdorf, Taubach, Weimar, Neumark-Nord und Gröbern sind jünger als die Untere und höchstwahrscheinlich auch die Obere Elstergrundmoräne, Gröbern und Neumark-Nord jünger als die saaleeiszeitlichen Drenthe-Grundmoränen, Schöningen sicher älter. Die Vorkommen Bilzingsleben, Ehringsdorf, Weimar und Taubach liegen außerhalb der Saalevereisung. Der Fundkomplex Bilzingsleben liegt über einer spätelstereiszeitlichen Schotterterrasse, die Vorkommen Ehringsdorf, Taubach und Weimar über saalezeitlichen Mittel- (= Haupt-)Terrassenschottern. Aus der Gesamtsicht mitteldeutscher Quartärgeologie ergibt sich für Bilzingsleben und Schöningen ein holsteinwarmzeitliches, für Taubach, Ehringsdorf, Weimar, Neumark-Nord und Gröbern ein eemwarmzeitliches Alter. Für Schöningen, wie bisher vermutet, und für einen Teilfundkomplex von Ehringsdorf kommt als Alternative noch eine Warmzeitphase zwischen Holsteinwarmzeit und Saalevereisung in Betracht, die Wacken- oder Dömnitz-Erwärmung.

Die Annahme einer weiteren Warmzeit als Eem und Holozän nach der ersten Saaleeistransgression ist auszuschließen.

Es wird der Annahme Ausdruck gegeben, dass der Mensch Mitteldeutschland zuerst in der späten Elstereiszeit betrat, dem niedertauenden Inlandeis und den sich nach Norden zurückziehenden reichen Tierherden folgend.

 

Eissmann, L. und T. Litt (Hrsg.), 1994: Das Quartär Mitteldeutschlands.- Altenburger Naturwiss. Forsch., Altenburg 7, 458 S.

Eissmann, L., 1997: Das quartäre Eiszeitalter in Sachsen und Nordostthüringen.- Altenburger Naturwiss. Forsch., Altenburg 8, 98 S., Kartenmappe.

 

 

Berit ERIKSEN – Aarhus: Die Rolle der deutschen Paläolithforschung in der internationalen Diskussion.

 

 

Lutz FIEDLER – Marburg: Der Mensch war da. Artefakte vom altpleistozänen Fundplatz “Dorn-Dürkheim 31“ am nördlichen Oberrhein.

 

Die Ausgrabungen von J.L. Franzen an der Fundstelle Dorn-Dürkheim 3 am nördlichen Oberrhein erbrachten eine Biharium Fauna, die durch die Kleinsäuger Mimomys savini und Microtus hintoni gekennzeichnet wird. Die paläomagnetische Profilanalyse stellt die Fundschicht noch in die Matuyama- Epoche. Unter den Tierresten sind Zähne des Mammuthus trogonterii besonders häufig vertreten. Die Knochenakkumulation wird als eine natürliche Zusammenschwemmung am ehemaligen Ufer eines im Mainzer Becken aufgestauten Sees angesehen (Rheinhessensee).


Drei Steinartefakte, die einer kritischen technologischen Autopsie unterworfen wurden, belegen die Anwesenheit des Menschen. Es sind ein Polyeder aus Quarzit, ein Schaber aus einem Quarzitabschlag sowie ein bohrerartiges Kleingerät aus Quarz. Die Datierung in den Zeitraum vor 800.000 Jahren bestätigt einen sehr frühen Beginn des Altpaläolithikums in Mitteleuropa.

 

Baales, M., Jöris, O., Justus, A. und Roebroeks, W., 2000: Natur oder Kultur. Zur Frage ältestpaläolithischer Artefaktensembles aus Hauptterrassenschottern in Deutschland. Germania 78, 1-20.

Fiedler, L. (Hrsg. ), 1997: Archäologie der ältesten Kultur Deutschlands. Ein Sammelwerk zum älteren Paläolithikum, der Zeit des Homo erectus und des frühen Neandertalers. Materialien zur Vor- u. Frühgeschichte von Hessen 18, Wiesbaden.

Fiedler, L. und Franzen, J.L., 2001: Artefakte vom altpleistozänen Fundplatz “Dorn-Dürkheim 3" am Nördlichen Oberrhein. Germania (in Druckvorbereitung).

Franzen, J.L. 1996: Dorn-Dürkheim 3. Grabungen an einer frühmittelpleistozänen Säugetierfundstelle in Rheinhessen. In: Beinhauer, K.W., Kraatz, R. und Wagner, G.A. (Hrsg.) 1996: Homo erectus heidelbergensis von Mauer. Kolloquium I: Neue Funde und Forschungen zur frühen Menschheitsgeschichte Eurasiens mit einem Ausblick auf Afrika; Mannheimer Geschichtsblätter, N.F. Bd. 1: 119-120. Sigmaringen.

Franzen, J.L., 1999a: Die große Flut – Der Rheinhessensee. Natur und Museum 129 (7), 201-212, 9 Abb.. Frankfurt am Main.

Franzen, J.L., 1999b: The late Early Pleistocene teeth and bone accumulation of Dorn-Dürkheim 3 (Germany, Rheinhessen): natural or man-made? In: Gaudzinski, S. und Turner, E. (Hrsg.) 1999: The role of early humans in the accumulation of Lower and Middle Palaeolithic bone Assamblages. Monographien des RGZM 42, 41-56. Mainz.

Keller, T., 1994: Älteres wirbeltierführendes Mittelpleistozän am Hillesheimer Horst (Mainzer Becken). Mainzer geowissenschaft1iche Mitteilungen 23, 153-158.

 

 

Burkhard FRENZEL – Stuttgart-Hohenheim: Über paläolithische Funde auf dem Tibetischen Plateau. In Zusammenarbeit mit HUANG WEIWEN – Peking.

 

 

Sabine GAUDZINSKI – Neuwied: Zwischen DNA-Untersuchung und Typologie: wo liegt unsere inhaltliche Zukunft?

 

 

Miriam Noël HAIDLE – Tübingen: Paläolithforschung im Spiegel der Öffentlichkeit.

 

In den letzten Jahren ist im Bereich der Archäologie ein regelrechter Medienboom zu verzeichnen. Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Dokumentation über die menschliche Evolution im Fernsehen läuft, ein Neanderthaler-Titel Magazine ziert oder zumindest ein kurzer Bericht über Millennium Man oder andere Entdeckungen zu lesen ist. Romane mit Helden aus der Eiszeit sind keine Raritäten mehr, Kindersachbücher zum Thema Vorgeschichte werden in Buchhandlungen schon extra ausgewiesen. Die kleine Maus nimmt sich der Steinzeit an und andere Kindersendungen ziehen mit Vorführungen von Steineschlagen und Feuermachen nach. Plastikcowboys und –indianer werden durch Urmenschenfiguren von Bully ersetzt. Als Themenkomplex steht die Steinzeit, insbesondere das Paläolithikum, bei den verschiedenen Medien deutlich im Vordergrund. Was will man als Urgeschichtler/in mehr?

Betrachtet man das Aufgreifen des Themas in überregionalen Medien genauer, so ist festzustellen, daß deutsche Forschende und ihre Forschungen in der Berichterstattung häufig deutlich unterrepräsentiert sind. Während auf regionaler Ebene (Tagespresse, Hörfunk, Regionalfernsehen) gerne über regionale Ereignisse wie Grabungen, Ausstellungen oder Forschungsergebnisse berichtet wird, da der lokale Bezug auch etwas trockenere Sujets aufpeppt, werden im überregionalen Bereich eher allgemeingültigere Themen wie menschliche Evolution, frühe Kunst, Überleben in der Eiszeit o.ä. aufgegriffen. Es geht um Schätze und Mythen, Forscher in unwegsamen Regionen, den Ursprung der Menschheit. Diese allgemeineren Themen werden aber von deutschen Urgeschichtsforschenden durch geringes populärwissenschaftliches Engagement, meist kleinräumige und detaillierte Forschung sowie für Laien wenig interessante Fragestellungen nur unzureichend bedient. Das Feld bleibt weitgehend ausländischen Wissenschaftlern und Journalisten überlassen.

Etliche der positiven Auswirkungen des Medienbooms wirken sich auch ohne Zutun deutscher Wissenschaftler auf die deutsche Paläolithforschung aus: So wird die Akzeptanz archäologischer Arbeit allgemein in der Öffentlichkeit gefördert, das Interesse geweckt und erhalten, was direkt und indirekt Gelder und Stellen sichert. Gleichzeitig können Reportagen, Interviews und einfache Sachbücher aber auch als populärer Rechenschaftsbericht genutzt werden. Dies ist notwendig, basiert die Finanzierung der Archäologie doch hauptsächlich auf Geldern aus öffentlicher Hand. In der Konkurrenz mit anderen Disziplinen und öffentlichen Einrichtungen bietet das generelle Medieninteresse einen Vorsprung im Kampf um Steuergelder und Spenden, den es zu nutzen gilt. Zudem kann versucht werden, verstärkt auf das öffentliche Bild vom Paläolithikum nach eigenen Erkenntnissen einzuwirken. Und nicht zuletzt zeigten sich deutsche Paläolithforschende durch erhöhte Medienpräsenz verstärkt als geeignete Ansprechpartner für andere Disziplinen wie Psychologie, Philosophie oder Soziobiologie, die oftmals stark veraltetes ‚Allgemeinwissen‘ über ‚die Steinzeit‘ als Grundlage, Erklärung oder Ausschmückung für ihre Theorien nutzen, ohne dessen Gültigkeit im Gespräch abzuklären.

Auf regionaler Ebene funktioniert die Medienarbeit bereits recht gut, auf überregionaler Ebene sollte aber anderen Bedürfnissen der Medien, insbesondere dem Wunsch nach größerer Allgemeingültigkeit, vermehrt Rechnung getragen werden. Dies kann z.B. durch die Verpackung spezieller Forschungsergebnisse in einen breiteren Kontext geschehen, durch die Bearbeitung übergreifender Themen, die Formulierung von interessanten Fragestellungen, anstatt nur Ergebnisse und ‚Fakten‘ zu präsentieren, oder das Verfassen populärwissenschaftlicher Bücher, wie es im benachbarten Ausland gang und gäbe ist.

 

 

Olaf JÖRIS – Neuwied: Jäger nach dem Bims: Ein spät-altsteinzeitlicher Siedlungslatz bei Bad Breisig. In Zusammenarbeit mit Michael BAALES – Neuwied.

 

Der späteiszeitliche Ausbruch des Laacher See-Vulkans (etwa 25 km west-nordwestlich von Koblenz) vor rund 12.900 Jahren verschüttete etwa 200 Jahre vor dem Ende der kühl-gemäßigten Warmphase des Allerød die mittelrheinische Landschaft und konservierte dadurch zahlreiche paläontologische und archäologische Fundstellen der ausgehenden Altsteinzeit.

Im Zuge der Laacher See-Eruption wurde zudem der Rheinlauf nördlich Andernach über mehrere Flusskilometer durch vulkanisches Material verstopft, so dass sich der Rhein bis nach Koblenz zu einem See von etwa 80 km² Wasserfläche aufstaute. Noch während des nur wenige Tage oder Wochen dauernden Ausbruchsgesehens brach der Damm und gewaltige Wassermassen strömten den Rheinlauf hinunter. In der „Goldenen Meile“ zwischen Bad Breisig und Remagen schwemmte diese Flutwelle Aschen und Bimse des Vulkanausbruches an. Nur wenig später siedelten hier, etwas nördlich von Bad Breisig, Jäger und Sammer der jüngeren Federmesser-Gruppen.

Im Anschnitt einer Kiesgrube wurden wenig oberhalb der angeschwemmten vulkanischen Ablagerungen, die an ihrer Basis Abdrücke der damaligen Vegetation erhalten haben, zahlreiche kalzinierte Knochenfragmente und Steinartefakte entdeckt. Die im Herbst 2000 durch den FB Altsteinzeit des RGZM (Neuwied-Monrepos) im Auftrag der Archäologischen Denkmalpflege Koblenz durchgeführte Voruntersuchung deckte auf nur 9 m² Fläche den Rest der Feuerstelle auf und ergab bereits über 1600 einzeln eingemessene Steinartefakte, darunter einige Rückenspitzen und besonders häufig kurze Kratzer. Das Rohmaterial umfasst vor allem den regionalen Tertiärquarzit und zu etwa einem Zehntel westeuropäischen Feuerstein aus rund 100 km Entfernung. Durch einige Knochen- und Zahnreste sind Rothirsch, Reh und Pferd als Jagdbeute belegt.

Der Fundplatz ist der erste Siedlungsplatz der mittelrheinischen Federmesser-Gruppen, der nach den Ausbruch des Laacher See-Vulkans datiert. Offensichtlich sind die hochmobilen Jäger und Sammlergruppen durch diese gewaltige vulkanische Katastrophe nicht für längere Zeit verschreckt worden. Aufgrund formenkundlicher Parallelen und der warmgemäßigten Fauna weist der Fundplatz Bad Breisig große Ähnlichkeiten mit den Siedlungsplätzen unter dem Bims des Laacher See-Vulkans im benachbarten Neuwieder Becken auf.

 

 

Knut KAISER – Greifswald: Geoarchäologie spätpaläolithischer und frühmesolithischer Fundplätze in Mecklenburg-Vorpommern.

 

Seit Mitte der 1990er Jahre konnten in Mecklenburg-Vorpommern mehrfach Fundplätze des Spätpaläolithikums und Frühmesolithikums geomorphologisch-bodenkundlich untersucht werden. Die Ergebnisse erlauben neben einer stratigraphischen Einordnung der Fundschichten auch weitergehende Schlussfolgerungen zur regionalen Paläohydrologie, Pedostratigraphie und archäologischen Prospektionsstrategie.

Im Bereich der sogenannten „Riesenhirschfundstelle“ im Endinger Bruch bei Stralsund wurde ein Fundplatz mit Hinterlassenschaften allerödzeitlicher Elchjäger untersucht. Diese Station lieferte die bislang ältesten absoluten Daten aus archäologischem Kontext in Nordostdeutschland (11.830 ± 50 BP, 11.555 ± 100 BP, Kaiser et al. 1999). In Zusammenhang mit Sondagen auf weiteren archäologischen Fundplätzen und einer geomorphologischen Kartierung der Umgebung ließ sich die spätpleistozäne bis frühholozäne Entwicklung einer Paläoseenlandschaft rekonstruieren.

In der Ueckermünder Heide unmittelbar südlich des Stettiner Haffs wurde ein spätpaläolithischer Dünenfundplatz untersucht. Die Fundschicht – eine geringmächtige Braunerde – lieferte u.a. Stielspitzen vom Ahrensburger Typ. Darüber lagert Flugsand der Jüngeren Dryas (Kaiser et al. im Druck ). Die archäologisch-bodenkundlichen Befunde ergeben eine offensichtliche Übereinstimmung mit dem mehrfach aus Brandenburg beschriebenen allerödzeitlichen „Finow-Boden“. Damit ist das Verbreitungsgebiet dieser Bodenbildung ausgehend vom locus typicus bei Eberswalde-Finow um ca. 100 km nach Norden ausgedehnt worden. Das sich bislang abzeichnende Verbreitungsgebiet des „Finow-Bodens“ als pedostratigraphischer Leithorizont spätpleistozäner Dünengebiete kann mit Nordsachsen, dem nördlichen Sachsen-Anhalt, Ost-Brandenburg und – aufgrund des Vorkommens in der Ueckermünder Heide – dem südlichen Vorpommern umrissen werden. Westlich und nordwestlich, wie in Mecklenburg, Schleswig-Holstein und den Niederlanden, schließen sich Regosole und „Nanopodsole“ in identischer stratigraphischer Position an.

Am Fundplatz Rothenklempenow-Latzigsee in der Ueckermünder Heide wird gegenwärtig die spätpleistozäne bis holozäne Landschaftsgeschichte im Bereich einer mittelsteinzeitlichen Seeufersiedlung untersucht (präboreales, boreales und atlantisches Mesolithikum). In den Sedimenten der Verlandungszone haben sich u.a. organische Artefakte aus Knochen, Holz und anderen pflanzlichen Substanzen erhalten. Anhand der Grabungsprofile lassen sich säkulare Seespiegelveränderungen belegen (Kaiser et al im Druck ). Die anhand der Schichtenfolge ableitbare allgemeine Anstiegstendenz des Sees seit dem Frühholozän findet vielfache regionale Parallelen.

 

Kaiser, K., Klerk, P. de und Terberger T., 1999: Die „Riesenhirschfundstelle“ von Endingen: geowissenschaftliche und archäologische Untersuchungen an einem spätglazialen Fundplatz in Vorpommern. Eiszeitalter und Gegenwart 49, 102-123.

Kaiser, K., Endtmann, E., Bogen, C., Czakó-Pap, S. und Kühn, P. (im Druck): Geoarchäologie und Palynologie spätpaläolithischer und mesolithischer Fundplätze in der Ueckermünder Heide, Vorpommern. Zeitschrift für geologische Wissenschaften.

 

 

Jan KEGLER – Dresden: Der Fundplatz Markkleeberg: Geomorphologie.

Zusammenfassung: siehe Joachim SCHÄFER

 

 

Claus-Joachim KIND – Stuttgart: Zurück in die Diskussion! Institutionelle Positionierung der deutschen Paläolithforschung.

 

 

Maria KNIPPING – Stuttgart-Hohenheim: Paläoökologische Untersuchungen im Braunkohletagebau von Reichwalde (Oberlausitz, Sachsen).

 

Bei Grabungsarbeiten im Vorfeld des Braunkohletagebaues Reichwalde in der Oberlausitz wurden 1997 vom Landesamt für Archäologie (Sachsen) an der Basis eines Niedermoores eine größere Zahl subfossil erhaltener Baumstämme und Stubben in räumlichem Zusammenhang zu archäologischen Befunden aufgedeckt, die ein spätpaläolithisches Alter der Fundstelle vermuten ließen. Durch dendrochronologische Untersuchungen an einem Teil der geborgenen Hölzer konnte der Wald in das Allerød datiert werden. Aufgrund einer Vernässung mit anschließender Seebildung wurden die organischen Reste hervorragend konserviert. Pollenanalytische Untersuchungen an mehreren Profilen des Moores belegen eine fast ununterbrochene Überlieferung vom frühen Bølling bis in das Mittelalter. Neben den spätpaläolithischen Funden im Zusammenhang mit dem subfossilen Kiefernwald konnten umfangreiche Funde aus zwei mesolithischen Horizonten in unmittelbarer Nähe des heutigen Moores geborgen werden. Aus jüngeren Zeitabschnitten datiert eine bronzezeitliche Siedlung südlich des Moores. Es ergibt sich daher die besondere Gelegenheit, durch die Kombination von Pollen-/Makrorestanalyse und Dendrochronologie an denselben Sedimenten die Umwelt des Menschen vom Spätglazial bis in die jüngste Vergangen zu erfassen.

 

Friedrich, M., Knipping, M., van der Kroft, P., Renno, A., Schmitt, S., Ullrich, O., Vollbrecht, J. (im Druck): Dynamik von Siedlung und Landschaft an einem verlandeten See im Tagebau Reichwalde. Ein Arbeitsbericht. - Arbeits- und Forschungsberichte der Sächsischen Bodendenkmalspflege 43.

 

 

Petra KRÖNNECK – Tübingen: Der Bockstein: alte Knochen in neuer Sicht.

 

Eine der Schwierigkeiten bei der Neubearbeitung der Tierknochen vom Bockstein bestand in der Zuordnung der Funde zu den einzelnen Befunden. Die Beschriftungen der Knochen mussten mit den Einträgen in das Grabungstagebuch und den originalen Profilbeschreibungen verglichen werden. Erst dann konnten die verschiedenen Befunde ausgewertet werden. Außer den bekannten Inventaren von Bocksteinloch und Bocksteinschmiede, die bereits von Lehmann (1969) vorgelegt wurden, handelt es sich um die Funde der Bocksteingrotte, des Bockstein-Törles, des Bockstein-Westloches, sowie einigen Befunden auf den Vorplätzen der Höhlen und den Schichten des Abhangs. Bei den meisten dieser Befunde fehlt bislang eine archäologische Bearbeitung, in einigen davon gibt es auch keine archäologischen Funde. Eine Datierung ist deshalb nur durch die Stratigraphie und die Zusammensetzung der Tierarten möglich. Es kommt so zu der seltenen Situation, dass eine naturwissenschaftliche Auswertung vor der archäologischen fertiggestellt wurde und diese durch die Aufarbeitung der Grabungsunterlagen sogar erleichtert wird.

 

Lehmann, U., 1969: Die Fauna. In: Wetzel, R., Bosinski, G., 1969: Die Bocksteinschmiede im Lonetal, 133- 167. Stuttgart.

 

 

Lenka KVÍTKOVÁ – Brno, Tschechische Republik: Eolian Sediments as an Evidence of Action NAO (North Atlantic Oscillation) in the Last Glacial.

 

NAO (North Atlantic Oscillation) is one of the main climatic mechanisms in the World. This is a system of the west and north-west circulation, which affects recent climate of the Central and Western Europe. The system is between Azorian atmospheric high pressure and Island atmospheric low pressure. There are the Corioliss forces which change this oscillation and thus develops west winds which produces soft oceanic weather in the Central and western Europe. We may notice it especially in winter. If so looking a system existed in Pleistocene, then it is probably, that we can find some geology entry in quarternary sediments. One of the best sediments for study of this problem are eolic sediments, especially loess.

In studying mineralogical composition of eolic sediments foremost in studying heavy minerals being the most convenient for provenience definition, we are thus able to ascertain provenience areas. I used binocular and polarization microscopes during all my studying, but when I did final conclusions I had to use electron microprobe analyzer. This analyzer is able to recognize the exact mineral composition and this is the most exact and important for final conclusions. If we can recognize provenience area, then it is possible to recognize prevailing direction of winds too.

This research is a part of my dissertation thesis. First area where I studied loess sediments is in the Czech Republic, in Southern Moravia. This area is located south of Brno and occupies about 1500km2. It is the Dyje-Svratka water cup (Dyjsko svratecký úval) and Mikulov upland. The localities are psitionned on the western edge of Dyje-Svratka water cup (Dyjsko svratecký úval) mainly. The sediments were taken from the upper part of the profiles, approximately 50 cm under the holocene sediments. We may suppose, that according to the soils horizonts it probably concerns the sediments of the Last stadial of the Last glacial.

There are especially amfibolite, garnet, turmaline, zircone and staurolite in the fraction of heavy minerals. Qualitative composition of the heavy minerals and its studying on the electron microprobe analyzer shows, that provenience areas lay on the west. There are rocks with the same mineral composition in these areas.

Ascertained provenience areas indicate west and north-west wind blows . These winds had nescessarily to prevail when our loess were sedimented. The next logical evidence of such winds is the relief morphology. The loess are predominently deposited on the southern and western parts of the hills. First conclusions from this research show that eolic sediments are evidence of similar mechanism as NAO. We may say that this NAO mechanism working in recent times but a similar one had to work in the Last glacial too. This is only a part of my research, I would want to continue in the central and north Moravia, where are another types of eolic sediments.

 

 

Thomas LAURAT – Dresden: Der Fundplatz Markkleeberg: Steinartefakte und Fauna.
Zusammenfassung: siehe Joachim SCHÄFER

 

 

Stephan A. LÜTGERT – Schöningen: Von der Nische in die Ecke gedrängt? Die Zukunft der Vergangenheit entscheidet sich in der Gegenwart.

Die Wissensgesellschaft ist in aller Munde. Tagtäglich lesen wir von neuen sensationellen Erkenntnissen der empirischen Wissenschaften. „Evolution“ heißt das viel beschworene Zauberwort, mit dem sich scheinbar die Welt erklären lässt. Die längst überwunden geglaubte Fortschritts- und Technikgläubigkeit feiert fröhliche Urständ – ob im „Millenium Dome“, der „Autostadt“ oder der Berliner Ausstellung „7 Hügel“. Und längst sind weitere „Kultstätten“ dieser Art, „Science Center“ genannt, entstanden bzw. stehen kurz vor ihrer Vollendung: sei es in Bremen oder Wolfsburg. Eine gelungene Symbiose klassischer Bildungskultur mit der neuen „Freizeitkultur“?

Während sich die Naturwissenschaft zunehmender Anerkennung und Förderung erfreut, findige Ausstellungsdesigner und Eventmanager immer neue und aufwendigere Wissenschaftsinszenierungen und -spektakel mit großzügigen Etats kreieren, sehen sich die Vertreter der Geisteswissenschaften, darunter auch die Vor- und Frühgeschichte, immer öfter zu Rechtfertigungen genötigt. In den von den Trägern der öffentlichen Einrichtungen angestellten Kosten-Nutzen-Rechnungen schneiden sie in der Regel schlecht ab.

Wie reagieren nun die Verantwortlichen dieser Wissenschaftsdisziplinen, sei es in den staatlichen Behörden, den Universitäten und Museen, auf das sich stetig zu ihren Ungunsten abkühlende Meinungsklima? Einige wenige haben die Zeichen der Zeit erkannt, viele jedoch ergehen sich in Larmoyanz, halten – soweit noch möglich – stur an den überkommenen, „bewährten“ Strukturen und Überzeugungen fest und hoffen, daß sich diese Entwicklung eines Tages wieder ins Gegenteil verkehren wird. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wird es vermutlich zu spät sein.

Welche realen Überlebenschancen bestehen denn für „Orchideenfächer“ wie die Paläolithforschung? Gibt es tatsächlich nur die Alternative zwischen Anpassung und Untergang, zwischen hemmungsloser „Popularisierung“ auf Kosten der Wissenschaftlichkeit und abgeschiedener, hehrer Forschung? Oder beinhaltet der spezielle Untersuchungsgegenstand nicht ein großes, ungenutztes Potential zur eigenen Selbstdarstellung?

Die Voraussetzungen sind günstig: Das Wissen um die Herkunft des Menschen und seine (kulturelle) Evolution ist gefragter denn je. Die schon traditionelle Kooperation der Prähistorie mit den Naturwissenschaften, der deutliche Bezug zur Genese der Landschaft und Umwelt – und nicht zuletzt die „Aura von Abenteuer und Entdeckerlust“, die der Archäologie immer noch anhaftet – lassen das Fach prinzipiell gut gerüstet für die „Wissensmärkte“ der Zukunft erscheinen. „Schweigen ist Gold“ gilt hier nicht, das Motto kann nur lauten: „Nutze die Möglichkeiten!“ und: „Biete das ‚bessere Wissen‘ überall an!“. In Schöningen, dem Fundort der altpaläolithischen Wurfspeere, möchte man diesen Weg – gegen mancherlei Widerstände – beschreiten.

 

 

Werner MÜLLER – Neuchâtel (Schweiz): Bearbeitete Murmeltierzähne und Vogelknochen der Magdalénien-Station Neuchâtel-Monruz, Schweiz. In Zusammenarbeit mit Jérôme BULLINGER

 

In der Freilandstation Monruz am Neuenburger See (von 1989 bis 1992 ausgegraben. Affolter et al., 1994) sind im Rahmen der archäozoologischen Auswertungen neben einigen abgeschnittenen Rentier- und Hirschschneidezähnen auch solche von Murmeltieren gefunden worden. Abgeschnittene Murmeltierschneidezähne waren bisher nur in einem Exemplar vom Petersfels (Poplin, 1983) und in zwei weiteren aus der Grotte des Romains, Pierre-Châtel (Ain), (Desbrosse, 1972) bekannt. Aus Monruz liegen von insgesamt 53 Schneidezähnen sieben bearbeitete Exemplare vor (fünf obere und zwei untere), und bei einer erneuten Durchsicht des Materials von Hauterive-Champréveyres (zeitgleiche Fundstelle etwa 1 km von Monruz entfernt) sind zusätzlich drei untere Exemplare (von insgesamt 18) gefunden worden. Insgesamt liegen sieben distale Fragmente, also Zahnspitzen, und drei basale Elemente vor.

Die Entnahmemethode und die vermutete Verwendung der Rentier- und Hirschschneidezähne als „Perlen“ sind hinreichend bekannt und beschrieben (z.B. Poplin, 1983). Für die Murmeltierschneidezähne scheint dieselbe Technik angewandt worden zu sein, indem diese von der „Außenseite“ her (vestibuläre Seite) lediglich eine geringe Tiefe (max. 1/3 des Durchmessers) eingeschnitten und dann durch Druck von außen abgebrochen wurden. Der Einschnitt dient somit im wesentlichen dazu, eine Sollbruchstelle festzulegen.

Welches Ende der Zähne, distal oder basal, und in welcher Weise diese verwendet wurden, ist nicht eindeutig geklärt. Analog den abgeschnittenen Zähnen anderer Tierarten sollte davon ausgegangen werden, dass das distale Ende das Zielprodukt war. Dafür spricht auch ein basales Fragment, welches noch in situ im Unterkiefer gefunden wurde. Allerdings tragen die sieben Spitzenfragmente an den Schnitt- und Bruchflächen keine auffälligen Gebrauchsspuren oder Verrundungen, wie sie bei den abgeschnittenen Rentierzähnen beobachtet werden können. Außerdem folgt die Lage der Schnittstellen keinem einheitlichen Muster, so dass sich sehr unterschiedlich lange Spitzenfragmente ergeben. Es bleibt also weiter zu diskutieren, ob es sich bei den abgeschnittenen Murmeltierzähnen eventuell um unbenutzte Stücke handelt, oder ob sie in einer Weise verwendet wurden, die nicht die erwarteten Gebrauchsspuren hervorrief. Dass Murmeltierschneidezähne als Schmuckgegenstand getragen wurden, ist durch einen durchbohrten, nicht abgeschnittenen, oberen Schneidezahn belegt.

Mit der gleichen Schnitt- und Bruchtechnik wurden auch Röhrenknochenperlen, sogenannte „Dentalium-Imitationen“, aus der Ulna vom Schneehuhn (Lagopus spec.) hergestellt, was durch vier Perlen und sieben Abfallstücke belegt ist. Der Knochen wurde jeweils nur an einer Seite soweit eingeschnitten, bis die Markhöhle angeschnitten war und dann gebrochen. Auf diese Weise konnten aus einer Ulna zwei bis drei Röhrenperlen gewonnen werden. In Monruz liegen fast alle Ulnae auf einer relativ kleinen Fläche (4 m2) nahe einer Feuerstelle, was eine Aktivitätszone zur Herstellung dieser Objekte markiert. Ähnliche Dentalium-Imitationen sind u.a. vom Petersfels bekannt. Allerdings wurden dort Hasenmetapodien dafür verwandt.

Diese für Monruz neuen Objekte (abgeschnittene Murmeltierzähne und „Dentalium-Imitationen“) stellen neben den bereits bekannten Schmuckschnecken, Gagatperlen und Frauenfiguren, weitere verbindende Elemente zu den südwestdeutschen Stationen, insbesondere dem Petersfels, dar.

 

Affolter, J., Cattin, M.-I., Leesch, D., Morel, P., Plumettaz, N., Thew, N. und Wendling, G., 1994: Monruz – Une nouvelle station magdalénienne au bord du lac de Neuchâtel. Archäologie der Schweiz 17 (3), 94-104.

Desbrosse, R. 1972: Les dents incisées du Paléolithique. L'Anthropologie (Paris) 76 (1-2), 135-149.

Poplin, F. 1983: Die bearbeiteten Zähne vom Rentier und anderen Tieren vom Petersfels. In: Albrecht,G., Berke, H. und Poplin, F. (Hrsg.) – Naturwissenschaftliche Untersuchungen an Magdalénien-Inventaren vom Petersfels, Grabungen 1974-1976. Tübingen, Archaeologica Venatoria TMU 8, 133-153.

 

 

Susanne C. MÜNZEL– Tübingen: Höhlenbärenjagd auf der Schwäbischen Alb vor 30.000 Jahren. In Zusammenarbeit mit Kurt LANGGUTH – Tübingen.

 

Die paläolithische Fundstelle Hohle Fels liegt im Achtal auf der Gemarkung der Stadt Schelklingen, Alb-Donau-Kreis. Der Höhleneingang befindet sich auf der orographisch rechten Talseite und liegt bei 534 m ü. NN. Der Hohle Fels ist mit über 500 m2 Grundfläche und mehr als 6.000 m3 Rauminhalt eine der größten Höhlen der Schwäbischen Alb. Die Höhle liegt in einem Urdonautal zusammen mit weiteren bedeutenden paläolithischen Stationen: Große Grotte, Brillenhöhle, Geißenklösterle, Sirgenstein (alle flussabwärts, Gemarkung Blaubeuren, Alb-Donau-Kreis) und dem Kogelstein (flussaufwärts, Gemarkung Schmiechen, Alb-Donau-Kreis).

Seit 1977, mit einer Unterbrechung von 1980 bis 1988, gräbt die Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie des Institutes für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in einer Nische des Gangbereiches in reichhaltigen paläolithischen Fundschichten. Die Grabungen wurden, bis zu seinem Tod im Frühjahr 1997, von Prof. Dr. Joachim Hahn, danach von den Professoren Dr. Nicholas Conard und Dr. Dr. Hans-Peter Uerpmann geleitet. Über den Kreis der Fachwissenschaftler hinaus wurde der Hohle Fels durch den Fund eines möglichen Fragmentes von Wandmalerei im Jahre 1998 (mindestens 13.000 BP) und den einer Tierskulptur in Form eines Pferdekopfes aus Elfenbein im Jahre 1999 (AMS-14C: 30.500 BP) bekannt.

Während der Grabungskampagne 2000 wurde wieder ein wichtiger Fund gemacht, nämlich ein Höhlenbärenwirbel mit Silexeinschluss. Auf dem Dorsalfortsatz dieses Wirbels befinden sich zudem Schnittspuren, die belegen, dass der Bär tatsächlich auch erbeutet und zerlegt wurde.

Eine Reihe weiterer Modifaktionen an Höhlenbärenknochen aus dem Hohle Fels sowie dem Geißenklösterle belegen alle Facetten der Nutzung, wie sie für die üblichen Jagdtierarten bekannt sind, nämlich Häuten, Disartikulation der Gelenke, Entfleischen sowie Zerschlagen der Knochen einerseits zur Mark- und Knochenfettgewinnung, andererseits zur Verwendung als Brennmaterial in den Feuerstellen. Dieser Fund hat die Diskussion zu Jagd und Nutzung der Höhlenbären durch den paläolithischen Menschen neu eröffnet.

 

Münzel, S.C. und Langguth, K. (in Vorber.): Höhlenbärenjagd auf der Schwäbischen Alb vor 30.000 Jahren. Archäologisches Korrespondenzblatt.

 

 

Christine NEUGEBAUER-MARESCH – Wien: Neue Altsteinzeit-Forschungen im Raume Krems im Rahmen eines Projektes der Prähistorischen Kommission der ÖAW und des FWF. In Zusammenarbeit mit Robert PETICZKA - Wien.

 

Das Projekt „Paläolithische Industriekreise vor dem letzten Eishöchststand zwischen 32.000 und 20.000 BP unter archäologischen und paläoökologischen Aspekten“ (P-13780 SPR) wurde von der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaft unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. H. Friesinger beim Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung eingereicht und mit einer Laufzeit von drei Jahren genehmigt (2000 – 2002).


Das Bestreben der ÖAW, dem Paläolithikum erstmals Vorrang im Sinne eines Schwerpunktprojektes einzuräumen, erscheint wohl mehr als berechtigt. Zweifellos kann als Zielrichtung eines derartigen Projektes aber nicht ein singulärer, vielleicht noch so spektakulärer Ausgrabungserfolg geortet werden, der dann wieder isoliert im an altsteinzeitlichen Fundstellen so reichen Raum besonders der Lößlandschaften Niederösterreichs stehen bleibt. Kaum einer der Altfundplätze weist trotz reichen Artefaktmaterials von der Befundung bis über den Bearbeitungsstand genügend Informationen auf, die in modernen Interpretationen unabdingbar verlangt werden müssen. Vergleiche und Relativierungen zu modernen Grabungen sind nur in geringen Fällen möglich. Bestreben musste also sein, unter Betracht der einzusetzenden finanziellen Mittel und einer vorgegebenen Terminisierung, innerhalb eines ausgewählten geographischen und chronologischen Raumes Fundstättenprospektion zu betreiben. Dies beinhaltet das Aufspüren beiläufig genannter, aber nicht näher festgehaltener Fundpunkte genauso, wie Nachuntersuchungen an altbekannten Fundstellen, in der Hoffnung, noch klimageschichtlich relevante Werte erarbeiten zu können. Parallel dazu müssen Artefakte etwa hinsichtlich der Schlagtechnologie sowie faunistische und botanische Reste einer Beurteilung unterzogen werden. Nur eine gemeinsame Diskussion aller Aspekte ermöglicht die Definition von „Klimabausteinen“, die, unterstützt durch absolute Datierungen, parallelisiert oder auch hintereinander zu reihen sind.


Die Arbeiten beschränken sich derzeit auf den Zentralraum Niederösterreichs, der auch zugleich die höchste Dichte an Fundstellen aufweist. Vor allem in Krems selber kommt es derzeit durch große Bauvorhaben zu Untersuchungen, mit denen vor einiger Zeit noch nicht zu rechnen gewesen wäre: die Areale der Stationen Krems-Hundssteig und Krems-Wachtberg sind durch ihre herrliche Lage bevorzugtes, wenn auch teures Bauland geworden. Mit einer Verbauung der letzten freien Zonen würden diese bedeutenden Fundstätten für immer zerstört oder überbaut und damit für die Wissenschaft unzugänglich. In Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt und dem Bauwerber wurden erste Testgrabungen durchgeführt, die alten Kulturschichten erfolgreich wieder aufgespürt und aktuelle naturwissenschaftliche Untersuchungen in die Wege geleitet. Im Jahre 2001 soll nun eine große Forschungsgrabung erhärten, auf was die ersten Teste eindeutig hinwiesen: Die Stratigraphie zwischen Krems-Wachtberg und Krems-Hundssteig ist ausgesprochen detailreich, so dass unbedingt angenommen werden muss, dass unter dem alten Material von Krems-Hundssteig hinreichend auch gravettienzeitliches Fundgut angenommen werden muss.

 

Wege zur Eiszeit. Ein neues Projekt zur Altsteinzeitforschung der Prähistorische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Anzeiger phil.-hist. Klasse 135. Jahrgang, in Druck.

 

 

Clemens PASDA – Erlangen: Vom Fischfang im Sand – Ein spätpaläolithisches Knochenartefakt aus der Niederlausitz.

 

1997 wurde durch das Brandenburgische Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte im Vorfeld des Braunkohletagebaus Cottbus-Nord auf Gemarkung Kleinlieskow (Stadt Cottbus) auf ca. 350m² ein Fundplatz („Kleinlieskow 120“) mit ca. 16.000 Silices in drei Steinartefaktkonzentrationen ausgegraben, der nach der stratigraphischen Abfolge und den Silexgeräten ins Spätpaläolithikum datiert. Im Zentrum von zwei Konzentrationen war der liegende Sand auf 1m Durchmesser rötlich gefärbt. Nur diese als Feuerstellen gedeuteten Strukturen enthielten gebrannte Knochen. Unter ihnen fand sich ein Artefakt, das als Fragment eines Angelhakens interpretiert und in größerem Zusammenhang diskutiert wird.

 

Bittmann, F. et al., 1999: Naturwissenschaftliche Untersuchungen zum Weichselspätglazial in der Niederlausitz bei Cottbus (Land Brandenburg). Quartär 49/50, 7-54.

Pasda, C. (im Druck): Das Knochengerät vom spätpaläolithischen Fundplatz Kleinlieskow 120. Ein Essay zum steinzeitlichen Angelhaken. In: Gedenkschrift für Wolfgang Taute (Manuskript: 8 S., 7 Abb.).

 

 

Robert PETICZKA – Wien: Sedimentologische Aspekte und Untersuchungen im Bereich Krems Wachtberg und Krems Hundsteig.

 

An den beiden obigen Standorten wurden in den Jahren 1999 und 2000 Sondierungen durchgeführt, welche zur Klärung der sedimentologischen Situation beitragen sollen. Es handelte sich dabei einerseits um Rammkernsondierungen, welche bis in eine Tiefe von 7 Meter vorgetrieben wurden. Andererseits wurden Proben direkt aus einem aufgeschlossenen Profil entnommen und analysiert.

Ziel dieser umfangreichen Bohrungen, welche sowohl nach geometrischem Rastersystem (Wachtberg) als auch morphologischen Fragestellungen (Hundsteig) angelegt wurden, war es, Zusammenhänge in der Sedimentologie zwischen diesen beiden Fundstätten zu finden.

Die Auswertung der feldkundlichen Beobachtung, aber auch der sedimentologischen Analyse erbrachte innerhalb der drei Standorte recht eindeutige Ergebnisse. Die Korrelation zwischen den Standorten Hundsteig und Wachtberg ist jedoch nur sehr schwer und undeutlich feststellbar. Der Untersuchungsumfang beschränkt sich auf Korngröße und CaCO3-Gehalt, sowie auf makroskopische Begutachtung und Farbanalyse nach MUNSELL. Diese Ergebnisse aus der Laboranalyse werden mit jenen der Feldansprache verglichen, wodurch sich ein kompaktes Bild der jeweiligen Situation ergibt.

 

Präsentation:

Hundsteig 1999: Bohrung 1-7

Hundsteig 2000: Hauptprofi

Wachtberg 2000: Bohrung 1-11

 

 

Joachim SCHÄFER – Dresden: Der Fundplatz Markkleeberg. Forschungsgeschichtlicher Hintergrund und Ergebnisse der neuen Ausgrabungen: Einführung, Geostratigraphie und vergleichende Chronologie.

Joachim SCHÄFER: Einführung. - Geostratigraphie und vergleichende Chronologie

Thomas LAURAT: Steinartefakte und Fauna

Jan KEGLER: Geomorphologie

Der altsteinzeitliche Fundplatz Markkleeberg wird in Fachkreisen sicherlich mit dem seit nahezu 100 Jahre dauernden Streit um die Wertigkeit archäologischer techno-typologischer Datierung gegenüber geostratigraphischer Einordnung in Verbindung gebracht. Die „fortschrittlich“ anmutenden „mittelpaläolithischen“ Steinartefakte ließen sich scheinbar nicht mit einer stratigraphischen Position zwischen Elster- und Saalegrundmoräne vereinbaren. Die derzeitigen Ausgrabungen des sächsischen Landesamtes für Archäologie ermöglichen es, noch einmal einen detaillierten Blick auf das Artefaktinventar und seine geostratigraphische Situation zu werfen.

Aus ehemaligen Sand- und Kiesgruben im Süden von Markkleeberg-Ost wurden erstmalig 1895 von dem Landesgeologen Franz Etzold Steinartefakte gesammelt. Es ist jedoch das Verdienst von Karl Hermann Jacob (Jacob-Friesen), den Fundplatz zu Beginn des letzten Jahrhunderts der internationalen Fachwelt bekannt gemacht zu haben. Erste geostratigraphische Forschungen von Carl Gäbert und die folgenden fundamentalen Arbeiten zur mitteldeutschen Eiszeitgliederung von Rudolf Grahmann und in seiner Nachfolge Lothar Eissmann machten deutlich, dass die archäologischen Funde in einem ehemaligen Flussbett der Pleiße/Gösel, die hier die Hauptterrasse bilden, liegen. Diese Terrasse ist zwischen den Grundmoränen der Elstergletscher und der Saalegletscher eingebettet. Während der Bergbauaktivitäten, als die Abbauwand des Tagebaus Espenhain nach Norden auf Markkleeberg vorrückte, konnten Wilfried Baumann und Dietrich Mania verschiedene Notbergungen durchführen. Neben den von Grubenarbeitern gesammelten Liebhaberstücken wurden jetzt auch einfache Steinartefakte bekannt. Die momentanen Untersuchungen erlauben detaillierte Befundaufnahmen sowie erstmalig eine genaue stratigraphische Dokumentation der Fundstücke. Darüber hinaus werden umfangreiche Profilaufnahmen entlang der gesamten nördlichen bis östlichen Tagebaukante durchgeführt und somit die verschiedenen Phasen der Gletschervorstöße aus Elster- und Saaleeiszeit dokumentiert.

Wir unterscheiden drei Fundhorizonte. 1. unten, eine über tertiären Sanden oder frühpleistozänen Schottern liegende Steinsohle mit sporadisch auftretenden scharfkantigen Artefakten, die in Uferbereichen dichtere Konzentrationen bilden. 2. mittig, fluviatile Kiese und Sande mit vereinzelten, meist abgerollten Artefakten. 3. oben, in Kieslinsen fluviatiler Sande und Schluffe (Schwemmsande), nahe der hangenden Saalegrundmoräne, einzelne Konzentrationen scharfkantiger, bisweilen grau-weiß patinierter Artefakte.

Die Anwesenheit des Menschen in Markkleeberg ist mit einer Rohstoffversorgung von Feuerstein in Verbindung gebracht worden. Die scharfkantigen Artefakte der Steinsohle deuten auf autochthone Lagerung. Echte Schlagplätze sind aufgrund der viel zu geringen Artefaktanzahl nicht zu interpretieren. Das Inventar deutet allerdings auf eine Schlagplatzfacies, mit den dazugehörigen Kernen, Präparationsabschlägen und Zielabschlägen. Letztere und Geräte sind im Gegensatz zu den aus Sammlungen und Notbergungen bekannten gering. Vorläufig möchten wir die Befundsituation Steinsohle als spezielle Landschaftsnutzung des Menschen in Zusammenhang mit einer Rohstoffversorgung durch Feuerstein, vielleicht als Peripherie von Schlagplätzen, interpretieren.

Kryoturbationen, Eiskeilpseudomorphosen und zersprengte Feuersteingerölle deuten auf periglaziale Klimabedingungen. Auch die aufgefundenen Knochen und Zähne repräsentieren eine kaltzeitliche Steppenfauna.

Die drei Fundschichten liegen in deutlich unterschiedlicher stratigraphischer Position. Doch sind sie alle älter als der Gletschervorstoß der Saaleeiszeit und jünger als der der Elstereiszeit Der Datierungsspielraum lässt sich einengen, wenn man bedenkt, dass aus der Hauptterrasse (jedoch nicht in Markkleeberg) Eichenstämme bekannt geworden sind, die ein Interglazial innerhalb der kaltzeitlichen Hauptterrasse anzeigen. Vor dem Hintergrund der Sauerstoffisotopenkurve und der Löss-Stratigraphie Tadschikistans korrelieren wir die Saaleeiszeit mit dem Stadium 6 und die Elstereiszeit mit Stadium 12.

Wenn wir die vor dem letzten Interglazial (Eem 128.000 Jahre) abgelagerte Saalegrundmoräne auf ca. 150.000 Jahre datieren, so dürften die Funde aus den Kieslinsen unterhalb der Saalegrundmoräne mindestens 160.000 Jahre alt sein. Die in der Hauptterrasse „versteckte“ Warmzeit der Eichenstämme ist mindestens 200.000 Jahre alt. Für die an der Basis der Kiese der Hauptterrasse liegenden ältesten Fundschicht Steinsohle vermuten wir ein Alter von mehr als 250.000 Jahren. Unter geostratigraphischen Gesichtspunkten könnten die Funde sogar bis in die ausgehende Elstereiszeit datiert werden (ca. 440.000). Bei einer nur mit äußerster Vorsicht anzuwendenden archäologischen Datierung läge die maximale zeitliche Untergrenze im Saalefrühglazial, d.h. unmittelbar nach der Holsteinwarmzeit sensu stricto (ca. 380.000).

 

 

Wolfgang SCHIRMER – Düsseldorf: Gemeischafts-Forschungsergebnisse innerhalb der Quartärgeologie, Bodenkunde und Paläolithforschung.

 

 

Ralf W. SCHMITZ – Bonn-Tübingen: Weitere Grabungen im Bereich der ehemaligen Höhlen „Kleine Feldhofer Grotte“ und „Feldhofer Kirche“ im Neandertal.

 

Im Herbst 1997 gelang nach mehrjährigen Recherchen die Wiederentdeckung der 1856 herausgeschaufelten Sedimente der unmittelbar benachbarten Höhlen Kleine Feldhofer Grotte und Feldhofer Kirche im Neandertal. Von April bis September 2000 fanden die Geländearbeiten des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege ihre Fortsetzung. Bisher konnten für die Feldhofer Kirche Besiedlungsspuren in Form von Steingeräten des Micoquien und des Gravettien nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um bifaziale Schaber, ein Keilmesser, umgearbeitete bifaziale Geräte, ein Fragment einer Blattspitze bzw. eines Faustkeilblattes und Rundkratzer (Groszaki). Diesen Formen des Micoquien stehen mit Kernkantenklingen, Rückenmessern, Gravettespitzen, Font-Robert-Spitzen und Spitzenfragmenten aus Knochen und Elfenbein Stücke des Gravettien gegenüber.

Weiterhin konnten neben zahlreichen kaltzeitlichen Faunenresten bisher etwa 50 menschliche Knochenfragmente identifiziert werden. Dies sind einerseits 1856 übersehene Knochenteile des Neandertaler-Typusexemplars, die sich durch ihre Robustheit ausweisen oder sich direkt an das Skelett von 1856 ansetzen lassen. Letzteres gelang 1999 mit einem kleinen Fragment des linken Femurs und im Juli 2000 mit einem neu entdeckten Gesichtsschädelstück. Andererseits war es möglich, das erst 1997 entdeckte, ebenfalls erwachsene zweite Individuum weiter zu vervollständigen. Seine Knochenfragmente sind graziler, so dass in vielen Fällen eine Abgrenzung gegen den robusten Neandertalermann möglich ist. Auch doppeln einige Knochen die entsprechenden Teile des Typusexemplars. Die anthropologische und pathologische Untersuchung der Funde erfolgt derzeit durch M. Schultz, Universität Göttingen und F. H. Smith, Northern Illinois University. Die Analyse der mitochondrialen DNA des durch G. Bonani, ETH Zürich, auf rund 40.000 Jahre BP datierten zweiten Individuums wird durch das Team von S. Pääbo, MPI Leipzig, vorgenommen. Hier dürfte der Vergleich mit der bereits 1997 analysierten mtDNA des namengebenden Neandertalers höchst interessant sein.

 

Fuhlrott, J. C., 1859: Menschliche Ueberreste aus einer Felsengrotte des Düsselthals. Ein Beitrag zur Frage über die Existenz fossiler Menschen. – Verhandlungen des naturhistorischen Vereines der preussischen Rheinlande und Westphalens 16, 131–153 u. Taf. I; Bonn.

Krings, M., Stone, A., Schmitz, R.W., Krainitzki, H., Stoneking, M. and Pääbo, S., 1997: Neandertal DNA Sequences and the Origin of Modern Humans. – Cell 90, 19–30. Cambridge, Mass.

Schmitz, R.W. und Thissen, J., 2000: Neandertal. Die Geschichte geht weiter. – XX u. 327 S. mit 116 Abb.. Heidelberg (Spektrum).

 

 

Klaus SCHMUDE – Essen: Ein Versuch, Grenzen der Beurteilbarkeit von verschliffenen Fundstücken mit Methoden aus der Informatik und entsprechenden Merkmalen zu erfassen.

 

Zur Strukturierung der Ergebnisse der seit 1992 laufenden Gerölluntersuchungen habe ich Methoden aus der Informatik verwendet, so die Mustererkennung, Expertensysteme, Fuzzy Logik und andere. Expertensysteme erfordern den Aufbau einer Wissensbasis mit Fakten/Objekten, in unserem Falle wären dies Attribute und Merkmale. Beide werden in der Fuzzy Logik als „Variable“ bezeichnet. Da mir Fuzzy Logik in besonderem Maße zur Bearbeitung unsicherer, unscharfer Fundstücke aus Flussterrassen geeignet erscheint, habe ich eine Reihe von Variablen in der erforderlichen Form erfasst. Der Prototyp eines Systems zur Trennung zwischen Artefakten und Geofakten, an welchem ich arbeite, führt im Prinzip eine Merkmalsanalyse durch.

Als Einführung stelle ich in diesem Vortrag eine der Variablen vor, nämlich den Verschliff. Dies ist kein Merkmal im eigentlichen Sinne, sondern ein Attribut, eine Eigenschaft, jedoch eine ganz wesentliche, welche durch das Fehlen eines Maßstabes bei Diskussionen über unklare Fundstücke immer wieder zu Problemen führt. In der Sprache der Informatik ist es eine „mächtige“ Variable.

Ich unterteile jede Variable, um die Merkmale bzw. Eigenschaften eines unklaren Fundstückes Gruppen und über diese Prozentsätzen einer Skala zuweisen zu können. Ein Stück, welches deutlich einer Gruppe und damit einem bestimmten Bereich zugewiesen werden kann, lässt sich weit besser beurteilen. Solch eine Skala erlaubt auch die Festlegung von Schwellwerten, von Grenzen, die je nach Situation angepasst werden könnten.

Den Verschliff habe ich in 5 Gruppen eingeteilt: „Sehr Gering – Gering – Mittel – Hoch – Sehr Hoch“, auf einer Skala von 0 bis 100 %. Ein wesentlicher Zug ist die Überlappung der Gruppen. Dabei stütze ich mich auf Gruppenbildung aus der Sedimentologie, wobei die Zugehörigkeit anhand von Abbildungen geschätzt wird: „angular – rounded – well rounded“ usw. Abweichend von der geologischen Skala mit nur einer Zugehörigkeit verwende ich 3 Attribute bzw. deren jeweiligen Zustand. Die Kantenverrundung wird mit Hilfe einer Zeichnung von Halbkreis-Radien geschätzt (Geologische Methode), die Grateverrundung (in mm) kann geschätzt werden, der Grad des Verschliffs der Negativflächen ebenso. Vergleichsstücke sind dabei wesentliche Arbeitsgrundlage.

Der kritische, der Grenzbereich dürfte die Gruppe „Hoch“ sein. Ich habe sie daher in 2 Hälften unterteilt. Die Erste enthält die vom mit Verschliff Vertrauten noch erkennbaren Stücke. In der zweiten Hälfte befinden sich diejenigen Stücke, für die noch Anhaltspunkte für Verdacht erkennbar sind, eine weitergehende Aussage wegen des fortgeschrittenen Verschliffes jedoch nicht möglich ist. Da diese Methode es gestattet, bei einem diskutierten Fundstück zu sagen, es befinde sich wegen seiner Kanten- und Grateverrundung sowie dem Grad des Verschliffes seiner Negativflächen beispielsweise in der ersten Hälfte dieser Gruppe, ist sein Zustand festlegbar. Ob man Stücke mit Zugehörigkeit zur Gruppe „Hoch“ noch als Dokument verwendet oder aber, wie es den Vorstellungen der Fuzzy Logik entspricht, in einer gesonderten Gruppe zwischen Artefakten und Geofakten erfasst, hängt von der jeweiligen Situation ab. Auf keinen Fall sollte man solche Stücke einfach wegwerfen. Sie markieren eine Grenze, für deren Überschreiten zu einer Merkmalsanalyse ausreichend Sicherheit vorhanden sein muss.

 

 

Michael SEILER - Tübingen: Neandertalerzeitliche Steinartefakte aus den Flussschottern der Mulde in Nordwestsachsen. In Zusammenarbeit mit Diethelm RUNCK – Bad Düben.

 

Im Rahmen einer Magisterarbeit am Tübinger Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters sollen mehrere Steinartefaktinventare aus weichselzeitlichen Niederterrassenschottern der Mulde systematisch ausgewertet und somit ein Beitrag zur paläolithischen Besiedlungsgeschichte Mitteldeutschlands geleistet werden. Während mehrjähriger Geländearbeiten seitens D. Runck und des Verfassers konnten in den Kieswerken Löbnitz und Sprotta (Landkreis Delitzsch) sowie – stratifiziert – im Braunkohletagebau Goitzsche bei Bitterfeld insgesamt über 1500 Feuersteinartefakte geborgen werden. Neben zahlreichen opportunistisch abgebauten Kernsteinen und entsprechenden Abschlägen ist auch eine deutliche Levallois-Komponente feststellbar. Hinsichtlich modifizierter Artefaktformen liegen Faustkeile, Keilmesser, Schaber, Spitzen und retuschierte Abschläge vor. Eine besondere Stellung nehmen bifazielle blattförmige Schaber ein. Hervorzuheben ist ein triangulärer Faustkeil aus dem Kieswerk Sprotta mit auffallenden Parallelen zum französischen MTA (Seiler, M. und Runck, D. in Vorb.). Im Tagebau Goitzsche konnten die Artefakte in stratigraphischer Position beobachtet werden. Demnach kann ein Großteil der Silices in Paläorinnen innerhalb einer Steinsohle an der Terrassenbasis lokalisiert werden. Der geringe Abrollungsgrad zahlreicher Artefakte spricht gegen größere Umlagerungsvorgänge. Ferner wurden einige Faunenreste (Mammut, Nashorn, Wildpferd, Riesenhirsch, und Boviden) geborgen, bei denen es sich jedoch überwiegend um die natürliche Hintergrundfauna handeln dürfte. Das Liegende des Fundhorizontes bilden miozäne Meeressande. Im Hangenden sind zwei schwach humos ausgebildete Schluffhorizonte („Löbnitzer Horizonte“) vorhanden, deren 14C-Alter zwischen 26.000 und 32.000 Jahren liegt (Hiller, A., Litt, T. und Eissmann, L. 1991). Eine besondere Fragestellung betrifft das Problem der geochronologischen Einordnung der Inventare angesichts der konträren Ansichten über Bildungszeitraum und Homogenität der Muldeterrasse (Hiller, A., Litt, T. und Eissmann, L. 1991; Fuhrmann, R. 1999). Wir gehen von einer Einordnung ins Mittelweichsel und einer Zugehörigkeit der Funde zum noch immer schwer zu umreißenden späten Mittelpaläolithikum des norddeutschen Tieflandes aus. Für Sachsen konnte erstmals eine stärkere Begehung durch den mittelpaläolithischen Menschen der letzten Eiszeit nachgewiesen und somit eine Forschungslücke geschlossen werden. Bisher waren aus diesem Raum nur Einzelfunde bekannt, die jedoch bis in das Vorland des Erzgebirges streuen. Abgesehen vom lange Zeit umstrittenen Salzgitter-Lebenstedt hat die Fundstelle Lichtenberg in Niedersachsen erstmals Faustkeile in stratigraphisch gesichertem weichselzeitlichen Zusammenhang erbracht. Die Inventare aus dem Tagebau Goitzsche – wenn auch feinstratigraphisch nicht näher zuzuordnen – unterstützen diese Beobachtungen und stellen wiederholt das typologische Grundgerüst des Mittelpaläolithikums in Frage. Vor diesem Hintergrund soll auch die Berechtigung bisher verwendeter mittelpaläolithischer „Formengruppen“ kritisch hinterfragt werden.

 

Fuhrmann, R., 1999: Die Entwicklungsgeschichte postsaaleglazial entstandener Talabschnitte der Weißen Elster und Mulde und die stratigraphische Gliederung des jüngeren Quartärs. Altenburger naturwiss. Forsch. 11, 43-63.

Hiller, A., Litt, T. und Eissmann, L., 1991: Zur Entwicklung der jungquartären Tieflandstäler im Saale-Elbe-Raum unter besonderer Berücksichtigung von 14C-Daten. Eiszeitalter und Gegenwart 41, 26-46.

Seiler, M. und Runck, D. (in Vorb.): Rohmaterialuntersuchungen und Merkmalanalyse mittelpaläolithischer Feuersteinartefakte aus Sprotta und Löbnitz, Lkr. Delitzsch (Sachsen). Vortrag gehalten am 28.5.1999 in der AG Quantitative Methoden des 4. Deutschen Archäologenkongresses in Heidelberg.

 

 

Jordi SERANGELI – Tübingen: Entwicklung und Verbreitung wichtiger Jagdtiere des Jungpleistozäns in Spanien mit Schwerpunkt auf Nordostspanien. In Zusammenarbeit mit Hans-Peter UERPMANN und Birgit CRAMER – Tübingen.

 

Die Iberische Halbinsel bildete während der Eiszeit ein Rückzugsgebiet für wärmeliebende Faunenelemente. Hier überlebten länger als in anderen Regionen Europas Arten wie der Waldelefant (Elephas antiquus) und das Waldnashorn (Dicerorhinus merki). Andere Spezies wie Rothirsch (Cervus elaphus), Damhirsch (Cervus dama) und Wildschwein (Sus scrofa) verbreiteten sich während milderen Perioden von Spanien aus nach Südwestfrankreich.

Der Nordrand der Iberische Halbinsel wurde jedoch von einigen kälteliebenden Formen erreicht, u.a. Mammut (Mammuthus primigenius), Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis), Saiga-Antilope (Saiga tatarica), Moschusochse (Ovibos moschatus) und Rentier (Rangifer tarandus). Da die Pyrenäen lange Zeit während der letzten Eiszeit eine Barriere bildeten, bestanden die einzigen Verbindungswege entlang der Küste, östlich und westlich der Pyrenäen. Für die von Norden kommende kälteliebende Fauna eröffneten sich zwei sehr unterschiedliche Landschaften. Durch die „westliche Passage“ erreichte man Kantabrien, eine schmale Region gedrängt zwischen das Kantabrische Gebirge und den Golf von Biskaya, welche sehr stark vom atlantischen Klima geprägt ist und war. Von hier ist für manche Tierarten weiterhin auch eine Verbreitung in die spanische Meseta möglich. Entlang der „östlichen Passage“ erreichte man Ostspanien, eine durch die Abwechslung von Ebenen und Hügel bzw. niedrige Gebirge geprägte Landschaft, welche sich bis in den Süden der Halbinsel zieht. Das Klima ist hier stark durch das Mittelmeer beeinflusst.

Ausgehend von den Faunenresten und den bildlichen Darstellungen der Tiere und im engen Zusammenhang mit der topographischen Lage der Fundstellen soll hier auf Veränderungen der Faunenvorkommen, auf deren Körpergröße sowie auf das Auftreten von seltenen und aussagekräftigen Tierarten hingewiesen und diskutiert werden. Besondere Aufmerksamkeit wird weiterhin auf zoologisch ähnliche „Tierpaare“ wie z.B. Pferd/Wildesel, Rentier/Hirsch, Bison/Auerochse und Mammut/Elefant gelegt, die unterschiedliche ökologische Nischen besetzen.

 

 

Helmut SPATZ – Die Einbindung der Paläolithforschung in die deutsche Ur- und Frühgeschichtswissenschaftschaft.

 

Für E. Meyer waren 1909 „die primitiven Zustände bis zu den Metallzeiten“ Gegenstand der Anthropologie und nicht der Geschichte. Analog schloss F. Koepp im ersten Band der ‚Germania’ 1917 das Paläolithikum als Forschungsgebiet der Römisch-Germanischen Kommission aus, eine programmatische Äußerung, die als symptomatisch gelten kann, „drückt sich darin doch ... eine äußerst reservierte Haltung gegenüber der Urgeschichte des Menschen aus, die die deutsche Forschung – im Gegensatz zu der Frankreichs und Spaniens – über Jahrzehnte hinweg bis in die jüngere Vergangenheit bestimmt“ (Chr. Züchner 1995, 48) und letztlich zur Gründung der Hugo Obermaier-Gesellschaft geführt hat.

Im Zeitalter einer immer erdrückenderen Publikationsflut und einer immer stärkeren Differenzierung der Forschungsgebiete scheint die Paläolithforschung innerhalb der deutschen Ur- und Frühgeschichtswissenschaft heute immer weiter ins Abseits zu geraten. Bei einer zusätzlich weit verbreiteten Silexartefaktphobie und der Kontaktscheu vor sonst kaum herangezogenen beitragenden Wissenschaften wird die Jägerische Archäologie am ehesten als diejenige angesehen, auf deren Abdeckung man glaubt verzichten zu können. Sensationelle Entdeckungen der frühen Menschheitsgeschichte erfahren fachintern kaum die ihrer Bedeutung entsprechende Würdigung.

Paläolithiker gelten als hochspezialisiert, gleichzeitig aber als nicht in der Lage, das Gebiet der gesamten Ur- und Frühgeschichte vertreten zu können, während ‚Metallzeitler’ eine Kompetenz bezüglich der gesamten Breite des Faches zugeschrieben wird. Das Paläolithikern zur Verfügung stehende Stellenangebot erweist sich de facto als entsprechend eingeschränkt. Von Paläolithikern eingenommene Professuren wurden in der jüngeren Vergangenheit ersatzlos von Experten für andere Perioden besetzt. Während Museen etwa für eisenzeitliche Fürstengräber sich als unproblematisch finanzierbar erweisen, verbleibt die Realisierung einer angemessenen musealen Präsentation paläolithischer Befunde von weltweiter Bedeutung im Bereich der Hoffnung.

Allgemein besitzen die Metallzeiten fachintern einen höheren Status als die Steinzeiten, wobei der Glanz der Metallobjekte und Waffen nicht selten auf die Reputation des Bearbeiters rückzuwirken scheint. Dieses Phänomen steht in deutlichem Kontrast zu den die Öffentlichkeit primär interessierenden, mit dem Eiszeitalter und der Steinzeit verbundenen Themen: Ausstellungen, die sich um die Entwicklung des frühen Menschen drehen, sind bestens besucht. Auch das Interesse der Studierenden an Paläo- und Mesolithikum ist groß und kann oft nicht durch ein entsprechendes Veranstaltungsangebot befriedigt werden. So wird zu fragen sein, welche Rolle die Jägerische Archäologie an den Instituten spielt: welchen Anteil hat sie an Vorlesungen und Seminaren, den Themen von Magisterarbeiten, Dissertationen und Habilitationen? Welcher Stellenwert kommt ihr weiter in den Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts sowie der Besetzung und den Aktivitäten der Landesdenkmalämter zu? Wie ist sie bei den Verbänden repräsentiert, wie stellt sie sich in Fach- und populären Zeitschriften sowie den Museen dar?

Die Paläolithforschung muss künftig eine ihrer Bedeutung entsprechende Stellung innerhalb der Ur- und Frühgeschichtswissenschaft einnehmen. Zu denken ist etwa an die Gründung einer mit den Altertumsverbänden tagenden AG Paläolithikum, an ein kooperatives Aufgreifen periodenübergreifender Themen, an die Vermittlung spezifisch ‚paläolithischer Methoden’. Auch sollte es gelingen, das rege Interesse der Öffentlichkeit an der Jägerischen Archäologie für die Stellung der Paläolithforschung zu nutzen. Die Mittel und Wege werden zu diskutieren sein.

 

Chr. Züchner, 1995: Hugo Obermaier (1877–1946). Dokumente seines Lebens und Wirkens im Archiv der Hugo Obermaier-Gesellschaft zu Erlangen. Madrider Mitteilungen 36, 48–59.

 

 

Leif STEGUWEIT – Bilzingsleben/Tübingen: Zur Frage der Gebrauchsspuren an älterpaläolithischen Feuerstein-Artefakten.

 

Bei der Analyse von mikroskopischen Gebrauchsretuschen an Artefakten aus zähen Gesteinen haben sich seit Beginn diesbezüglicher Inventarstudien weitgehend konsensfähige Merkmale herausgebildet. Zuverlässige Anhaltspunkte für transversales und/oder longitudinales Arbeiten mit prähistorischen Werkzeugen finden sich anhand mikrobruchmechanischer Besonderheiten an diesen Geräten. Demgegenüber hatte die Analyse von sogenannten Gebrauchspolituren lange Zeit mit methodischen Unwägbarkeiten zu kämpfen, bestand doch das Hauptkriterium der Analyse oft im rein phänomenologischen Vergleich mit experimentellen Studien. Arbeiten zu postdepositionellen Modifikation an Feuersteinen (z.B. Bäsemann, Levi-Sala) ließen erkennen, dass deren Oberflächen erhebliche Veränderungen durch bodenchemische und mechanisch-abrasive Prozesse erfahren können.

Neue Analysemethoden, wie Rauhigkeitsmessungen mit dem Laserscan-Mikroskop, hochauflösende Aufnahmen der Flint-Struktur oder Element-Mapping mit der Mikrosonde ermöglichen es, einige beschriebene Politurphänomene neu zu diskutieren. Dabei zeigt sich, dass bodenchemische Prozesse nicht nur in Bindungsaustausch mit der Oberfläche des Feuersteins treten können (Farbveränderungen), sondern im Flint eigendynamische Prozesse der Umstrukturierung anregen und beschleunigen. Elektronenmikroskopische Aufnahmen bestätigen die metastabilen Eigenschaften von Flint, dessen Dichte durch sekundäre Opalisierung erhöht wird. Sekundäre Opalisierung an Feuersteinen zeigt sich zum einen im bereits makroskopisch erkennbaren Oberflächenglanz, ist darüber hinaus aber auch mit der verminderten Oberflächenrauhigkeit messbar. Selbst an intensiv gebrauchten Feuersteinen ist eine zuverlässige Ansprache von Gebrauchspolituren oft nicht mehr möglich, da diese von der Opalbildung vollständig überprägt wurden. Unabhängig davon ist z.B. das Phänomen Sichelglanz, das nachweislich in einer additiven Schicht besteht.

Ausblick: Mit der Möglichkeit quantifizierender Untersuchungen sind – dank verbesserter mikroskopischer und chemischer Methoden – in Zukunft besonders auf dem Gebiet der Residuenforschung interessante Ergebnisse zu erwarten, die einen Einblick in die Werkzeugnutzung des frühen Menschen geben können.

 

 

Thomas TERBERGER – Greifswald: Ausgewählte spätglaziale Behausungsgrundrisse – Eine „Quadratur des Kreises?“ In Zusammenarbeit mit Olaf JÖRIS – Neuwied-Monrepos.

 

Der spätglazialen Freilandstation Gönnersdorf kommt für die Frage der Siedlungsstrukturen des Magdalénien eine ganz wichtige Rolle zu. Die im Norden der Grabungsfläche gelegene, nur relativ kurze Zeit genutzte Konzentration IV wurde in einer monographischen Bearbeitung als Grundriss eines runden Zeltes interpretiert. Inzwischen wird diese Deutung kritisch hinterfragt. Vor diesem Hintergrund wird die Hypothese eines Zeltes mit rechteckigem Grundriss mit zentraler Innenfeuerstelle getestet und das Ergebnis mit weiteren Behausungsbefunden dieser Zeit verglichen.

In diesem Zusammenhang kommt den Befunden von Etiolles W 11 (Magdalénien) und Le Closeau, locus 46 (bipoint-Phase der Rückenspitzen-Industrien) im Pariser Becken eine wichtige Rolle zu, die erstaunliche Übereinstimmungen in Form und Größe der erkennbaren Grundrisse zeigen, und daher auf Gemeinsamkeiten in der Konstruktionsweise der Zelte schließen lassen. Ähnlich wie in Gönnersdorf IV gehört auch zu den Grundrissen von Etiolles W 11 und Le Closeau, locus 46, jeweils eine rückwärtige Außenfeuerstelle. Zudem liegen Hinweise auf eine ähnliche Nutzung des jeweiligen Zeltinnenraums vor.

Die Übereinstimmungen der drei Befunde lassen über die formalen Gesichtspunkte hinaus auch auf Gemeinsamkeiten in der Sozialstruktur im Zeitraum zwischen ca. 13.500 und 12.000 calBC schließen. Damit zeichnet sich ein Fortleben von Traditionen des Spätmagdalénien in die Zeit der frühen Rückenspitzen-Industrien ab.

 

 

Jürgen VOLLBRECHT – Reichwalde: Der spätpaläolithische Fundhorizont von Reichwalde. Erste Auswertungsergebnisse.

 

Von September 1997 bis Juli 1998 wurde im Vorfeld des Tagebaus Reichwalde (Niederschlesischer Oberlausitzkreis, Ostsachsen) eine spätpaläolithische Fundstelle ausgegraben. Der Fundhorizont steht mit einem spätglazialen Waldvorkommen des frühen Allerød-Interstadials in Verbindung. Stratigraphische Beobachtungen lassen die Gleichzeitigkeit zumindest einer Wachstumsphase des Waldes und dem menschlichen Aufenthalt vermuten: Funde und Befunde wurden in einer Nanopodsolbildung angetroffen, in der zugleich auch die Kiefern des Waldvorkommens wurzeln. Das Waldvorkommen ist im Fundhorizont auch außerhalb der spätpaläolithischen Fundstelle erhalten und gibt Anlaß zu intensiver interdisziplinärer Zusammenarbeit, um die optimale Erfassung dieser in Mitteleuropa raren Situation zu gewährleisten, die zusätzlich von Zerstörung bedroht ist. Derzeit liegen 14C- Datierungen des Waldes für das frühe und beginnende Allerød-Interstadial vor, die Datierungen eines spätpaläolithischen Befundes könnten aber ein Alter des damit verbundenen menschlichen Aufenthaltes noch vor dem Allerød-Interstadial nahelegen; weitere Datierungen werden hinzukommen.

Die Fundstelle umfaßt mehrere Konzentrationen von Steinartefakten. Insgesamt wurden ca. 20.000 Artefakte ausgegraben. Zu diesen einzeln eingemessenen Steinartefakten gehören auch die Funde <1cm, die zunächst als Microdébitage zusammengefaßt wurden und jeweils um ca. 80% der bisher näher ausgezählten Inventare ausmachen. Sowohl diese hohe Anzahl kleiner Artefakte, als auch die Vertikalprojektionen der Funde erlauben Aussagen zur Erhaltung der angetroffenen Fundstellen. Demnach liegen in Reichwalde relativ kleine und ungestörte Fundkonzentrationen vor. Reichwalde zählt aber zu den ältesten spätpaläolithischen Fundstellen aus dem Umfeld der Rückenspitzengruppen in Mitteleuropa. Für einige Konzentrationen (5010, 5034, 5038, 5048/49) liegen inzwischen Auswertungen vor, die eine erste Charakterisierung des lithischen Inventars erlauben.

Auch eine Charakterisierung der Fundverhältnisse hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung ist für die genannten Konzentrationen möglich, ohne dass damit bereits eine Aussage über den Charakter der Gesamtfundstelle gegeben werden kann. Das archäologische Fundmaterial besteht überwiegend aus den fast ausschließlich aus Geschiebefeuerstein hergestellten Steinartefakten. Knochen sind im kalkfreien und sauren Milieu von Reichwalde nur ausnahmsweise und in kalziniertem Zustand erhalten.

 

 

Thomas WEBER – Magdeburg: Das ältere Paläolithikum in Mitteldeutschland.

 

Die Region zwischen Mittelgebirgsschwelle und Jungmoränengebiet im mittleren und südlichen Teil der ehemaligen DDR weist eine für ein kleines Gebiet erstaunlich reiche Anzahl paläolithischer Fundstellen auf. Zudem bestehen hervorragendende Möglichkeiten der Parallelisierung dieser Zeugnisse früher menschlicher Anwesenheit mit den großen erdgeschichtlichen Ereignissen: Mensch und Gletscher wechselten in dieser Landschaft sozusagen einander ab.

So finden wir die glazigenen und periglazialen Sedimente von Elster- und Saalevereisung und die periglazialen Ablagerungen der Weichseleiszeit z.T. in denselben Profilen wie die Ablagerungen mit Spuren des fossilen Menschen. Es handelt sich oft um Steinartefakte – zuweilen aber auch um menschliche Knochen: Bilzingsleben und Weimar-Ehringsdorf (!) – entdeckt in den Bildungen der wärmeren Klimaabschnitte der Interglaziale und Interstadiale. Der in der DDR großflächige Braunkohlentagebau ermöglichte die großräumige Beobachtung komplexer Pleistozänabfolgen in z.T. riesigen Aufschlüssen. Leider fanden auf Grund der personellen Situation in den damaligen Forschungsstellen für Ur- und Frühgeschichte und der ideologisch dominierten Arbeitsschwerpunkte in der DDR-Akademie der Wissenschaften archäologische Untersuchungen an diesen Aufschlüssen immer nur sporadisch statt. Auch in der Nachwendezeit ist es bisher nicht gelungen, die Altsteinzeitforschung an den Universitäten und Fachinstituten der Region entsprechend der Bedeutung dieses Forschungsgegenstandes zu verankern.

Somit sind zahlreiche Geländeaktivitäten der unermüdlichen Arbeit ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger zu verdanken. Die bei diesem, notwendigerweise zumindest zeitlich begrenzten Engagement gelungenen Entdeckungen lassen ein bereites Spektrum von Zeugnissen des frühen Menschen erkennen und eine Vielfalt von Verlusten undokumentiert abgebaggerter Spuren erahnen. Diese belegen eindrucksvoll die frühe Siedlungsgeschichte: von den Fundstellen aus dem der Elstereiszeit folgendem Holstein-Interglazial über den biostratigraphisch vielgestaltig gegliederten frühen Saale-Komplex, aus dem menschliche Anwesenheit auch schon unter unwirtlichen Klimabedingungen belegt ist, bis in das Jungpleistozän hinein, aus dem wir sowohl Funde der letzten Warmzeit kennen als auch solche aus den Interstadialen des Weichsel-Frühglazials, mit denen das ältere Paläolithikum vor dem Hochglazial ausklingt.

Ein Großteil der unter recht verschiedenartigen Fundumständen – zumeist aus umgelagertem Befundkontext – geborgenen Inventare konnte zumindest in Gestalt aussagekräftiger Stichproben wissenschaftlich bearbeitet werden. Als besonders aussagefähig auch für überregionale Vergleiche erwiesen sich die von funktionalen Spezifika der jeweiligen Plätze in einem nachvollziehbaren Maße relativ unabhängigen Untersuchungen zur benutzten Schlagtechnik, deren Geschichte in dem betrachteten Zeitraum eine charakteristische Entwicklung erkennen lässt. So gelang die Herausarbeitung von Technokomplexen/Technologieniveaus, die auch und gerade aus einer Position am Rande der altsteinzeitlichen Ökumene Hilfe bei der Antwort auf die Frage nach den Entwicklungsprozessen des frühen Menschen versprechen.

 

 

Wolfgang WEISSMÜLLER – Erlangen: Urgeschichtsforschung als Dienstleistung.

 

 

Ludwig ZÖLLER – Bonn: Chronologische Probleme der Paläolithforschung in Mitteleuropa: Das Beispiel des „Paudorf-Syndroms“.

 

In der Vergangenheit wurden lokale oder regionale quartärstratigraphische Einheiten vielfach außerhalb ihrer Typlokalität oder -region in der Quartärstratigraphie und somit auch in der Urgeschichte übernommen. Dies mag verständlich gewesen sein zu einer Zeit, als das Quartär bei weitem nicht so detailliert untergliedert werden konnte wie heute. Einmal eingeführt, haben sich diese Begriffe mit ihrer früher gegebenen zeitlichen Einordnung aber scheinbar unauslöschlich erhalten. Kam es früher zu Fehldatierungen, sorgen diese heute für große Konfusion.

Ein lehrreiches Beispiel bietet Niederösterreich, wo zum einen auffällig viele paläolithische Fundstellen bekanntgeworden sind, zum anderen das gesamte 20. Jahrhundert hindurch neue Impulse für die Löss-Stratigraphie ihren Ursprung nahmen. Die lange Zeit vorbildliche enge Zusammenarbeit von Quartärforschern und Urgeschichtlern in dieser Region hatte zur Folge, dass pedostratigraphische Einheiten wie „Kremser Bodenbildung“ „Göttweiger Verlehmungszone“ und „Paudorfer Boden“ auch außerhalb der Region übernommen wurden. Die jüngere Forschung hat aber, gestützt durch den Einsatz neuer Datierungsverfahren, eine Revision der zeitlichen Stellung dieser Bodenbildungen vorgenommen. Wurden z.B. Göttweiger und Paudorfer Boden ursprünglich als Innerwürm-Interstadialböden gedeutet, erfolgte zunächst für den Göttweiger, später auch für den Paudorfer Boden eine Neuinterpretation als interglazial. Für das „Paudorf-Interstadial“ ist die Diskussion noch nicht abgeschlossen, was m.E. auf teilweise unzulässige Interpretationen physikalischer Altersbestimmungen zurückzuführen ist. Die Neudatierungen betreffen auch alle Regionen, in denen die regionalen stratigraphischen Begriffe übernommen wurden. Der Vortrag will besonders anhand des „Paudorf-Interstadials“ aufzeigen, welche Probleme und Konfusionen sich daraus auch außerhalb der Typregionen ergeben. Die Relevanz für die Paläolithikum-Forschung liegt besonders darin, daß nach der früheren chronostratigraphischen Einstufung des „Paudorf-Interstadials“ in ihm oder dicht unterhalb der Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum zu erwarten wäre, was aber im Widerspruch sowohl zu neuen Datierungen als auch zu neuen löss-stratigraphischen Befunden steht.

 

 

Christian ZÜCHNER - Erlangen: Fünfzig Jahre Hugo Obermaier-Gesellschaft für Erforschung des Eiszeitalters und der Steinzeit. Geschichte und Ziele der Gesellschaft.