Martina Barth, Tübingen: Das Gravettien im
Achtal – Die Knochen- und Geweihartefakte vom Hohle Fels und benachbarter
Fundstellen.
Im Rahmen des Auswertungsprojekts „Paläolithikum der
Schwäbischen Alb“ werden in einer Doktorarbeit die gravettienzeitlichen Knochen-
und Geweihartefakte des Hohle Fels untersucht. Aufgrund von Zusammensetzungen
von Silexartefakten zwischen den Fundstellen Hohle Fels – Brillenhöhle,
Geißenklösterle – Brillenhöhle konnte Anne Scheer Verbindungen zwischen diesen
Höhlenfundstellen feststellen. Es soll nun untersucht werden, ob sich auch über
die organischen Artefakte Zusammenhänge ergeben. Hierbei sollen Fragen zur
zeitlichen Differenzierung der Gravettienschichten, zur Höhlennutzung und zu
regionalen und überregionalen Kontakten beantwortet werden. Das Poster stellt
bisherige Ergebnisse vor.
Christian BOGEN, Leipzig: Geoarchäologische
Untersuchungen auf dem mesolithisch-frühneolithischen Fundplatz Rothenklempenow
in der Ueckermünder Heide (Vorpommern).
Bereits zwischen 1983 und 1993 wurden auf dem mesolithisch-neolithischen
Fundplatz durch Frau S. Schacht (Lübstorf) umfangreiche Grabungen auf zwei
jungmesolithischen Siedlungsstationen durchgeführt. Parallel dazu erfolgten in
mehreren Schnitten Untersuchungen im Verlandungsmoor am Ufer des Latzigsees,
die ein außerordentliches Fundspektrum lieferten, welches die Zeitspanne vom
Präboreal bis zum Atlantikum umfasst. Das geborgene Fundmaterial beinhaltete
neben zahlreichen Flintartefakten ein umfangreiches Knochen- und
Geweihinventar, zu denen neben den Resten der Jagdbeute Werkzeuge, Waffen und
Kunstobjekte gehören. Ebenso wurde der Fischfang nicht allein durch Fischwirbel
und -schuppen repräsentiert, sondern auch durch Netzschwimmer aus Kiefernrinde
und Netzreste aus Weiden- und Eichenbast. Zu den herausragenden Funden dieser
Grabungen zählte das vollständige Skelett einer als sitzender Hocker
bestatteten Frau aus der Mitte des 6. Jahrtausends B.C.
1999 konnten die Untersuchungen durch S. Schacht und den
Referenten wieder aufgenommen werden. Primäres Ziel dieser Grabungskampagne war
nicht das Bergen weiteren Fundmaterials, sondern die Gewinnung neuer Kenntnisse
zum zeitlichen Ablauf der Verlandungsabfolge der Uferzone. Aus diesem Grund
wurden parallel zu den archäologischen Ausgrabungen detaillierte
sedimentologische Untersuchungen und eine Bodenkartierung des Fundplatzes durch
K. Kaiser (Marburg) vorgenommen. Außerdem erfolgten palynologische
Untersuchungen durch E. Endtmann (Halle) und W. Janke (Greifswald); die
archäozoologische Auswertung des umfangreichen Knochenmaterials verdanken
wir N. Benecke (Berlin). Die
interdisziplinäre Zusammenarbeit lieferte einerseits neue Kenntnisse zur
Landschaftsentwicklung und Hydrologie im Spätpleistozän, anderseits gelang eine
umfassende Rekonstruktion des Lebensraumes der mesolithischen und
frühneolithischen Populationen am Latzigsee.
Literatur:
SCHACHT,
S., BOGEN, C., 2001: Neue Ausgrabungen auf dem mesolithisch-neolithischen
Fundplatz am Latzig-See bei Rothenklempenow, Lkr. Uecker-Randow. Archäologische
Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 8, 5-21.
BOGEN, C.
2002: Ein See in der Mittelsteinzeit. Interdisziplinäre Forschungen auf dem
mesolithisch-frühneolithischen Fundplatz bei Rothenklempenow in Vorpommern.
Greifswalder Geographische Arbeiten 26, S. 183-187. Greifswald.
KAISER,
K., BOGEN, C., CZAKÓ-PAP, S., JANKE, W. 2003: Zur Geoarchäologie des
mesolithisch-neolithischen Fundplatzes Rothenklempenow am Latzigsee in der
Ueckermünder Heide (Vorpommern). Greifswalder Geographische Arbeiten 29, 27-68.
Enrico Brühl, Jena: Zur ökonomisch-okölogischen
Ausdeutung der Befunde vom Neumark-Nord 1
Bei interdisziplinären Forschungen unter der Leitung von D.
Mania im Tagebau Neumark-Nord wurde zwischen 1986 und 1996 ein interglaziales
Seebecken untersucht, dessen Alter als postdömnitz- und präeemzeitlich
anzusetzen ist.
Auf den sandigen Uferflächen des Seebeckens, die sich
während dessen Bestehens zweimal bildeten, waren auch spätmittelpleistozäne
Jäger aktiv, deren kulturelle Reste aus den Litoralhorizonten geborgen wurden.
Die morphologisch-morphometrischen Untersuchungen des
gesamten lithischen Materials von Neumark-Nord 1 werden zur Zeit vorgenommen.
Bereits während der laufenden Arbeiten konnten die von Mania anhand eines
Teilkomplexes herausgearbeitete Teilung des Materials in zwei
ökonomisch-ökologische Fazies bestätigt und ausgedehnt werden.
Eine Fund- und Befundfazies stammt vom Uferliniennahen
Bereich der Uferfläche. Charakterisiert wird diese durch das Fehlen
retuschierter Geräteformen, die Dominanz großformatiger Abschläge mit
umfangreichen auf Gebrauch zurückzuführenden Kantenveränderungen. Das mit den
Artefakten assoziierte faunistische Material setzt sich aus artikulierten
Teilskeletten zusammen, denen im Regelfall nur die Knochen der besonders fleischreichen
Körperpartien fehlen. Diese Fazies ist eindeutig als Schlacht- und
Zerlegungsplatzfazies anzusprechen.
Von den höher am Ufer gelegenen Bereichen, etwa 50 bis 100m
von der Uferlinie des Sees entfernt, stammt eine Steinartefakt- und
Knochenassemblage mit deutlich anderer Zusammensetzung.
Etwa 40 % der Feuersteinartefakte sind retuschiert, weitere
ca. 10 % zeigen deutliche Gebrauchsspuren. Bemerkenswert ist der Umstand, dass
trotz des extrem hohen Anteils retuschierter und genutzter Stücke charakteristische
mittelpaläolithische Typen fehlen. Vielmehr handelt es sich bei den
modifizierten Stücken fast ausschließlich um gezähnte und gebuchtete Stücke.
Das Knochenmaterial der äußeren Uferzone setzt sich aus
stark zertrümmerten Knochen zusammen, unter denen die Knochen der
fleischreichen Körperpartien dominieren, also eben jene Teile, die von den
Schlacht- und Zerlegungsplätzen direkt am Ufer weggeführt wurden.
Diese Fundassoziation muss als Fazies kurzfristiger
Rastplätze und Jagdlager verstanden werden.
Neben den Zusammensetzungen der Faunenreste und der extremen
räumlichen Nähe existieren verschiedene Funde und Befunde, die es erlauben,
beide Faziestypen ökonomisch-ökologisch miteinander zu verbinden und im Rahmen
einer differenzierten Jagdfazies zu verbinden.
Ingo CLAUSEN, Neumünster: Pioniere in unendlicher
Tundra. Stationen der Hamburger Kultur bei Ahrenshöft, Kreis Nordfriesland
(Schleswig-Holstein, Deutschland)
Schleswig-Holstein am Ende der Weichseleiszeit: weite
Bereiche der heutigen Nordsee waren landfest; im Osten erstreckte sich ein
gewaltiger, von kalbenden Gletschern gespeister Eisstausee. Das Land existierte
in seinen heutigen Konturen nicht, sondern war binnenländischer Teil eines
räumlich stark nach Westen erweiterten Kontinentes. Ansteigende
Durchschnittstemperaturen während des Meiendorf-Intervalles
(vorallerödzeitliches Hippophaé-Maximum) begünstigten das Aufwachsen einer mit
Sanddorn und Wacholder bestockten Steppentundra und führten zur Einwanderung
anspruchsvoller Säugetiere sowie deren Jäger. Diese erreichten
Schleswig-Holstein und Teile des südlichen Skandinaviens vor etwa 14.500
Jahren.
Bei Ahrenshöft wurden 1995 bis 1999 insgesamt fünf
Lagerplätze dieser frühen Pioniere (Hamburger Kultur) durch das Archäologische
Landesamt Schleswig-Holstein untersucht (CLAUSEN 1999). Eng benachbart mit
weiteren, durch Oberflächenfunde erschlossenen, Stationen der Hamburger Kultur
liegen die Siedlungsreste am Rande einer vermoorten Niederung in flachkuppiger
Moränenlandschaft. Nur einen Kilometer westlich schließen holozäne Seemarschen
und letztlich die Nordsee an. Sie bedecken die im Spätglazial begehbare
Tiefebene des Nordsee-Festlandes.
Bei der Untersuchung der Station Ahrenshöft LA 73 wurden
zwei sich überlagernde Fundhorizonte der Hamburger Kultur angetroffen, welche
durch unterschiedliche Geschossspitzen charakterisiert sind. Während die basale
Kulturschicht II fast ausschließlich Kerbspitzen führt, dominieren in der
jüngeren Schicht I schlanke Stielspitzen vom Haveltetyp. Die innere Gliederung der
HH-Kultur in eine (ältere?) Kerbspitzen- und eine (jüngere?) Haveltephase
findet erstmals eine stratigraphische Bestätigung.
Kulturschicht II (Kerbspitzenhorizont): Ein von
Steinartefakten, Bernsteinen und flächig verbreiteten Holzkohlen markierter
Lagerplatz von etwa 8 m Durchmesser wurde vollständig erfasst. An der
Peripherie des durch Solifluktion geringfügig überprägten Befundes befand sich
eine mit Steinplatten umsetzte Feuerstelle. Zahlreiche Brandrückstände,
besonders aufgeblühte Weidenkätzchen, belegen einen Frühjahrsaufenthalt (AMS
12.130 ± 60 BP). Die Fundpositionen von Steinartefakten und Bernsteinen lassen
unterschiedliche Aktivitätszonen erschließen. Sie dürften im Zusammenhang mit
einem nicht direkt nachweisbaren Wohnbau entstanden sein. Besonders
hervorzuheben sind zwei Schmuckstücke aus Bernstein (durchlochte Scheibe;
„Zahnstocher“), welche bislang einzigartig für das Jungpaläolithikum sind.
Kulturschicht I (Havelte-Horizont): Drei eng
benachbarte Lagerplätze mit randlich gelegenen Feuerstellen wurden jeweils etwa
zur Hälfte bei den Ausgrabungen erfasst. Die periglazial z.T. stark überprägten
Befunde sind von flächig verbreiteten Holzkohlen (AMS 12.200 ± 60),
Steinartefakten und Bernsteinen bestimmt. Die Lagerplätze erreichen 6 bis 8 m
Durchmesser; Zusammenpassungen von Felssteinen deuten darauf hin, dass die
Stationen nacheinander entstanden.
Lithostratigrafische und pollenanalytische Befunde (USINGER
1998) sowie 14C Bestimmungen weisen beide Fundhorizonte der jüngeren Hamburger
Kultur im ausgehenden Meiendorf-Intervall zu.
Literatur:
CLAUSEN, I. 1998: Neue Untersuchungen an späteiszeitlichen
Fundplätzen der Hamburger Kultur bei Ahrenshöft, Kr. Nordfriesland.
Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 8, 1997, 8 – 49.
USINGER, H. 1998: Pollenanalytische Datierung
spätpaläolithischer Fundschichten bei Ahrenshöft, Kr. Nordfriesland. Ebenda, 50 – 73.
Viola Dobosi,
Budapest: The two sisters, Connection between two geosciences in Hungary.
Both archaeology in the traditional sense and geosciences
deal with unearthing and reconstruction events in a temporal scale that can be
put into a chronological framework.The dimensions of the sources in archaeology
and geosciences respectively are different. The suitable methods are basically
determined by the position and coordinates of the subject of analysis. An
essential differences between these branches, disregarded or not adequately
considered by many of us that archaeology deals with artifacts, the objectified
symbols of the deliberate human activity (on any degree of evolution), starting
with the first tools made by man of a lasting material, collecting relics of
our material and spiritual heritage.We do this, without any hope of ever
reaching the "origo".
The interdependence of the two disciplines is
necessary, the harmonization of research objectives and the mutual utilisation of the results is
most desirable for the students of both disciplines. In my presentation I will
review from the point of -Lithics (paleo-and neo-as well) research the possibilities
residing in the potentials in the connection of Hungarian geological,
gemorphological, palaeontological research to archaeology. The geological
formations of certain age (minerals, rocks, fossils) can be the decisive raw
material sources for certain archaeological periods. In the Quaternary period,
the surface morphological formations investigated by geomorphology-geology form
the immediate environment of human settlements, and the scientific results can
be most fruitfully turned to practical help in the frames of interdisciplinary
collaboration.
Philipp Drechsler,
Tübingen: Gunsträume als Grundlage menschlicher Aktivitäten
während des Neolithikums im Südosten der Arabischen
Halbinsel.
Während des frühen Holozäns herrschte im Südosten der Arabischen
Halbinsel ein im Vergleich zu heutigen Klimabedingungen feuchteres Klima unter
dem Einfluss des Südwest-Monsun. Während für die Zeit zwischen 9700 BP und 6200
BP viele Paläoklima-Proxys auf erhöhte Niederschlagsaktivitäten hindeuten, ist
das Ende dieser Feuchtphase um 6200 BP nachweisbar.
In dieser Zeit günstiger
Klimaverhältnisse sind im heute ariden Umland des Jabal Buhays im Emirat
Sharjah/V.A.E. intensive menschliche Aktivitäten anhand von Steinartefaktfunden
belegt. Unter den günstigeren klimatischen Bedingungen des frühen Holozän bot
dieser geographische Raum eine Vielzahl ökologischer Nischen, die potenzielle
Gunsträume für Pflanzen, Tiere und Menschen darstellten.
Als Ergebnis einer differenzierten Nutzung des ökologischen
Potenzials durch den neolithischen Menschen finden sich heute zwei Gruppen von
Artefakt-Ensembles, welche mit unterschiedlichen geomorphologischen
Oberflächenformen korrespondieren und durch diese determiniert sind.
Eine mit Hilfe von Luftbildern erstellte geomorphologische Kartierung
des Gebietes um den Jabal Buhays zeigt deutlich die Diversität der
Oberflächenformen. Damit lassen sich auf der Basis der rezenten Morphologie mit
Hilfe von Satellitenbildern und unter Einbeziehung Geographischer
Informationssysteme in einem größeren Maßstab weitergehende Aussagen zur Gunst
einzelner Landschaftsräume in Bezug auf ihr anthropogenes Nutzungspotenzial
treffen.
Gerd Elvers (Fürth): Die Geologie als
wichtiger Indikator für die
Lokalisierung von urgeschichtlichen Freilandstationen in
Dritte-Welt-Ländern am Beispiel von Kuba.
Generell
fördern die Regierungen in Dritte-Welt-Ländern die geologische Forschung, in
der Hoffnung, Rohstoffe für den Export auf dem Weltmarkt zu erschließen (Erdöl,
Kupfer, Nickel, ...). Die prähistorische Archäologie in vielen
Entwicklungsländern kann sich im Gegensatz dazu auf keine beachtlichen
politischen Prioritäten seitens ihrer Regierungen stützen, so weit nicht ökonomische Interessen (Fremdenverkehr)
existieren oder identitätsstiftende Kulturen von welthistorischem Rang
vorliegen, wie die prähistorischen Kulturen in Peru oder Mexiko. Eine geringe
personelle und sachliche Ausstattung der nationalen Archäologie lässt oft nur
flächenmäßig begrenzte Insel-Aktivitäten zu, was zu Zufallsergebnissen in einer
archäologischen Terra Incognita führt. Dies betrifft vor allem die ältesten
Freilandstationen, die keine auffälligen Bodendenkmäler aufweisen.
Am
Beispiel von Kuba versucht der Referent zu belegen, wie die Geologie Ansätze zu
einer ersten Einschätzung der potenziellen Verbreitung von paläoamerikanischen
Freilandstationen in paläolithischer Tradition zu liefern vermag. Aufbauend auf
solche Analysen können die beschränkten personellen und sachlichen
archäologischen Kräfte zu einer näheren Lokalisation von Freilandstationen
gezielt eingesetzt werden. Als Unterlage dienen Karten des Instituts für Geologische Wissenschaften von
Professor Martin Meschede, Universität Greifswald sowie Beiträge kubanischer
Wissenschaftler. Die Ergebnisse sollen in ein Projekt über die Archäologie
Kubas mit paläolithischer Tradition eingearbeitet werden.
Ausgangspunkt
derartiger Analysen war die in den letzten 3 Jahren von einer kleinen
archäologischen Gruppe in Mittelkuba (Sagua La Grande) gemachte Erfahrung, dass
die ältesten Migranten, die wahrscheinlich in spätglazialer Zeit den Weg von
Nordamerika (Florida) über die Bahamas nach Kuba fanden, eine Affinität zum
Feuerstein (Chalzedon) als Rohstoff für ihre Werkzeuge in paläolithischer
Tradition hatten. Diese Jäger und Sammler scheinen mit ihrer hohen Mobilität
gezielt rohstoffreiche Karstgegenden aufgesucht zu haben. Für spätere
sesshaftere paläoindianische Kulturen lässt sich ähnliches nicht beobachten.
Der
Feuerstein ist mit den geologischen Formationen des Spätjura/Frühkreide verbunden,
die in Nordkuba einem Hebungsprozess und somit einer erheblichen Erosion mit
Karsterscheinungen unterliegen. Eine Nachprüfung durch den Referenten bei
seinem letzten Kubabesuch im November 2003 zeigt auf, dass die in der Provinz
Villa Clara in den letzten 3 Jahren gefundenen hundert alten Freilandstationen
auf Karst-Kalkböden liegen. Es handelt sich dabei um Rohstoff-Gewinnungsplätze
(quarries) von z.T. großer flächenmäßiger Ausdehnung. Der Silex wurde aus dem
Kalk gelöst und Reduktionssequenzen unterworfen, die dem älteren
Jungpaläolithikum in Europa – Aurignacien, Gravettien – ähneln (Müller-Beck,
Weißmüller, Rieder, Kozlowski). Die qualitätsvolleren Artefakte wurden zu
Jagdstationen um Karstgruben und unbekannten Siedlungsplätzen gebracht.
Stichproben, die den geologischen Karten folgen und über die bisherigen engeren
Suchgrenzen hinaus gehen, belegen die Deckungsgleichheit von Geologie und
Fundhäufigkeit über die Provinzgrenzen in Kuba hinweg.
500 Kilometer weiter östlich in der Provinz Holguin treffen
wir auf andere geologische Verhältnisse. Die Flüsse Mayari (Seboruco) und
Levisa tragen Silex-Gerölle mit sich, die wahrscheinlich von ihren Oberläufen
aus Maastricht-Kreide-Formationen stammen, während sie im Mittel- und Unterlauf
andere geologische Schichten durchschneiden. Diese Silex-Gerölle haben die
ersten Migranten im Mittel- und Unterlauf der Flüsse als Rohkerne für ihre
Artefakte verwendet. Die Artefakte sind in Abris, Höhlen und zu deren
Vorplätzen getragen worden. Hier dürfte die Wahrscheinlichkeit groß sein, auf
ungestörte Sedimente von Siedlungsplätzen des Menschen mit paläolithischen
Traditionen zu stoßen.
Bei der Abschätzung potenzieller urgeschichtlicher Stationen
aus geologischen Karten ist also auch die Möglichkeit einer Verfrachtung durch
Flüsse zu bedenken.
Susanne C. FEINE, K. Felix HILLGRUBER und Ralf W. SCHMITZ, Tübingen: Neandertal -
dreidimensionale Auswertung der Fundsedimente mit GoCAD und typologische
Ansprache des lithischen Gerätespektrums.
Im Sommer 1856 räumte man die Höhlen
Kleine Feldhofer Grotte und Feldhofer Kirche im Verlauf von Steinbrucharbeiten
aus und barg die später Namen gebenden Gebeine des Neandertaler
Urmenschenfundes. Obwohl der Fund bereits durch Fuhlrott als menschlich bestimmt und 1858 von Schaaffhausen anatomisch beschrieben
wurde, erfuhr der Fundplatz keine ausführliche Untersuchung und der genaue
Fundpunkt geriet schon bald in Vergessenheit. Die neueste Bearbeitungsphase des
Typusexemplares begann 1991 mit einem interdisziplinären Forschungsprojekt, zu
dessen Ergebnissen auch die 1997 veröffentlichte erste
Neandertaler-mt-DNA-Sequenz zu zählen ist. Im Rahmen eines zweiten Projektes
konnten 1997 die fundführenden Höhlensedimente wiederentdeckt und 2000
ausgegraben werden. In 2003 erfolgte die Bearbeitung der im Gelände
angetroffenen Fundsituation und der Steingeräte im Rahmen zweier
Magisterarbeiten an der Universität Tübingen.
Mit Hilfe des Computerprogrammes
GoCAD, dessen wichtigste Funktion eine speziell entwickelte
Interpolationsmethode ist, ließ sich ein dreidimensionales Schichtmodell
erzeugen, durch das nicht nur die Fundsituation analysiert, sondern auch deren
Entstehung rekonstruiert werden kann.
Bei der Analyse des jungpaläolithischen Gerätespektrums
standen drei Aspekte im Vordergrund: durch Vergleich einzelner Gerätetypen
wurde ein jungpaläolithisches Inventar abgegrenzt, zeitlich und räumlich in die
zur Verfügung stehenden gravettienzeitlichen Daten eingehängt und auf seine
Stellung innerhalb der anzunehmenden Subsistenzstruktur hin untersucht.
Das Mittelpaläolithikum ist neben den menschlichen
Skelettresten durch entsprechende Artefakttypen vertreten. Bei der Behandlung
wurde besonderes Augenmerk auf die Position der Stücke im Verhältnis zu den
menschlichen Knochenfunden und eine mögliche Trennung vom jungpaläolithischen
Fundstoff gelegt. Weitere Arbeitsschwerpunkte waren die Bestimmung der Art des
Fundplatzes und die Einordnung anhand von typischen Werkzeugformen in den
Kontext des Micoquien / Keilmessergruppen.
Literatur:
Feine, S. C. 2003: Die
jungpaläolithischen Steinartefakte aus den wiederentdeckten Höhlensedimenten
von 1856 im Neandertal. - Magisterarbeit Universität Tübingen.
Hillgruber, K. F.
2003: Die mittelpaläolithischen Artefakte der Fundstelle Neandertal. Material
aus den wieder entdeckten Sedimenten von 1856.- Magisterarbeit, Universität Tübingen.
Schmitz, R. W., Serre,
D., Bonani, G., Feine, S., Hillgruber, F., Krainitzki,
H. Pääbo, S., & Smith, F. H. 2002: The Neandertal type
site revisited : Interdisciplinary investigations of skeletal remains from the
Neander Valley, Germany.- Proceedings of the National Academy of Sciences,
U.S.A., 99: 13342-13347 + 5 p. sup. inf.: www.
pnas.org/cgi/content/full/192464099/DC1/2.
Burkhard Frenzel und
Sonja Adamczyk, Hohenheim: Über
den pollenana-lytischen Nachweis einer prähistorischen Weidewirtschaft auf dem
Tibetischen Plateau.
Prähistorische Befunde belegen, dass der Mensch schon sicher
seit dem zeitlichen Äquivalent des Hengelo-Denekamp-Interstadials (MIS-3) auf
dem Tibetischen Plateau bis in mindestens 4600 bis 4700 m Höhe jagend tätig
gewesen ist (Literatur: Frenzel, Huang and Liu, 2001). Die Funddichte scheint
im Spätpaläolithicum und Mesolithicum zuzunehmen, und vom Mittleren Neolithikum
(etwa 5000 14C-Jahre vor heute) liegen südlich von Qamdo im oberen Mekong-Tal
bei etwa 3500 m Höhe reiche Funde über bereits damals praktizierten Hirseanbau
vor, ausgeführt durch die Bevölkerung großer Dörfer (CPAM, 1985). Gleichzeitig
scheint auch das Yak gezähmt worden zu sein (Schlütz, 1999). Andererseits ist
bekannt, dass die recht artenreichen Wälder, die ab ungefähr 10.000 14C-Jahren
vor heute (v.h.) von Süden, Osten und von eiszeitlichen Waldrefugien der tiefen
„Meridionalen Stromfurchen" aus in die Hochlagen Ost- und Süd-Tibets
eingewandert waren (Frenzel, Bräuning und Adamczyk, 2003), sich seit ungefähr
5500 bis 2400 v.h. wieder zurückzogen. Dies erfolgte in den verschiedenen
Landschaften zu unterschiedlichen Zeiten, wird aber generell klimatisch
gedeutet, und zwar meist als Ausdruck eines kälter und trockener werdenden
Klimas (Frenzel, 2001).
Bei den eigenen Expeditionen der Jahre 1989, 1992 und 1996
nach Ost-, Zentral- und Süd-Tibet wurde dem Vorkommen möglicher Weidezeiger in
der Vegetation dieser Gebiete besondere Beachtung geschenkt. Es konnte die
folgende Liste derartiger Pflanzen aufgestellt werden:
Aconitum cf. pendulum Busch. |
Meconopsis aff. pinnatifolia C.Y.
Wu et H. Chuang ex L.H. Zhou |
Aster cf batangensis Bur. et Franch. |
Meconopsis cf. impedita Prain |
Caragana cf. gerardiana Royle |
Pedicularis cf. tenacifolia Tsoong |
Clematis cf. tangutica (Maxim.) Korsh. |
Phyllophyton sp. Kudo |
Clematis rehderiana Craib |
Polygonum aff. aviculare L. |
Cf. Comastoma
cyananthiflorum (Franch. ex Hemsel.) Holub |
Polygonum bistorta L. |
Cremanthodium aff. lingulatum S.W. Liu |
Potentilla fruticosa L. |
Cremanthodium cf. arnicoides (DC. ex Royle) R. Good |
Potentilla fruticosa L. var. albicans Rehd et Wils. |
Delphinium cf. kamaonense Huth |
Primula aff. minutissima Jacquem. ex Duby |
Delphinium cf. thibeticum Finet et Gagnep. |
Primula cf tibetica Watt |
Cf. Dolomiaea calophylla
Ling. |
Primula sikkimensis Hook. f. |
Gentiana aff. simulatrix Marq. |
Rheum cf. palmatum L. |
Gentiana aff. tongolensis Franch. |
Rhododendron cf. forrestii Balf. f. ex Diels |
Gentiana cf. depressa D. Don |
Salvia aff. przewalskii |
Gentiana cf. erecto-sepala T.N. Ho |
Saussurea Sect. Pycnocephala oder Sect. Eriocoryne
(DC.) Hook. |
Gentiana tubiflora (G. Don) Wall. ex Griseb. |
Senecio cf. diversifolius Wallich ex DC. |
Cf. Heracleum candicans
Wall. ex DC |
Sibbaldia cuneata Homem ex Kuntze |
Lamiophlomis rotata var. subglabra (Benth.) Kudo |
Stellera chamaejasme L. |
Leontopodium cf. stracheyi var. tenuicaule Beauv. |
Thermopsis cf. lanceolata R. Br. |
Schlütz (2003) hatte aber als Weidezeiger im Gobi-Altai
Vertreter der Gattungen Tribulus, Lilium, Aconitum, sowie
den Polygonum aviculare-Typ erwähnt. Dort, wie auch in Tibet, handelt es
sich um Pflanzen, die entweder durch ihre Wuchsform oder ihre Inhaltsstoffe
verbissresistent sind. Sie alle sind Mitglieder der dort heimischen Flora und
leider ausnahmslos insektenbestäubt. Die produzierte Pollenmenge ist also
gering, und es bedarf eines hohen Aufwandes, um sie pollenanalytisch
nachzuweisen. Zu diesen Weidezeigern gehören auch manche Cyperaceen aus den
windblütigen Gattungen Carex und Kobresia, deren Mengenanteile an
der Vegetation durch Abweiden der Gräser (Poaceen) stark gefördert werden: Ihre
Mengenzunahme kann im Pollendiagramm fälschlicherweise leicht als Indiz einer
Ausdehnung feuchter Standorte gedeutet werden. Wegen dieses zwiespältigen
Charakters sind sie nicht als Weidezeiger aufgeführt.
Die eigenen pollenanalytischen Untersuchungen an sechs
Mooren Ost- und Zentral-Tibets lassen erkennen, dass sich der Anteil dieser
„Weidezeiger“ – gebietsweise zu unterschiedlichen Zeiten – ab frühestens 5000
bis 5300 v.h. verstärkt hat. Der Wald wich gleichzeitig zurück. Auch heute
fehlt in den beweideten, offenen Wäldern der Baumjungwuchs weitgehend. Es
scheint demnach so zu sein, dass der oben erwähnte mittel- bis jungholozäne
Rückzug der Wälder vor allem durch Beweidung erfolgt ist (Frenzel, 2000), aber
weniger durch ein ungünstiger werdendes Klima, zumal da in demselben Zeitraum,
in dem sich der pollenanalytische Nachweis des Waldes verringerte, an
zahlreichen Stellen der Untersuchungsgebiete immer wieder Wald- und
Steppenböden neu gebildet worden sind (u.a. Frenzel, 2001). Das Klima kann sich
also gar nicht so stark verschlechtert haben, wie meist angenommen wird.
Literatur:
CPAM 1985: Karou, a neolithic site in Tibet. - Cultural Relics
Publishing House, Beijing, 179 S. (chinesisch).
Frenzel, B. 2000:
Nacheiszeitliche Veränderungen des Waldlandes in der Osthälfte des Tibetischen
Plateaus. Akademie-Journal 2: 2-7.
Frenzel, B. 2001: History of flora and vegetation during the
Quaternary. Progress in Botany 63: 368-385.
Frenzel, B.; Bräuning, A.; Adamczyk, S. 2003: On the problem
of possible last-glacial forest-refuge-areas within the deep valleys of eastern
Tibet. Erdkunde 57: 182-198.
Frenzel, B.; Huang Weiwen; Liu Shijian 2001: Stone artefacts
from South-Central Tibet, China. Quartär 51/52: 33-53.
Schlütz, F. 1999:
Palynologische Untersuchungen über die holozäne Vegetations-, Klima- und
Siedlungsgeschichte in Hochasien (Nanga Parbat, Karakorum, Nianbaoyeze, Lhasa)
und das Pleistozän in China (Qinling-Gebirge, Gaxun Nur). Dissertationes Botanicae 315, 182 S., J. Cramer,
Berlin-Stuttgart.
Schlütz, F. 2003: Grazing on salty ground – palynological
results from the Gobi Altai, Mongolia. Berliner Paläobiol. Abh. 2, S.
103.
Paul Goldberg, Boston/Tübingen: Micromorphology and Cave
Sediments.
Prehistoric caves are
interesting locations. From the
archaeological point of view they functions as loci for habitation that
included a variety of activities, from food processing to sleeping, and
religious. From the geological point of view they represent special sedimentary
environments since they function as excellent sedimentary traps, and what is
transported into the cave by natural or anthropogenic processes, tends to stay
there. Thus, caves and their sediments can preserve true to life records of
past environmental conditions and past human activities.
Problems arise however, in
looking for analytical techniques that can be used to unravel the complex of
depositional and post-depositional processes that can be of human and natural
origin. One such technique that has been particularly successful is
micromorphology, the study of undisturbed soils and sediments using
petrographic thin sections, whereby the geometry of the components are
preserved. This presentation will provide several examples of
micromorphological research that have been carried out in cave sediments from
both the New and Old Worlds.
Miriam Noël Haidle,
Tübingen: Sie küssten und sie schlugen sich – Begegnungen von Neandertalern und
Homo sapiens sapiens in der
Populärliteratur.
Während in J.-H. Rosny Aînés (1911) „La guerre du feu“
Neandertaler und moderne Menschen sich gegen noch wildere Menschenfresser, rote
Zwerge und Gorilla-ähnliche Waldmenschen verbünden, führt der Homo sapiens sapiens bei H. G. Wells
(1927) und Gustav Riek (1934) einen Kampf gegen geistig unterlegene
Neandertaler um Territorium. In William Goldings (1955) „The inheritors“
versuchen die rot behaarten, in der Fähigkeit zu Sprache und Zukunftsdenken
beschränkten, eher gleichberechtigt organisierten und viel lachenden
Neandertaler die klügeren, kühleren und aggressiveren modernen Menschen, die
ihre Kinder als Spielzeug stehlen, zu meiden. Die Neandertalerfrauen in Björn
Kurténs (1978) „Den svarta tigern“ sehen moderne Männer gottgleich und sexuell
attraktiv, in Jean Auels (1980) „Ayla und der Clan der Bären“ finden sich beide
Gruppen gegenseitig hässlich und fremd, sodass nur aus seltenen
Vergewaltigungen Mischlinge entstehen. Elizabeth Marshall Thomas (1990)
beschreibt in „Die Frau des Jägers“ die Anziehung eines blonden, blauäugigen
und durch enge Regeln in der eigenen Gesellschaft gebundenen Homo sapiens sapiens-Mann durch das
ungehemmte, haarige Wesen einer Neandertalerin. John Darnton (1996) lässt
moderne Wissenschaftler in einem Tal des Pamir-Gebirges Überreste einer
Neandertalerpopulation entdecken, die zwar keine Sprache besitzt, aber
telepathisch begabt ist und durch ihre Unfähigkeit zu arglistiger Täuschung von
modernen Menschen verdrängt wurde. Marc Canter (1996) schließlich lässt in
„Sonnentochter“ aus der befruchteten Eizelle einer gefrorenen Neandertalerin
eine intelligente, hellsichtige und mitfühlende junge Frau erwachsen, die es in
der aggressiven modernen Welt schwer hat.
Erzählungen und Romane, in denen
sich Neandertaler und moderne Menschen begegnen, spiegeln nicht die
zeitgenössischen Vorstellungen über das Leben am Übergang vom Mittel- zum
Jungpaläolithikum wider. Vielmehr sind sie Parabeln über unser heutiges
Menschsein. Je nach dem, wie die AutorInnen ihre eigene Gesellschaft
wahrnehmen, werden die modernen Menschen überzeichnet als klug, aggressiv,
durch strenge Regeln gebunden oder liberal, patriarchalisch oder
gleichberechtigt organisiert dargestellt und negativ oder positiv bewertet. In
den Figuren der Neandertaler werden dazu passende Antipoden entworfen. Details
über Werkzeuge, Lagerplätze, Umwelt und Jagdfauna liefern lediglich die
Kulisse, die, wenn sie dem momentanen urgeschichtlichen Wissensstand
entsprechen, einen wissenschaftlichen Hintergrund und damit größere
Glaubwürdigkeit verleihen sollen. Subtiler zwar, aber dennoch durch ähnliche
Mechanismen geprägt läuft auch die Erschaffung eines wissenschaftlichen Bildes
von Neandertalern gegenüber modernen Menschen ab. Die gesellschaftlichen Auffassungen
über unser modernes Menschsein und unsere Position zu diesen Standards
bestimmen die urgeschichtlichen Forschungsansätze und Interpretationen. Nur
wenige haben ihre Sicht so explizit gemacht wie der Quartärpaläontologe Björn
Kurtén (1978) in seinem Roman.
Sönke Hartz,
Schleswig: Aktuelle Forschungen zur Chronologie und Siedlungsweise der
Erteböllekultur in Schleswig-Holstein.
In den vergangenen Jahren wurden an der
schleswig-holsteinischen Ostseeküste neue Forschungsgrabungen auf
Feuchtbodensiedlungen zur endmesolithischen Erteböllekultur und
frühneolithischen Trichterbecherkultur durchgeführt. Es handelt sich dabei um
die Fundstellen Wangels LA 505, Grube-Rosenhof LA 58, Grube-Rosenfelde LA 83
und Neustadt LA 156. Alle Stationen sind mittels AMS-Daten und
pollenanalytischen Untersuchungen absolut datiert, die Einzelinventare aus
organischen und anorganischen Hinterlassenschaften spiegeln exemplarisch die
Entwicklungsgeschichte des 5. Jts. v. Chr. in Schleswig-Holstein wieder. Die
zahlreichen organischen Reste geben neue Einblicke in die Jagd- und
Ernährungsgewohnheiten der damaligen Küstenbewohner, die besondere Rolle des
Fischfangs (Rosenhof, Rosenfelde, Neustadt) und der Jagd auf marine Säuger
(Neustadt) konnte anhand von Knochenresten und speziellen Gerätschaften
nachgewiesen werden.
Mit der Fundstelle Grube-Rosenfelde LA 83 ist erstmals eine
akeramische Phase der Erteböllekultur in Schleswig-Holstein sicher belegt.
Darüber hinaus geben Verteilungsmuster und Artenzusammensetzung der Tierknochen
in Verbindung mit den Siedlungsbefunden Hinweise auf eine Funktion des Platzes
als temporäre, spezialisierte Aalfangstation.
Klaus-Dieter JÄGER, Halle/Saale: Landschaftsarchäologie als
Brücke zwischen archäologischen und geowissenschaftlichen Disziplinen.
Landschaftsarchäologie integriert nach Problemstellung,
Methodik und Aussagepotenzial For-schungstraditionen unterschiedlicher Natur-
und Humanwissenschaften, deren Zusammenführung im letzten Jahrhundert und
besonders in dessen letztem Viertel im Vortrag erörtert wird:
1.
Siedlungsarchäologie als Teildisziplin der Archäologie;
2.
Landschaftsforschung und Naturraumerkundung als
Forschungsrichtungen mit physisch geografischer Orientierung;
3.
Quartärforschung als interdisziplinärer Verbund von
ökohistorisch arbeitenden Teildisziplinen benachbarter naturraumorientierter
Naturwissenschaften, wie Vegetations- und Klimageschichte, Bodenkunde,
Geomorphologie u.a., wobei sich aus der Zuordnung des jeweiligen
Forschungsgegenstandes zur jüngsten Erdgeschichte eine Einordnung in deren
geologische Erforschung zwangsläufig ergibt.
Sowohl die beteiligten Disziplinen wie auch deren
Zusammenwirken bei der Erforschung vormaliger Landschaftszustände haben
besonders im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa grundlegende
Fortschritte erzielt, die besonders der Landschaftsarchäologie für die letzen
Jahrtausende zugute gekommen sind. Dafür sind u.a. herausragende neuere
Beispiele aus dem Ostseeraum anzuführen. Ungeachtet längerer Tradition
bewährter Interdisziplinarität in der Quartärforschung sind aber auch
Desiderate erkennbar. Die nicht zuletzt die gesellschaftshistorisch weiter
zurückliegenden Zeiträume von Jungpaläolithikum und Mesolithikum betreffen.
Jacek Kabaciński,
Poznan, Jolana Ilkiewicz, Kozalin und Thomas Terberger, Greifswald: The Dąbki site near
Koscalin - last hunter-gatherer-fishers at the Polish coast
First stone age sites near
Dąbki ca. 30 km northeast of Koscalin were detected in the 1930ies. Excavations
under the direction of J. Ilkiewicz were conducted there from 1978 to 1985. The
site is situated at a depression close to a small river flowing into lake
Bukowa, which has an outflow into the Baltic Sea. In some trenches find layers
with excellent preservation conditions of the younger Atlantic and Subboreal
(ca. 5000 bis 3000 calBC) were documented. The find material shows parallels to
the Ertebølle culture of the western Baltic with T-shaped antler axes and
pointed bottom vessels. Imported finds like a pierced “Schuhleistenkeil” and
foreign ceramic elements indicate contacts to Neolithic communities at that
time.
Dąbki 9 is the most
important site of the final Mesolithic at the Pomeranian coast. The site is not
only of relevance for the question of the transition to farming in northern
Poland, but it has the potential to give valuable information about the
influence from southern Neolithic communities and from the eastern Batic area
in the Atlantic period. The Polish Academy of Science and Greifswald University
are planning new field work at Dąbki 9 in 2004 to get more detailed
information on the character of the find layers and the development of the
environment (geology, palynology, palaeo-zoology).
Litertatur:
Ilkiewicz,
J. 1989. From Studies on Cultures of
the 4th Millennium BC in the Central Part of the Polish Coastal Area. Przeglad
Archeologiczny 36, 17-56.
Knut Kaiser,
Marburg: Geoarchäologie und Paläoökologie begrabener Landober-flächen des Spätglazials in
Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
In den Jahren 1998-2003 wurden in Mecklenburg-Vorpommern und
Schleswig-Holstein vier Standorte mit äolisch begrabenen Böden des Spätglazials
interdisziplinär untersucht (Pedologie/Geomorphologie, Geochronologie,
Paläobotanik, Archäologie). Neben Aussagen zur Geoarchäologie
spätpaläolithischer Fundplätze (Kaiser 2003) erlauben die Arbeiten auch
regionale bis überregionale Schlussfolgerungen zur spätglazialen Bodengenese
und äolischen Dynamik sandiger Akkumulationsstandorte.
Zwei im spätpleistozänen Beckensandgebiet der Ueckermünder
Heide (“Haffstausee”) gelegene spätpaläolithische Fundplätze wurden
geoarchäologisch dokumentiert (Fpl. Hintersee 24 und Mützelburg Forst 9; Bogen
et al. 2003). Hintersee 24 ließ sich anhand der Funde der Ahrensburger Kultur
zuordnen. Eine Artefakthäufung führte hier zur Rekonstruktion eines
Flintschlagplatzes. An beiden Fundplätzen lagen die Artefakte in einem
geringmächtigen Verbraunungshorizont (fBv), der von Flugsand begraben war. Es
handelt sich um den spätglazialen “Finowboden”, dessen Typuslokalität sich in
Brandenburg befindet. Mittels 11 OSL-Daten (11,7 ± 0,8 bis 14,0 ± 1,0 ka) ließ sich die Bodengenese auf den Zeitraum Bölling
bis Alleröd und die Überdeckung mit Flugsand in die Jüngere Dryas datieren.
Auf dem Altdarss wurde eine ca. 4 km2 große
spätglaziale Landoberfläche entdeckt (Kaiser im Druck). Die begrabenen Böden
sind als Rohhumslagen bzw. geringmächtige Torfauflagen, schwach podsolierte
Regosole (fAeh-Horizonte), Gleye und Moorgleye ausgebildet. Die Regosole lassen
sich mit dem in den Niederlanden, in Nordwestdeutschland und in Zentralpolen
nachgewiesenen “Usselo-Boden” parallelisieren. Des Weiteren wurden in den
begrabenen Böden Baumstämme und -stubben von Kiefer und Birke dokumentiert.
Drei Radiokohlenstoffdaten an pflanzlichen Makroresten ergaben Alter von 10030 ± 200 bis
10680 ± 60 BP
(unkalibriert). Diese Daten und ein Pollendiagramm datieren die begrabene
Landoberfläche in die Jüngere Dryas. Dieser Befund, zwei weitere
Pollendiagramme und 17 OSL-Daten (9,7 ± 0,8 bis 13,7 ± 1,0 ka) erlauben es, die Überdeckung mit Flugsand an das
Ende der Jüngeren Dryas zu datieren.
Auf dem spätpaläolithischen Fundplatzensemble Alt Duvenstedt
wurde eine artefaktführende und von Flugsanden begrabene Bodenbildung dokumentiert
(Ahe-Horizont = “Usselo-Boden”; Kaiser & Clausen in Vorb.). Dieser
Fundplatz lieferte aus der begrabenen Bodenbildung Artefaktmaterial der
Federmesser und Ahrensburger Kultur. Vier Radiokohlenstoffdaten aus der
Fundschicht/Bodenbildung ergaben 10770 ± 60 bis 11780 ± 110 BP (unkalibriert). Analog zu den
Fundplätzen in Mecklenburg-Vorpommern kann angenommen werden, dass die
Bodenbildung längere Zeit in der Jüngeren Dryas eine mehr oder weniger stabile
Geländeoberfläche war und erst am Ende dieser Chronozone von Flugsand überdeckt
wurde.
Literatur:
Bogen, C., Hilgers, A., Kaiser, K., Kühn,
P. & Lidke, G. 2003: Archäologie, Pedologie und Geochronologie
spätpaläolithischer Fundplätze in der
Ueckermünder Heide (Kr. Uecker- Randow, Mecklenburg-Vorpommern).
Archäologisches Korrespondenzblatt 33: 1-20.
Kaiser, K. 2003:
Geoarchäologie und landschaftsgeschichtliche Aussage spätpaläolithischer und
früh-mesolithischer Fundplätze in Mecklenburg-Vorpommern. Meyniana 55: 49-72.
Kaiser, K. (im Druck): Geomorphic characterization of the
Pleistocene-Holocene transition in Northeast Germany. In: Terberger, T. &
Eriksen, B. V. (Hrsg.): Hunters of a changing world - Environment and
archaeology of the Pleistocene-Holocene transition in northern Central Europe
ca. 11,500 years ago; Rhaden/Westf. (Leidorf).
Kaiser, K., Clausen, I. (in Vorb.): Pedologie und
Sedimentologie des spätpaläolithischen Fundplatzes Alt Duvenstedt,
Schleswig-Holstein.
Thomas M. Kaiser, Greifswald und Nicholas Conard, Tübingen: Dental Wear in Horses
– Can we use it as a Climate Proxy ?
Ungulates feed on a wide
variety of vegetation types as sources of food. Owing to the comparably low
content of available nutritious components, in most mammals abrasive food
requires extensive comminution by grinding. The high degree of abrasiveness
inherent to plant food mainly derives from phytoliths and grit contamination.
Tooth wear is controlled by two major factors, attrition (tooth-tooth contact)
and abrasion (food-tooth contact). The influence of these on the occlusal
morphology of wear patterns leads to an equilibrium, which remains stable over
considerably long periods of time. This equilibrium is therefore widely
dependent upon the degree of abrasiveness of food comminuted. Both parameters
are also tightly related to the availability of certain plant food items in a
given habitat. As an indicator of the attrition/abrasion equilibrium in
herbivorous mammals, the morphology of the ectoloph apex in the upper P4-M3
cheek dentition after Kaiser & Solounias (2003) is used. For each
population investigated, a trophic reference taxon can be identified.
The hypothesis tested here is
weather taxa with a wide spanning trophic diversity (eg. zebras) can be
employed as indicators for the structure of habitats and thus make it possible
to differentially investigate the habitat parameters of equid and ruminant
populations based on tooth wear.
Eight populations of zebras (Equus
burchelli) from habitats in Namibia, Botswana, Sudan, South Africa, Angola,
Tanzania, Kenya and Mozambique are therefore investigated in terms of their
mesowear signatures. These habitats have precipitation means ranging from 200
mm (Namibia) to 1100 mm (Mozambique).
The mesowear signatures are linked with other grazers using cluster
analysis. It is found that dry environments shift the mesowear signature
towards more abrasion control, while the same species from a moister habitat
shows more attrition control in the mesowear signature. Mesowear may therefore
mirror differential food availability in habitats and it is therefore
considered a strong indicator for habitat characterization and food
availability in a given habitat. Fossil remains of horses, namely cheek teeth,
are among the most frequently preserved faunal remains in the Pleistocene,
moreover, horses are a frequently hunted prey by Palaeolithic man and thus
their remains are frequent in Palaeolithic contexts. A database relating dental
wear with habitat parameters is currently under construction and will hopefully
help to add more information about habitat structure and resource partitioning
in the Quaternary period.
References:
Kaiser,
T. M. & Solounias, N. (2003). Extending the Mesowear Method to extinct and
extant equids. Geodiversitas
25(2): 321-345.
Petra Kieselbach, Harald Floss und Nicholas J. Conard, Tübingen: Erste Untersuchungsergebnisse zu den Silexartefakten aus der Gravettien-Schicht IIcf des Hohle Fels bei Schelklingen (Alb-Donau-Kreis).
Seit Oktober 2002 werden im Rahmen eines
Auswertungsprojektes, das sich in mehrere Teilprojekte aufgliedert, die
gravettienzeitlichen Schichten des Hohle Fels analysiert. Ein Teilprojekt
befasst sich mit der Analyse der Silexartefakte. Ziel der Untersuchung ist es,
die lokale und regionale Funktion und Bedeutung der Höhlenfundstelle während
des Gravettiens nachzuvollziehen und im kulturellen Wandel zu beleuchten. Im
Hohle Fels konnten von 1977-2003 insgesamt über 7000 einzeln eingemessene
Silexartefakte in den Gravettien-Schichten IIb, IIc und IIcf geborgen werden. Davon kommen über 4500 Silexartefakte aus
dem nur 3-10cm mächtigen AH IIcf, der nach
C14-Daten zwischen 27000 und 28000 BP datiert. Nach
mikromorphologischen Untersuchungen handelt es sich beim AH IIcf um eine
Knochenkohleschicht, die aufgrund fehlender Hinweise auf eine Feuerstelle und der
Vermengung von unverbranntem und verbranntem Material als Abfallzone
interpretiert wird. Erste Untersuchungen der Silexartefakte deuten hingegen auf
eine Aktivitätszone hin, in der Silexartefakte hergestellt und benutzt wurden.
In unserem Beitrag möchten wir anhand erster Untersuchungsergebnisse der
Silexartefaktverteilungen und Zusammenpassungen das für und wider der
‚Dumping’-Hypothese diskutieren und die verschiedenen
Interpretationsmöglichkeiten darlegen. In diesem Zusammenhang werden auch
Aspekte zur Rohmaterialversorgung und -verarbeitung für den
gravettienzeitlichen Horizont AH IIcf vorgestellt.
Stefanie Labes, Kiel: Endmesolithische
Holzgeräte aus der südlichen Mecklenburger Bucht.
Bedingungen für eine organische Erhaltung von Fundgütern und
damit auch die Überlieferung von Holzgegenständen auf archäologischen
Fundplätzen ist nur selten gegeben. Daher fehlen in der archäologischen
Forschung oft Aussagemöglichkeiten zu wesentlichen Lebensbereichen des
vorgeschichtlichen Menschen. In den letzten Jahren konnten bei Ausgrabungen
endmesolithischer Fundstellen am Rande der Mecklenburger Bucht sowohl in
Schleswig-Holstein als auch in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche Holzartefakte
geborgen werden, die den Forschungsstand zur Herstellungstechnik und Funktion
selten überlieferter Geräte wesentlich bereichern sowie Aussagen zum Wandel von
Lebensweise, Jagdtechnik, Rohstoffnutzung und Transportwesen am Ende des
Mesolithikums ermöglichen. Der typologische Vergleich der Holzgeräte von
verschiedenen Fundplätzen ermöglicht die Erarbeitung eines Entwicklungsschemas
der Geräteformen sowie die Herausstellung von regionalen Unterschieden. Der
Vortrag stellt ein im Jahr 2002 begonnenes Dissertationsvorhaben vor, das sich
diesem Fundmaterial und den damit verbundenen Fragestellungen widmet.
Reinhard Lampe,
Greifswald: Rapider Wandel des südbaltischen Küstenraumes – Verlauf und
Auswirkungen der spätglazialen und holozänen Wasserspiegelschwankungen.
Postglaziale Wasserspiegelvariationen im vorpommerschen
Küstenraum setzten unmittelbar nach der Deglaziation mit der Bildung
präböllingzeitlicher Eisstauseen mit Wasserspiegellagen bei etwa +20m ein (alle
Angaben sind auf heutigen Meeresspiegel bezogen). Infolge des Eisrückzuges, der
Absenkung der Seespiegel und damit der Erosionsbasis schnitten sich zweimal
während des Spätglazials und des Frühholozäns die Küstenflüsse kerbtalartig
ein. Diese Phasen können mit einer Wasserspiegelschwankung des Baltischen
Eisstausees und mit seiner finalen Absenkungen zum Yoldia-Meer auf –40m parallelisiert
werden. Zwischen diesen beiden Tiefständen stieg der Wasserspiegel bis etwa
–10m an.
Die ersten marinen Sedimente, die im heutigen Küsteraum bei
ca. –18 bis –15 m auftreten, wurden nach 7800 BP abgelagert. Der Höhepunkt der
ersten Littorina-Transgressionsphase wird um 5800 BP bei etwa –1,5m erreicht,
wofür es inzwischen auch gut datierte archäologische Hinweise gibt. Der
Ostseespiegel hätte damit aber rund. 5m höher gelegen als der zeitgleiche
Nordseespiegel, was als Hinweis auf
synchrone isostatische Bewegungen anzusehen ist. Für die Zeit nach 5800
BP lässt sich die Meeresspiegelentwicklung aus Sedimentserien der
Küstenüberflutungsmoore mit hoher Auflösung rekonstruieren. Es kann gezeigt
werden, dass bis zur Gegenwart nur wenige, geringfügige Schwankungen
stattfanden, die sich mit überregionalen Klimaschwankungen korrelieren lassen.
Während des rapiden Transgressionsfortschritts bis 5800 BP
kam es zu einem schnellen Ertrinken der Landschaft, einer weit in die
Unterläufe der Küstenflüsse hineinreichenden Verbrackung, zur zeitweisen
Bildung eines Archipels sowie zur submarinen Auffüllung der glazial
angelegten Depressionen. In dem Maße,
wie sich die Rate des Meeresspiegelanstiegs verringerte, wuchsen auch die
subaerischen Küstenausgleichsbildungen. Mit dem Ende der ersten
Littorina-Transgression ging deshalb die schnelle Bildung von Haken und
Nehrungen einher, die die heutigen Boddengewässer von der Ostsee weitgehend
isolierten. Bereits mit der Entstehung der ersten Überwasserbauformen kam es zur
Bildung von Dünen, die deutlich unter dem heutigen Meeresspiegel ansetzen.
Der weitere, stark verlangsamte Meeresspiegelanstieg führte
zur Progradation und Elongation der Küstenausgleichsbildungen, verbunden mit
der Ausweitung der Dünengürtel. Etwa um 1000 BP setzte erneut eine Phase
schnelleren Meeresspiegelanstiegs ein, die mit einem stärkeren Rückgang der
Küstenlinien, der Entstehung transgressiver Dünen, der endgültigen Schließung
der Nehrungen und einem schnellen Wachstum der Küstenüberflutungsmoore verbunden
war. Dieser Anstieg wurde durch eine Retardation oder Regression während der
Kleinen Eiszeit unterbrochen, während der sich in den Küstenmooren
Torfdegradationshorizonte bildeten. Diese jüngste Anstiegsphase verursachte
außerdem beschleunigte Anpassungstendenzen der Küstenlinie, was teilweise mit
der Auflösung alter und dem Aufbau neuer Ausgleichsformen verbunden war und
ist.
Martin Langanke,
Erlangen: Wissenschaftstheoretische Untersuchungen zur Datierungskontroverse um
Neumark-Nord.
Wissenschaftstheoretisch fundierte und entsprechend
grundlagentheoretisch ausgerichtete Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit von
Datierungsverfahren in der Quartärforschung liegen bislang nicht vor. Solche
Untersuchungen könnten jedoch bei der Beurteilung der Verlässlichkeit konkreter
relativ-chronologischer oder numerischer Alterseinstufungen helfen.
Im Rahmen eines von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten
Forschungsvorhabens hat der Referent die Datierungskontroverse um das
Interglazial von Neumark-Nord zum Anlass genommen, einzelne relative und
numerische Altersbestimmungsverfahren aus genuin methodologischer Sicht zu
evaluieren. Es sollen erste Ergebnisse des Projektes vorgestellt werden.
Thomas Laurat
und Enrico Brühl (unter
Beteiligung von Dietrich Mania),
Jena: Neue archäologische Untersuchungen im Tagebau Neumark-Nord – Die
Fundstellen
NN 3 und NN 2 (Alt- und spätes Mittelpaläolithikum).
Die Fundstelle Neumark-Nord bei Frankleben, Kr.
Merseburg-Querfurt (Sachsen-Anhalt) ist der Fachwelt schon seit längerem durch
die Untersuchungen eines präeemzeitlichen Seebeckens mit Aufenthaltsplätzen des
frühen Menschen bekannt (Fundstelle Neumark-Nord 1), die seit 1986 von D. Mania
in interdisziplinärer Zusammenarbeit geleitet werden. Das Landesamt für
Archäologie Sachsen-Anhalt beteiligt sich seit Juli 2003 erneut mit
archäologischen Grabungen im Tagebau Neumark-Nord an diesen Forschungen. Diese
Untersuchungen betrafen zunächst eine Fundstelle im sog. Körbisdorfer Schotter
(Fundstelle Neumark-Nord 3). Dieser Flussschotter liegt stratigraphisch
unterhalb der Saalegrundmoräne. Bereits 1922 erfolgte aufgrund von Funden der
Flussmuschel Cobicula fluminalis eine holsteinzeitliche Einstufung.
Während der laufenden archäologischen Untersuchung wurden 20m² des Schotters
untersucht. Dabei konnten Artefakte altpaläolithischen Charakters entdeckt
werden, die vorwiegend basisnah liegen. Aus den selben Abschnitten des
Schotterkörpers stammen Reste von C. fluminalis. Im Sinne einer
feinstratigraphischen Untergliederung des Pleistozäns wird dieser Schotter
einem Interglazial vor dem Saaleglazial zugewiesen und mit der Terrasse von
Bilzingsleben II gleichgesetzt.
Weitere Untersuchungen betrafen den Uferrand eines
Seebeckens frühweichselzeitlicher Stellung, welches durch M. Thomae und D. Mania
bereits 1998 während Sanierungsarbeiten im Böschungsbereich des Tagebaus
entdeckt wurde (Fundstelle Neumark-Nord 2). Von dieser Fundstelle wurden bis
Ende 2003 rund 150m² ausgegraben und dabei rund 3.000 Fundobjekte geborgen.
Diese entfallen je zur Hälfte auf Knochen und steinerne Artefakte. Die
Artefakte zeichnen sich durch einen hohen Anteil an bifaziellen Geräten –
Keilmessern, Blattspitzen, blattförmigen Schabern, Fäusteln und Schabern aus.
Auffällig ist vor allem die geringe Dimension der Artefakte. Die Geräte sind
überwiegend zwischen 3 und 5cm groß, das größte bisher geborgene Gerät ist
knapp 8cm lang. Offensichtlich waren die Geräte zur Schäftung mit organischen
Materialien gedacht, zumal einige Stücke nur als Einsatzschneiden nutz- und
handhabbar waren. Eine bestimmte Vorauswahl der Rohmaterialien ist nicht
erkennbar. Der frühe Mensch von Neumark-Nord verstand es geschickt, auch
Rohstücke geringer Qualität zu nutzen. Die Dominanz von Trümmern als
Ausgangsstücke für die Geräteproduktion korrespondiert dabei zu Befunden
anderer Keilmesserfundstellen. In diesem Kontext steht auch der Fakt, dass am
Fundplatz bisher keine echte Grundformproduktion nachzuweisen ist. Das
überwiegende Abschlagmaterial stellt Retuschierabfälle dar.
Eine kulturelle Zuordnung ist bisher schwierig.
Grundsätzlich lassen sich Ähnlichkeiten zu den Fundstellen vom Gamsenberg bei
Oppurg und von Buhlen feststellen. Zudem liegen besonders in Bezug auf die
Gerätetypen wie auch die Typenzusammensetzung des Inventars deutliche Ähnlichkeiten
zur Wolgograd(Stalingrad)-Gruppe des östlichen Micoquien in Russland und auf
der Krim vor.
Stefan
LOEW, Köln: Korrespondenzanalyse und Behausungsstrukturen – Siedlungs-analyse
des Federmesser-Fundorts Rüsselsheim 122.
Der Fundplatz Rüsselsheim 122
liegt am unteren Main und wurde 1989/90 in einer Notgrabung von Lutz Fiedler (Landesamt f. Denkmalpflege
Hessen) ausgegraben. Neben dem Fundplatz Mülheim-Dietesheim ist er einziger
Referenzpunkt der endglazialen Besiedlung in der Rhein-Main-Region. Anhand des
in der Fundschicht eingelagerten Laacher-See-Tuffs kann die Besiedlung von
Rüsselsheim 122 exakt dem Ende der Allerödzeit zugewiesen werden und liegt
damit zeitgleich zu den Federmesser-Fundplätzen des Neuwieder Beckens.
Eine Besonderheit des Rüsselsheimer Befundes ist die
Vielfalt der für die Artefaktherstellung verwendeten Rohmaterialien (17
verschiedene Rohmaterialgruppen), die eine detaillierte Untersuchung der
Bearbeitungstechnik, aber auch differenzierte räumliche Vergleiche der
Fundverteilungen zulässt. Dieser Umstand und die Dokumentation des Fundplatzes
in Einsechzehntel-Quadraten bieten eine gute Ausgangslage für eine
Siedlungsanalyse mit Hilfe statistischer Verfahren.
Die Siedlungsanalyse konzentrierte sich bisher auf die Suche
nach Behausungsstrukturen. Ausgangshypothese der Untersuchung ist die Existenz
des sog. „Barriereeffekts“, der bewirkt, dass Zelt- oder Hüttenwände sich in
Artefaktverteilungen durchpausen, indem sie deren räumliche Verteilung
begrenzen. Weiterhin wurde davon ausgegangen, dass bestimmte Fundkategorien
aufgrund ihrer spezifischen Rolle im Siedlungsalltag den Innenraum einer
Behausung eher nachzuzeichnen vermögen als andere. Diese Fundkategorien müssten
separat kartiert werden, um einen Behausungsgrundriss abzubilden. Sie würden
sich durch eine außerordentliche Ähnlichkeit in der Fundverteilung zu erkennen
geben.
Um Fundverteilungen großer Ähnlichkeit objektiv erkennen zu
können, wurden die Häufigkeiten der einzelnen Fundkategorien pro
Sechzehntelquadrat in Korrespondenzanalysen miteinander verglichen. Die in
Korrespondenzanalysen verwendete Chi-Quadrat-Statistik nimmt einen mehrfach
gewichteten Vergleich der Mengenverteilungen in den Quadraten vor und entzieht
sich so der in vielen statistischen Verfahren vorgegebenen Prämisse einer
Normalverteilung, die archäologischen Befunden nicht gerecht würde. Damit wird
ein objektiver Ähnlichkeitsvergleich zwischen Fundkategorien ermöglicht, der
unabhängig vom Auge des Betrachters ist.
Die Korrespondenzanalyse der Variable „Abbauprodukte“ zeigte
schließlich im Diagramm des 1. und 2. EV ein Cluster aus fünf Fundkategorien,
deren Fundverteilungen einander sehr ähneln. Diese Kategorien wurden
aufeinander addiert und mit Hilfe des Interpolationsverfahrens Kriging
kartiert.
Das Ergebnis zeigt eine Artefaktverteilung quadratischen
Umrisses mit symmetrisch gelegener Öffnung im Südwesten. Sowohl
Verbindungslinien von Artefaktzusammenpassungen als auch weitere
Fundverteilungen berücksichtigen diese Struktur, bei der es sich um einen
Zeltgrundriss handeln kann.
Harald Lübke, Lübsdorf: Submarine Forschungen zur Steinzeit in der
Wismarbucht.
Seit 1998 konnte das ALM/LBD MV in der Wismarbucht
zahlreiche neue Fundstellen des Spät- und Endmesolithikums zwischen 6000 und
4000 vor Christus nachweisen. Auf einigen der neu entdeckten Stationen sind
insbesondere für organogene Kulturreste ausgezeichnete Erhaltungsbedingungen
anzutreffen. Sie zeigen, dass in der Wismarbucht ähnlich wie in vergleichbaren
Regionen in Südskandinavien in dieser Zeit eine zunehmend intensivere
Küstennutzung stattgefunden hat. Die steinzeitlichen Fundstellen
liefern aber nicht nur für die Rekonstruktion der Kulturgeschichte des
südwestlichen Ostseegebietes wichtige Daten, sondern auch wichtige Hinweise für
die regionale Entstehungsgeschichte der Ostsee. Der Vortrag gibt einen
Überblick über den derzeitigen Forschungsstand.
Luc Moreau, Tübingen: Das Gravettien des
Geissenklösterle: technologische Untersuchung der Steinindustrie
Bei seinen Untersuchungen zur Charakterisierung des Donau-Gravettiens
in Hinsicht auf die westlichen (Périgordien supérieur Va) und östlichen
(Willendorfien-Pavlovien) Einflüsse, hat bereits J.K. Kozlowski (1986;
1991) auf die mangelnde Präzision bei der typologischen Einordnung der
süddeutschen Gravettien-Fundstellen in ein „mittleres Jungpaläolithikum“
hingewiesen. Klima (1968) hatte sie aufgrund der nach „Kostienki-Technik“
bearbeiteten Klingen in den Weinberghöhlen bei Mauern und dem Abri I im Dorf
Neu-Essing bei Kelheim dem mährischen Gravettien (Pavlovien) zugewiesen.
Was durch das Vorkommen von „fléchettes“
in den Weinberghöhlen und den Höhlen des Achtals Bestätigung fand,
jedoch angesichts der im Inventar nachgewiesenen westlichen Komponente
relativiert werden muss.
Die Rohmaterialbeschaffung in Richtung Bayern (Scheer, 1993; Burkert,
2001) neben der Verbreitung von tropfenförmigen Elfenbeinanhängern in den
Fundstellen entlang der Donau-Achse (Otte, 1981; Scheer, 1985) sind bis heute
die einzigen Hinweise auf mögliche Wechsel-beziehungen mit den Gruppen des
mittleren Donau-Gebiets (Österreich, Tschechien).
Vor diesem Hintergrund soll die Untersuchung der
Geissenklösterle-Steinindustrie im analyti-schen Rahmen der „chaîne
opératoire“ zu einer besseren Kenntnis der Geräteherstellung in
Zusammenhang mit der Rohmaterialbeschaffung beitragen, und Aussagen zum
technologischen Verhalten der Urmenschen des Achtals zwischen 29 und 27 ka
ermöglichen.
Philip R. NIGST, Wien: Ein gravettienzeitlicher
Behausungsgrundriss aus Grub/Kranawetberg (Österreich).
In dem Vortrag werden erste Beobachtungen zur räumlichen
Organisation der gravettienzeitlichen Fundstelle Grub/Kranawetberg vorgestellt.
Der Fundplatz Grub/Kranawetberg stellt mit seinen relativ gut erhaltenen,
modern gegrabenen und dokumentierten Siedlungsstrukturen (evidente und latente
Strukturen) einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der räumlichen Organisation
gravettienzeitlicher WildbeuterInnenlager dar.
In der analysierten Fläche sind evidente Befunde vorhanden:
eine Feuerstelle und 16 Gruben. Die Gruben sind um die Feuerstelle gruppiert.
Einzel- und Mengenkartierungen und Analysen mittels der Ring and Sector
method zeigen eine deutliche Konzentration der einzeln eingemessenen
Fundobjekte direkt um die Feuerstelle. Ein zweiter Konzentrationsbereich konnte
in einer Distanz von etwa 2 bis 3 Meter um die Feuerstelle festgestellt werden.
Diese Konzentration kann als eine Abfallakkumulation entlang einer Barriere
(Behausungswand) interpretiert werden. Über 3 Meter von der Feuerstelle
entfernt, wurden fast keine Fundobjekte in der analysierten Fläche
dokumentiert. Beim derzeitigen Bearbeitungsstand wird eine (polygonale ?)
Behausung mit einer Feuerstelle im Zentrum als Erklärungsmodell für die
festgestellten Muster vorgeschlagen.
Ein Vergleich mit anderen gravettienzeitlichen
Behausungsgrundrissen zeigt, dass die Behausung in Grub/Kranawetberg sowohl von
der Größe als auch von der Verteilung der evidenten Strukturen im Rahmen der in
das Gravettien datierenden Behausungen liegt.
Literatur:
Nigst, P. R., 2003: Fundverteilungen
um Feuerstellen, die Ring and Sector Method und Grub/Kranawetberg: Eine
Studie zur Analyse latenter Strukturen altsteinzeitlicher WildbeuterInnenlager,
unpublizierte Diplomarbeit, Universität Wien.
-, im
Druck: Ein Behausungsgrundriss aus Grub/Kranawetberg? Erste Beobachtungen zur
räumlichen Organisation der Gravettien-Fundstelle Grub/Kranawetberg
(Österreich), Archäologisches Korrespondenzblatt.
Philip R. NIGST, Wien: Neue Forschungen in Willendorf
II. Vorbericht über die Arbeiten an „neuen" alten Funden der Kulturschicht
3 (frühes Aurignacien).
Das Fundinventar von Willendorf II, Schicht 3, gehört zu den
wenigen Inventaren des frühen Aurignacien in Zentraleuropa. Die 14C-Daten
stellen das Fundmaterial in den Zeitraum zwischen 39 und 38 ka BP. Bekannt sind
die 31 inventarisierten Fundobjekte der Prähist. Abt. des Naturhist. Museums in
Wien. Aus Depotbeständen sind jedoch vor einiger Zeit etwa 400 weitere
Steinartefakte aus der Grabung 1908 (Originalverpackung) aufgetaucht. Unter
diesen „neuen“ alten Funden sind nur wenige chronologisch aussagekräftige
Typen; das Hauptaugenmerk der neuen Arbeiten liegt in technologischen Analysen
und Aussagen zu den Ressourcennutzungsstrategien.
Präsentiert werden die „neuen“ Funde, eine aktualisierte
Typenliste und erste Aussagen zu Technologie und Rohmaterialnutzung.
Literatur:
Nigst, P. R., im Druck: „Neue“
alte Funde aus Willendorf II, Schicht 3, Archäologie Österreichs.
Clemens Pasda, Jena: Höhlen - und Abrinutzung in Westgrönland – Der
Abschlußbericht.
Das Inland von Westgrönland wird von Menschen seit 4.000
Jahren zur sommerlichen Rentierjagd aufgesucht. Hierdurch entstanden
unterschiedliche Fundstellentypen in Form großer und kleiner
Freilandlagerplätze, Zelthäuser und -ringe, Depots, hunting-drives u.ä., die in einem bestimmten Muster in der
Landschaft vorkommen. Das reiche ethnographische und -historische
Quellenmaterial sowie die Ergebnisse früherer archäologischer Untersuchungen
zeigen die Entstehung dieser Fundlandschaft unter dem Einfluss von Klima- und
Ressourcenschwankungen, regionale Abhängigkeiten und Einflüssen der globalen
(Kolonial-) Geschichte. Dies äußert sich in Unterschieden in Gruppengröße,
-zusammensetzung und -herkunft sowie Mobilität und Jagdmethoden der das Inland
aufsuchenden Menschen. Vor diesem Hintergrund wurden hier von 1999-2003 in
Zusammenarbeit mit der Abteilung SILA des Dänischen Nationalmuseums die von
Menschen genutzten Höhlen und Felsüberhänge untersucht. Dies geschah durch
Surveys mit Dokumentation der archäologischen Funde und Befunde.
Aus der Sicht des Archäologen zeichnen sich die genutzten
Höhlen und Felsüberhänge durch folgende Eigenschaften aus: Sie sind im
Gegensatz zu Freilandfundplätzen selten, treten wie diese jedoch an bestimmten
Stellen der Fundlandschaft auf. Ihr natürlich geschützter Raum ist klein, der
von Menschen darin genutzte Teil noch kleiner. Letzterer ist durch einfache,
rechteckige bis rundliche, aus Steinen und Grassoden gebaute Mauern fassbar.
Artefakte fehlen dagegen. Tierknochen treten selten auf. Der Aufbau der
Strukturen zeigt Instandhaltung ohne Veränderung der Form.
Die ethnographischen und –historischen Quellen zeigen,
welches menschliche Verhalten zur
Entstehung dieser Fundstellen führte: Höhlen und Felsüberhänge wurden
von mobilen Kleinstgruppen nur kurzfristig zum Ausruhen und Übernachten
aufgesucht. Die Strukturen waren vor allem ein Windschutz zur Konservierung von
Körperwärme. Namen für solche Lokalitäten zeigen, dass Höhlen und Felsüberhänge
in Raum und Zeit fixierte Plätze waren, die nicht zufällig aufgesucht, sondern
immer wieder während der Hin- und Rückreise vom Fjord ins Jagdgebiet bzw.
während der Jagd im eisrandnahen oder höher gelegenen Hinterland genutzt
wurden. Die Instandhaltung ohne Veränderung der Struktur legt wiederkehrende
Aufenthalte in Höhlen und Felsüberhängen in gleicher Funktion nahe. Dies steht
in deutlichem Gegensatz zu einigen Fundstellentypen im Freiland, die oft
Umbauten und damit einen Funktionswandel in ihrer Nutzungsgeschichte zeigen.
Dieser Funktionswandel hängt wahrscheinlich mit den erwähnten Wechseln
menschlicher Inlandnutzung zusammen, die sich damit - soweit ohne Ausgrabung
feststellbar - nicht in Höhlen und Abris dokumentieren lassen. Die Befunde in
Höhlen und Felsüberhängen ähneln allerdings einem anderen Fundstellentyp im
Freiland, dem sog. hunters´ bed, das
in ähnlicher Funktion genutzt wurde und auch an gleichen Stellen in der
Fundlandschaft auftritt. Damit zeigt sich auch für Westgrönland, dass eine
Gesellschaft/Kultur ihren Raum sowohl in Höhlen als auch im Freiland gleich
strukturiert, sich aber durch diese Raumwahrnehmung von zeitgleichen anderen
Kulturen unterscheidet.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen in
Westgrönland einen deutlichen Zusammenhang zwischen Aktion menschlicher Kultur
der Vergangenheit (kurzfristiger Aufenthalt weniger Personen während einer
Reise bzw. einer Jagdexpedition) und ihren heute erkennbaren archäologischen
Konsequenzen. Damit lässt sich auch eine neue Art des Aufenthalts in Höhlen und
Felsüberhängen beschreiben, womit unsere Vorstellung vom Leben unter kalten
Klimabedingungen um eine weitere Variante erweitert werden kann. Befunde und
Funde aus Höhlen und Felsüberhängen dokumentieren allerdings nur einen
Ausschnitt menschlicher Lebensweise, die in ihrer Gesamtheit und Vielfalt nur
unter Einbeziehung aller archäologischer Quellen zu verstehen ist. Stimmt die
Annahme von kulturspezifischem Verhalten, das sich auch in der
Raumstrukturierung widerspiegelt, sei auf Gefahren bei der Übertragung,
Interpretation oder Wertung von diachronen Vergleichen von Befunden und Funden
verwiesen.
Literatur:
C. Pasda: Die
urgeschichtliche Fundlandschaft: Zeugnis einer Kulturlandschaft – Ergebnisse
der Surveys im Inland von Westgrönland 1999-2000. – Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 43, 2002, 323-376.
C. Pasda: Hotel Grönland – Human use of caves and rockshelters
in West Greenland (press in prep.) manuscript 2003: 51 pp. + 34 fig.,
2 tab.
Svea Rathje, Kiel: Die Steingeräte von Timmendorf-Nordmole.
Von 2000 bis 2002 wurde der endmesolithische Fundplatz
Timmendorf-Nordmole in der Wismarbucht durch das Archäologische Landesmuseum
Mecklenburg-Vorpommern durch Ausgrabungen untersucht. Die dabei geborgenen
Steinartefakte wurden im Rahmen einer Diplomarbeit an der
Christian-Albrechts-Universität Kiel analysiert und mit dem Fundmaterial
zeitgleicher Siedlungsplätze der jüngeren Ertebölle-Kultur in
Schleswig-Holstein und Dänemark verglichen. Der Vortrag stellt erste Ergebnisse
dieser Arbeit dar.
Wilfried Rosendahl,
Mannheim, Bettina Wiegand, Peter Nordhoff und Dominik Christ, Göttingen, Brigitte Kaulich, Erlangen: Datierungen an
Speläo-themen aus der Höhlenruine Hunas/Ldkr. Nürnberger Land – Daten und
Interpreta-tionen.
Die Höhlenruine Hunas wurde im Mai 1956 durch den Erlanger
Paläontologen Florian Heller in einem Steinbruch oberhalb des zu Hartmannshof
gehörenden Weilers Hunas am Osthang des Steinberges entdeckt. Eine erste
Grabungsphase unter der Leitung von F. Heller fand von Herbst 1956 bis Sommer
1964 statt. Nach einer längeren Unterbrechung wurden die Grabungen im Jahr 1983
südwestlich zur Profilabfolge von Florian Heller wieder aufgenommen und bis
heute in jährlichen Kampagnen unter Leitung des Instituts für Ur- und
Frühgeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg fortgeführt.
Im Basisbereich des letzten Profilabschnittes der Grabung
Heller wurde am Ende der Hellerschen Grabungskampagne eine Sinterlage
angetroffen, von welcher in den 1970er Jahren G. J. Hennig aus Köln (Institut
für Kernchemie) im Rahmen einer Dissertation ein Stück mit der konv.
U/Th-Methode auf 230 ka (HUNAS Nr. 477) datierte (Hennig 1979). Die gleiche
Analyse wurde in Henning et al. (1983) mit dem Datum 221 +52/-34 ka und in Brunnacker (1983) mit dem Datum 260 +60/-40 ka genannt.
Da eine Probendokumentation sowie eine Probenrückstellung
der ersten datierten Sinterprobe aus Hunas nicht erfolgt sind, ist eine
Überprüfung der Position der Sinterlage zu den Profilschichten sowie neue
Analysen an der Probe nicht mehr möglich.
In der Grabungssaison 2002 konnte an der Basis des neuen
Grabungsprofils eine Tropfsteinlage freigelegt werden, die die Sedimentabfolge
unterlagert. Hiermit bot sich nun erstmals wieder die Gelegenheit, die Basis
der Schichtenfolge mit neuen Methoden zu datieren. Im Herbst 2002 wurde dazu
ein Stalagmit (HUSi2) zur Datierung mit der TIMS-U/Th-Methode entnommen.
Entgegen aller Erwartungen, wurde für Basis und Top des
Stalagmiten HUSi2 im Sommer 2003 ein oberpleistozänes Alter (OIS 5) ermittelt.
Die Daten sind stimmig und an der Probe begleitend durchgeführte geochemische
Analysen bestätigen, dass die Daten aus methodischer Sicht keine Einschränkung
erfahren. Zur weiteren Absicherung des neuen Basisalters für die Schichtenfolge
von Hunas wurde Ende 2003 ein zweiter Stalagmit (HUSi3) aus der gleichen Schicht
wie Probe HUSi2 datiert. Das im Januar ermittelte Datum bestätigte das
oberpleistozäne Alter.
Die neuen Altersdatierungen machen es notwendig, bestehende
Interpretationen zu überprüfen bzw. ganz neue Überlegungen, vor allem
hinsichtlich bisheriger quartärpaläontologisch-stratigraphischer Sichtweisen,
anzustellen.
Literatur:
Brunnacker, K. 1983: Die Sedimente der Höhlenruine von
Hunas. - Quartär-Bibliothek, 4, S. 53-89; Bonn.
Hennig, G.J. 1979: Beiträge zur Th-239/U-234-Alterbestimmung
von Höhlensintern sowie ein Vergleich der erzielten Ergebnisse mit den anderer
Absolutdatierungsmethoden. - 171 S., Diss. Inst. für Kernchemie Univ. Köln; Köln
Hennig, G.J., Grün, R. &
Brunnacker, K. 1983: Speleothems, Travertines, and Paleoclimates. – Quaternary
Research, 20, S. 1-29; Washington.
Joachim Schäfer,
Uli Bauer, Keith Huswell und Reinhold Schulz, Berlin: Heißer gegessen als
gekocht? Eine kritische Bestandsaufnahme genetischer Forschungen zur Abstammung
des Menschen.
Der Wechsel vom Neanderthaler zum anatomisch modernen
Menschen und der Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum vor etwa 40.000
Jahren wird beinahe seit Beginn der urgeschichtlichen Archäologie kontrovers
diskutiert.
Bisweilen gewinnt man den Eindruck, dass Paläontologen und
Archäologen, die ihre Aufgabe früher darin sahen, Siedlungsverhalten und
Abstammungsfragen der Menschheit aus ihren Disziplinen heraus zu beantworten
auf den vorbeirauschenden Zug der Genetik aufgesprungen sind ohne die
Ergebnisse der Genetik zu überprüfen. Vor dem Hintergrund einer traditionsgemäß
interdisziplinär betriebenen Eiszeitarchäologie wurde am Lehrstuhl für Ur- und
Frühgeschichte der Humboldt-Universität Berlin deshalb im Rahmen einer
Lehrveranstaltung geprüft, inwieweit die Ergebnisse der Genetik zu Fragen der
Abstammung des Menschen fundiert sind.
Der Beitrag der Molekularbiologie stützt sich auf die
Überlegung, dass genetische Strukturen im Verlauf der Phylogenese berechenbaren
Veränderungen unterliegen. Untersuchungsgegenstand sind vornehmlich
hypervariable Regionen (HvR) der MtDNA. Methodisch werden zwei Wege
beschritten: eine Analyse von DNA-Sequenzen rezenter Menschen und eine
begrenzte Untersuchung fossiler DNA.
Die Kritik der Vortragenden bezieht sich auf die für eine
Beweisführung als notwendig erachteten klar umrissenen Voraussetzungen, auf den
Beweis bzw. die Ergebnisse und auf die in der Sekundärliteratur formulierten
Ergebnisse und Schlussfolgerungen:
1. die Selektionsneutralität der HvR,
2. die Kontinuität der Mutationsrate,
3. die korrekte Identifikation fossiler DNA und fossiler
Mutationen,
4. die Zuverlässigkeit der labortechnischen Analysen (PCR),
5. die zu große Zeitspanne von 4-8 Ma zur Eichung der
molekularen Uhr,
6. die MtDNA ist stellvertretend für die gesamte DNA,
7. fossile Neandertaler MtDNA kennzeichnet
Speziesunterschiede zum anatomisch modernen Menschen,
8. die Reduktion des Menschen und seiner Kulturen auf
DNA-Sequenzen.
Unsere Recherchen führten zu einem in seiner Deutlichkeit
überraschendem Ergebnis, dass der mikrobiologischen Forschung bezüglich ihrer
Ergebnisse zur Abstammung des Menschen keinesfalls der Stellenwert beizumessen
ist, der ihr in der Populärwissenschaft und auch von Fachkollegen zugewiesen
wird. Hervorzuheben ist aber auch, dass in der Primärliteratur die Ergebnisse zur
Abstammungsgeschichte des Menschen sehr viel vorsichtiger formuliert sind als
in der Sekundärliteratur und der Populärwissenschaft. Zu kritisieren ist
insbesondere dass genetische Ergebnisse zu unbegründeten weiterführenden
Schlussfolgerungen führen. Wir möchten aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass
die Molekularbiologie hilfreiche Informationen zu den Quartärwissenschaften
beisteuern kann.
Ulrich Schmölcke, Kiel: Neue Forschungen zu Faunenresten
steinzeitlicher Fundplätze an der südlichen Ostseeküste.
In den letzten Jahren beleuchteten neue archäologische
Ausgrabungen sowohl auf ostholsteinischer als auch auf westmecklenburgischer
Seite der Mecklenburger Bucht wie auch auf Zentralrügen die Siedlungstätigkeit
der Menschen zur Zeit der letzten Phase der Littorina-Transgression, das heißt
während der Erteböllekultur des ausgehenden Atlantikums. Besonders umfangreich
ist das Fundmaterial vieler Plätze insbesondere im Falle der Wirbeltierreste.
Beispielsweise konnten vom Fundplatz Timmendorf-Nordmole allein 22 000
Fischknochen bestimmt werden, und aus Neustadt liegen bereits über 1 000
tierartlich zugeordnete Säugetierreste vor. Für alle genannten Fundplätze
dauern die archäozoologischen Bestimmungen und die sich daran anschließenden
paläoökologischen sowie paläoökonomischen Auswertungen noch an, sodass in
diesem Vortrag nur ein erster grober Überblick und Einschätzungen in
summarischer Form gegeben werden können.
Michael Seiler
und Thomas Terberger, Greifswald:
Neue interdisziplinäre Forschungen auf steinzeitlichen Fundplätzen der Insel
Rügen.
Im Rahmen der DFG-Forschergruppe Sincos werden vom Lehrstuhl
für Ur- und Frühgeschichte der Universität Greifswald in Kooperation mit dem
Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Grabungen an steinzeitlichen
Fundplätzen auf Rügen und auf dem angrenzenden Festland durchgeführt
(TERBERGER/ SEILER in Druck). Ziel der Arbeiten ist es, an z. T. seit dem
frühen 19. Jh. bekannten Fundstellen gut stratifiziertes Fundmaterial für
archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen sowie Einblicke in die
Befundsituation zu erhalten.
Der am Strelasund gelegenen Fundstelle Parow kommt eine
wichtige Rolle in der Diskussion um die Neolithisierung in Vorpommern zu, da
nach den bisherigen Sammelfunden sowohl eine endmesolithische als auch eine
frühneolithische Fundschicht repräsentiert sind. Die Bedeutung des Platzes im
5. Jahrtausend wird auch durch Importfunde aus neolithisierten Gebieten
unterstrichen. Die Ergebnisse einer ersten Sondierung werden vorgestellt.
Am bekannten Fundplatz Lietzow-Buddelin (Saiser 1) ist es
mit Grabungschnitten gelungen neue Erkenntnisse zur Stratigrafie, Größe und
Struktur des wichtigen erteböllezeitlichen Küstensiedlungsplatzes zu gewinnen.
Durch die Grabungen lassen sich drei 14C-datierte Hauptfundschichten
fassen. Neben zahlreichen Steinartefakten sind die guten Erhaltungsbedingungen
in Holz-, Knochen- und Geweihartefakten hervorzuheben. Die gesamte
Kulturschicht mit einer Mächtigkeit von ca. 1,1 m ist offensichtlich innerhalb
relativ kurzer Zeit zwischen ca. 4500 und 4100 v.Chr. entstanden. Die
Faunenreste sprechen für eine wichtige Rolle von Robben- und Fischfang, bislang
lassen sich nur mit der Pollenanlyse erste Anzeichen für Haustierhaltung zum
Ende des 5. Jahrtausends fassen. Zugleich konnten mit Bohrungen neue
Erkenntnisse zur topografischen Lage des Platzes und des Meeresspiegelanstiegs
dieser Zeit gewonnen werden.
Literatur:
T. Terberger, M. Seiler, Flintschläger und Fischer -
Neue interdisziplinäre Forschungen zu steinzeitlichen Siedlungsplätzen auf
Rügen und dem angrenzenden Festland. Bodendenkmalpflege in
Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 2004, im Druck).
Martina Sensburg,
Köln: Räumliche Organisation und „Verhaltensstandardisierung“ in
magdalénienzeitlichen Basislagern am Beispiel der Konzentration IIa von
Gönnersdorf.
Aus den bisherigen Arbeiten zu den Siedlungsstrukturen der
Konzentrationen I, III und IV (im folgenden K I, K III, etc.) von Gönnersdorf
war zuletzt ein sehr komplexes Besiedlungsmodell für die magdalénienzeitliche
Siedlung entstanden. Demnach handelte es sich um ein von verschiedenen
Menschengruppen mehrfach aufgesuchtes Basislager. Zwei feste Behausungen (K I,
K III) und ein trapezoides Stangenzelt (K IV) wurden nach Aussage der
Tierknochen jeweils im Winter, eine weitere Konzentration (IIa) im Sommer
besiedelt. Zumindest für die beiden Konzentration III und IV wurde jeweils eine
zweite Besiedlungsphase angenommen, die jedoch dann unter freiem Himmel
stattfand.
Eine umfassende Untersuchung der Siedlungsstrukturen von K
IIa stand bis zuletzt noch aus. Frühere Arbeiten hatten sich lediglich mit
Teilaspekten der Konzentration beschäftigt. Es wurde aber bereits seit
Abschluss der Ausgrabungen vermutet, dass es sich ebenfalls um die Überreste
einer ehemaligen Behausung handelte. Diese Vermutung konnte nun im Rahmen einer
Dissertation an der Universität Köln bestätigt werden. Hingegen erwies sich die
früher wiederholt geäußerte Hypothese, dass auch Konzentration IIa mehrfach
besiedelt worden sei, als mit den aktuellen Ergebnissen unvereinbar. Zur
Unterstützung der genannten Hypothese wurden verschiedene Argumente, wie z.B.
die Ausdehnung des Gesamtbefundes, der Umfang des Werkzeuginventars und nicht
zuletzt anscheinend gestörte und überprägte Artefaktverteilungen herangezogen.
Die eingehende Untersuchung der Siedlungsstrukturen von K
IIa, bei der ein bedeutend höherer Grad der Befundauflösung erreicht werden
konnte, als dies in Gönnersdorf bisher der Fall war, ergab jedoch ein völlig
anderes Bild. Gerade die Verteilungsmuster der Silexwerkzeuge zeugen von
ungestörten Verhältnissen, von einer genau festgelegten räumlichen Organisation
und einem standardisierten Ablauf alltäglicher Arbeiten, sowohl im Inneren der
Behausung als auch auf dem Vorplatz. Innerhalb der Behausung konnten u.a.
spezielle Arbeitsbereiche identifiziert werden, die sich jeweils um drei
aufeinander folgende Feuerstellen herum anordnen. Diese Arbeitsbereiche werden
jeweils durch unterschiedliche Werkzeugtypen dominiert, sodass sich zusammen
mit der chronologischen Abfolge der Feuerstellen auch eine Abfolge
unterschiedlicher Tätigkeiten ergibt.
Die standardisierte Organisation der Behausung von K IIa und
ihres Umfeldes ist auf ein gleichermaßen standardisiertes Verhalten
zurückzuführen. Anstelle des Begriffs der Verhaltensstandardisierung ließe sich
besagtes Phänomen wahrscheinlich treffender mit „Traditionsüberlieferung“
umschreiben. Dies erscheint der Verfasserin als ein zentrales Ergebnis ihrer
Untersuchungen, da sich überlieferte Traditionen mit großer Wahrscheinlichkeit
auch in den anderen Konzentrationen von Gönnersdorf niedergeschlagen haben. So
bietet Konzentration IIa die große Chance auch bei zukünftigen Untersuchungen
als „Vergleichsmuster“ Anwendung zu finden. Während ihrer umfangreichen Vorarbeiten
stellte die Verfasserin bereits in Ansätzen fest, dass u.a. der Aufbau, die
Innenarchitektur und die Dimensionen der K I von Gönnersdorf mit denen der K
IIa identisch sind.
Die Konzentration IIa von Gönnersdorf nimmt nicht nur
räumlich gesehen eine zentrale Stellung innerhalb des Fundplatzes ein. Sie kann
sowohl als Schlüssel zur Gesamtinterpretation der Gönnersdorfer Siedlung, als
auch zum besseren Verständnis anderer magdalénienzeitlicher Basislager
betrachtet werden.
Lasse
SÖrensen, Kopenhagen: Alyst – a
settlement complex from the Maglemose Culture on Bornholm, Denmark. Preliminary
results based on unconventional excavation methods.
The preliminary results from
Bornholms Museum excavation campaign of the Maglemose settlement complex at
Alyst will be presented. The investigation differs from other Mesolithic
excavations in Denmark, as the excavation method is unconventional. The topsoil
was removed using a catarpillar and the settlement area was excavated in full
square meters. The achieved results show a settlement complex with at least 18
flint concentrations and two huts. It is argued that Mesolithic living and
activity areas on Alyst, and in general, seems to be much more widespread than
expected, containing a complex of many several smaller or larger settlements.
A preliminary interpretation
of the internal structure on Alyst is given, dividing the flint concentrations
in long term base camps and short term hunting, fishing or transit camps by
using feature and tool diversity.
Martin Street, Elaine Turner, Neuwied, Love Dalén,
Stockholm, Mikhail Sablin,
Petersburg: Die Eisfuchsreste von Gönnersdorf.
Etwa 2.400 Faunenreste der magdalénienzeitliche Fundstelle Gönnersdorf
(Neuwieder Becken) wurden dem Fuchs (v. a. Eisfuchs) zugewiesen. Eine erste
Analyse der Fuchsreste der Konzentration 1 wurde bereits 1976 von François
Poplin vorgelegt. Die neueren Untersuchungen beziehen
auch die bisher nicht veröffentlichten Fuchsreste der restlichen Grabungsfläche
in die Analyse mit ein.
Es wird zuerst eine quantitative Erfassung der bestimmbaren
Skelettelemente sowie die daraus resultierenden Mindestindividuenzahlen (MIZ)
der nachgewiesenen erlegten Eisfüchse präsentiert. Es zeigt sich, dass die
Repräsentation der Fuchsreste innerhalb der räumlich zonierten Grabungsfläche
(mehrere Behausungen) stark variiert. Es werden zudem die durch menschliche
Einwirkung verursachten Modifikationen der Fuchsreste dargestellt, darunter die
Verwendung der Fuchszähne für die Herstellung von Schmuck.
Neben den archäozoologischen Untersuchungen findet auch eine
osteometrische Analyse der Skelettelemente durch das Zoologische Institut der
Russischen Akademie der Wissenschaften statt. Dazu kommen neuere Untersuchungen
des Zoologischen Institutes der Universität Stockholm, die die Herkunft der
gegenwärtigen skandinavischen Eisfuchs-Population mitunter anhand einer Analyse
der DNS spätpleistozäner, mitteleuropäischer Eisfuchsreste aufklären sollten.
Günther A.
Wagner, Heidelberg: Numerische
Datierung und Geoarchäologie.
Geoarchäologie ist Anwendung geowissenschaftlicher
Methoden und Konzepte mit dem Ziel, archäologische Fragestellungen zu lösen.
Mit dieser Definition sind Weg und Ziel geoarchäologischen Arbeitens
vorgezeichnet. Da das geowissenschaftliche Untersuchungsobjekt Erde auch
den Lebensraum des Menschen bildet, befasst sich die Geoarchäologie vornehmlich
mit Wechselwirkungsprozessen zwischen natürlicher Umwelt und Mensch in der Vergangenheit
und verbindet damit in einzigartiger Weise Kultur- mit Naturwissenschaften.
Wie bei allen geschichtlich orientierten
Disziplinen ist auch in den Erd- und den Altertumswissenschaften die Zeitachse
der grundlegende Maßstab, um überlieferte Ereignisse chronologisch zu ordnen
und Prozessgeschwindigkeiten zu erfassen. Prähistorische Zeitabläufe richtig zu
messen, ist dem kernphysikalischen Phänomen Radioaktivität vorbehalten.
Nur die auf dem radioaktiven Zerfall beruhenden „Uhren“ laufen stets
gleichmäßig – unabhängig von allen Umgebungsparametern. Die Einführung
kernphysikalischer Uhren vor einem halben Jahrhundert hat nicht nur die
prähistorische Archäologie revolutioniert, sondern auch neue Ansätze, wie den
der Geoarchäologie, überhaupt erst ermöglicht.
Heute steht eine Vielfalt physikalischer
Datierungsmethoden zur Verfügung, die sich je nach Material, Genauigkeit,
Altersbereich und Aussagekraft unterscheiden. Die für geoarchäologische
Untersuchungen wichtigen Altersbestimmungsverfahren werden vorgestellt und ihre
Möglichkeiten und Grenzen beispielhaft skizziert.
Mayke Wagner,
Berlin, Pavel E. Tarasov, Potsdam: Zu Problemen der Verknüpfung von Daten der
Archäologie und Paläoklimatologie in Nordwest-China.
An der Nordostecke des Qinghai-Tibet-Hochplateaus und an der
Westseite des Innermongolischen Plateaus (35-43°N, 100-105°O) sind in den vergangenen
zehn Jahren eine ganze Reihe neuer archäologischer und paläoklimatischer Daten
in den meisten Fällen unabhängig voneinander erhoben worden. Für eine
umfassende Besiedlungsgeschichte des Raumes seit dem mittleren Holozän, die
eine Rekonstruktion von Klima- und Landschaftsfaktoren ebenso einschließt wie
eine Dokumentation des Wandels von Landnutzungsstrategien des Menschen, müssen
diese Datenreihen korreliert werden. Dabei zeigen sich erhebliche Probleme. Sie
entspringen vor allem aus dem unterschiedlichen Aussagepotenzial der Quellen in
Bezug auf räumliche Gültigkeitsbereiche und chronologische Auflösung. In diesem
Beitrag werden gegenwärtig vorliegende Interpretationen von archäologischen,
geologischen und biologischen Daten diskutiert und erstmalig zu einem
Gesamtbild zusammengeführt.
Mara-Julia Weber, Tübingen: Technologische Aspekte
eines atypischen Inventars des Magdaléniens im Pariser Becken.
Das Magdalénien des
Pariser Beckens bietet sich an, um die Variabilität innerhalb eines
Technokomplexes zu untersuchen. So weicht eine Gruppe von lithischen Inventaren
dahingehend von der regionalen Norm ab, dass Spitzen mit einer den Hamburger
Kerbspitzen vergleichbaren Form mehr als einen marginalen Anteil der Geräte
ausmachen und in größerer Zahl als Rückenmesser vorliegen.
Unser
Untersuchungsgegenstand ist das Steinartefaktinventar des Sektors 7 des Tureau
des Gardes bei Marolles-sur-Seine (Seine-et-Marne), welches bis jetzt aus
typologischer Sicht den Industrien der Hamburger Kultur am nächsten von allen
regional atypischen kommt. Um dieses Inventar auch technologisch zu
charakterisieren, wurden zwei Hauptfragestellungen untersucht: die Bedeutung
der Lamellenherstellung und die Rolle des weichen Schlagsteins.
Als Ergebnisse zeigten
sich anhand von Werkzeugen, Grundformen und Kernen erstens, dass der
Lamellenherstellung eine eher geringe Bedeutung zukommt und Lamellen weniger
Produkte erster Intention sind, als dass sie eingebettet in die chaîne
opératoire der Klingenerzeugung entstanden. Zweitens wurden Grundformen zu
unterschiedlichen Anteilen mit einem weichen Schlagstein hergestellt, doch ohne
Zusammensetzung lässt sich das Verhältnis dieser Schlagtechnik zur Verwendung
eines Schlegels aus organischem Material nicht bestimmen. Diejenigen Kerne,
welche eine Serie von mithilfe des weichen Steins erzeugten Klingennegativen
aufweisen, besitzen wiederum morphologische Merkmale, die den Gebrauch eines
Schlegels erschweren oder gar unmöglich machen.
Thomas Weber,
Halle/Saale und Dieter Schäfer,
Innsbruck: Grundformtechno-logie als Datierungskriterium? Fallstudien aus
Mitteldeutschland, Südengland und Rheindahlen.
Im letzten Vierteljahrhundert haben wir auf der Basis von
über 70 Inventaren drei älterpaläolithische Technokomplexe vor allem der
Abschlagherstellung herauszuarbeiten versucht, die mit mittelpleistozänen
Warmzeiten (Holstein, Früh-Saale), der beginnenden Saalevereisung s.str. und
dem beginnenden Jungpleistozän (Eem, Frühweichsel) zu parallelisieren sind. Die
Technokomplexe lassen sich sowohl anhand uni- (Formquotienten, Anteil
bearbeiteter Dorsalfläche, Schlagflächenrestzustand, Schlagwinkel) als auch
multivariater Merkmalkonfigurationen gut separieren, was auch für Inventare
außerhalb Mitteleuropas zutrifft (Clacton, Hoxne).
Für Rheindahlen ist jedoch ein bemerkenswerter Widerspruch
festzustellen: Die beiden Inventare B1 und B3 ordnen sich „perfekt“ in die
jungpleistozäne Gruppe ein, obwohl B3 schon bisher in die „späte Saaleeiszeit“
eingeordnet wurde und mit bodenkundlichen Argumenten sogar in die „drittletzte
Kaltzeit“ gehören soll.
Stefan WENZEL, Frank GELHAUSEN und Jan KEGLER, Neuwied:
Latente Behau-sungsstrukturen im Spätpaläolithikum - die
Fundkonzentrationen der Federmesser--gruppen von Niederbieber
I und IV, Andernach-Martinsberg 3 und Berlin-Tegel IX.
Während aus dem Magdalénien und aus der bipointe-Phase
des Spätpaläolithikums Behausungen bekannt sind, die durch Plattenlagen oder
seitliche Beschwersteine kenntlich sind, fehlen für die Zeit der
Federmessergruppen im westlichen Mitteleuropa solche evidenten
Behausungsbefunde. Einzelne latente Behausungsbefunde aus der Allerödzeit
konnten mit der Ring-und-Sektor Methode D. Staperts belegt werden. Um auch
Fundkonzentrationen gerecht zu werden, die weder rund sind noch eine zentrale
Feuerstelle aufweisen, versuchen wir auf anderen Wegen für die von uns
vorgestellten Fundkonzentrationen Indizien aufzuzeigen, die auf das vormalige
Vorhandensein von Behausungen hindeuten.
Für Niederbieber I und IV ist am Rand der
Artefaktkonzentrationen ein deutlicher Abfall der Funddichte zu registrieren.
Dies wird vor allem dann deutlich, wenn man für die Funddichtelinien äquidistanten
Mengengruppen mit geringem Abstand zueinander wählt. Zahlreiche
Zusammensetzungslinien von Artefakten enden dort, wo die Funddichte abfällt
oder verlaufen entlang dieser Zonen. Innerhalb der Fundkonzentrationen und an
deren Rändern finden sich zahlreiche modifizierte Artefakte. Unverbrannte
Knochen und größere Steine liegen am Rand und außerhalb der
Fundkonzentrationen. Niederbieber IV hat eine trapezförmige Fläche von 4,5m
Länge und maximal 4m Breite, während bei Niederbieber I die Fläche
gestreckt-trapezförmig mit 4m Länge und 3,8m Breite ist.
In Andernach 3 lässt der Bereich um die südliche der beiden
Feuerstellen deutliche Begrenzungen erkennen. Um diese Feuerstelle herum gibt
es zunächst eine sehr kompakte 3x4m messende nordwestlich ausgerichtete
Artefaktkonzentration mit vielen einzeln eingemessenen größeren Fundstücken. Um
diese Konzentration schließt sich ein Bereich an, der immer noch eine
beachtliche Zahl kleiner Steinartefakte enthält. Die Knochen liegen, von einer
kleinen Anhäufung um die Feuerstelle abgesehen, mit klarer und streckenweise
gerader Grenze außerhalb des Bereichs mit mehr als 25 Artefakten pro
Viertelquadratmeter. An dieser äußeren Grenze enden etliche
Artefaktzusammenpassungslinien. Sie umschließt eine Fläche von
gestreckt-hexagonaler Form mit ca. 4,5m Länge und 4m Breite. Die nördliche
Stirn der so definierten Fläche deckt sich mit der Lage eines bei der Grabung
entdeckten möglichen Pfostenlochs mit Steinverkeilung.
Bei Berlin-Tegel IX nimmt die eigentliche Fundkonzentration
eine trapezförmige Fläche von 4m Länge und max. 4m Breite ein, deren Rand
dadurch hervorgehoben ist, dass dort viele Zusammensetzungslinien von
Artefakten enden bzw. entlang der Seiten verlaufen und sich am Rand viele
größere modifizierte Artefakte finden.
Die von uns zur Diskussion gestellten latenten
Behausungsbefunde nehmen eine geringere Fläche ein als die Trapezzelte des
Magdalénien und der frühen Rückenspitzengruppen, haben aber z.T. einige
Merkmale mit diesen gemein: den trapezförmigen Grundriss und die Aufteilung in
fundreiche und fundarme Hälften und ein deutlich begrenzter fundreicher Bereich
um die Feuerstelle.
Christoph Zielhofer, Dresden und Jörg Linstädter, Köln: Short-term
mid-Holocene climatic deterioration in the West Mediterranean region – climatic
impact on Neolithic settlement pattern.
Mid-Holocene palaeoclimatic
and palaeoecologial archives indicate a climatic deterioration between c.
6.6 and 6.0 ka BP in the West Mediterranean region. High to moderate resolution
records especially show a decrease in humidity in central Italy and northern
Tunisia at that time. Additionally, the archaeological survey of Neolithic
layers at Hassi Ouenzga cave (semiarid Northeast Morocco) reveal a
chronostratigraphical gap during this short-term clima-tic drop. Comparable to
the results from Hassi Ouenzga, there is also no evidence of middle Neolithic
populations in other drylands in today’s Morocco.
However, middle Neolithic
sites at coastal Northwest Morocco indicate an enduring human presence between
6.5 and 6.0 ka BP. In opposite to the early and late Neolithic
hunter-gatherer-like economies of steppic Morocco, the coastal societies of
subhumid Northwest Morocco show more sedentary land use systems like the
exploitation of marine resources and pastoralism. Consequently, the coastal
societies might be more adaptable against climatic shifts and/or the subhumid
landscape of Northwest Morocco has been less sensitive against drops in
humidity. Nevertheless, regarding Moroccan drylands, the impact of a
mid-Holocene short-term climatic deterioration on Neolithic societies should
not be ignored or considered unimportant.