46. Tagung der Hugo Obermaier-Gesellschaft in Greifswald 2004
Zusammenfassungen / Summaries der Vorträge

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Martina Barth, Tübingen: Das Gravettien im Achtal – Die Knochen- und Geweihartefakte vom Hohle Fels und benachbarter Fundstellen.

Im Rahmen des Auswertungsprojekts „Paläolithikum der Schwäbischen Alb“ werden in einer Doktorarbeit die gravettienzeitlichen Knochen- und Geweihartefakte des Hohle Fels untersucht. Aufgrund von Zusammensetzungen von Silexartefakten zwischen den Fundstellen Hohle Fels – Brillenhöhle, Geißenklösterle – Brillenhöhle konnte Anne Scheer Verbindungen zwischen diesen Höhlenfundstellen feststellen. Es soll nun untersucht werden, ob sich auch über die organischen Artefakte Zusammenhänge ergeben. Hierbei sollen Fragen zur zeitlichen Differenzierung der Gravettienschichten, zur Höhlennutzung und zu regionalen und überregionalen Kontakten beantwortet werden. Das Poster stellt bisherige Ergebnisse vor.

 

 

Christian BOGEN, Leipzig: Geoarchäologische Untersuchungen auf dem mesolithisch-frühneolithischen Fundplatz Rothenklempenow in der Ueckermünder Heide (Vorpommern).

Bereits zwischen 1983 und 1993 wurden auf dem mesolithisch-neolithischen Fundplatz durch Frau S. Schacht (Lübstorf) umfangreiche Grabungen auf zwei jungmesolithischen Siedlungsstationen durchgeführt. Parallel dazu erfolgten in mehreren Schnitten Untersuchungen im Verlandungsmoor am Ufer des Latzigsees, die ein außerordentliches Fundspektrum lieferten, welches die Zeitspanne vom Präboreal bis zum Atlantikum umfasst. Das geborgene Fundmaterial beinhaltete neben zahlreichen Flintartefakten ein umfangreiches Knochen- und Geweihinventar, zu denen neben den Resten der Jagdbeute Werkzeuge, Waffen und Kunstobjekte gehören. Ebenso wurde der Fischfang nicht allein durch Fischwirbel und -schuppen repräsentiert, sondern auch durch Netzschwimmer aus Kiefernrinde und Netzreste aus Weiden- und Eichenbast. Zu den herausragenden Funden dieser Grabungen zählte das vollständige Skelett einer als sitzender Hocker bestatteten Frau aus der Mitte des 6. Jahrtausends B.C.

1999 konnten die Untersuchungen durch S. Schacht und den Referenten wieder aufgenommen werden. Primäres Ziel dieser Grabungskampagne war nicht das Bergen weiteren Fundmaterials, sondern die Gewinnung neuer Kenntnisse zum zeitlichen Ablauf der Verlandungsabfolge der Uferzone. Aus diesem Grund wurden parallel zu den archäologischen Ausgrabungen detaillierte sedimentologische Untersuchungen und eine Bodenkartierung des Fundplatzes durch K. Kaiser (Marburg) vorgenommen. Außerdem erfolgten palynologische Untersuchungen durch E. Endtmann (Halle) und W. Janke (Greifswald); die archäozoologische Auswertung des umfangreichen Knochenmaterials verdanken wir  N. Benecke (Berlin). Die interdisziplinäre Zusammenarbeit lieferte einerseits neue Kenntnisse zur Landschaftsentwicklung und Hydrologie im Spätpleistozän, anderseits gelang eine umfassende Rekonstruktion des Lebensraumes der mesolithischen und frühneolithischen Populationen am Latzigsee.

 

Literatur:

SCHACHT, S., BOGEN, C., 2001: Neue Ausgrabungen auf dem mesolithisch-neolithischen Fundplatz am Latzig-See bei Rothenklempenow, Lkr. Uecker-Randow. Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 8, 5-21.

BOGEN, C. 2002: Ein See in der Mittelsteinzeit. Interdisziplinäre Forschungen auf dem mesolithisch-frühneolithischen Fundplatz bei Rothenklempenow in Vorpommern. Greifswalder Geographische Arbeiten 26, S. 183-187. Greifswald.

KAISER, K., BOGEN, C., CZAKÓ-PAP, S., JANKE, W. 2003: Zur Geoarchäologie des mesolithisch-neolithischen Fundplatzes Rothenklempenow am Latzigsee in der Ueckermünder Heide (Vorpommern). Greifswalder Geographische Arbeiten 29, 27-68.

 

 

Enrico Brühl, Jena: Zur ökonomisch-okölogischen Ausdeutung der Befunde vom Neumark-Nord 1

Bei interdisziplinären Forschungen unter der Leitung von D. Mania im Tagebau Neumark-Nord wurde zwischen 1986 und 1996 ein interglaziales Seebecken untersucht, dessen Alter als postdömnitz- und präeemzeitlich anzusetzen ist.

Auf den sandigen Uferflächen des Seebeckens, die sich während dessen Bestehens zweimal bildeten, waren auch spätmittelpleistozäne Jäger aktiv, deren kulturelle Reste aus den Litoralhorizonten geborgen wurden.

Die morphologisch-morphometrischen Untersuchungen des gesamten lithischen Materials von Neumark-Nord 1 werden zur Zeit vorgenommen. Bereits während der laufenden Arbeiten konnten die von Mania anhand eines Teilkomplexes herausgearbeitete Teilung des Materials in zwei ökonomisch-ökologische Fazies bestätigt und ausgedehnt werden.

Eine Fund- und Befundfazies stammt vom Uferliniennahen Bereich der Uferfläche. Charakterisiert wird diese durch das Fehlen retuschierter Geräteformen, die Dominanz großformatiger Abschläge mit umfangreichen auf Gebrauch zurückzuführenden Kantenveränderungen. Das mit den Artefakten assoziierte faunistische Material setzt sich aus artikulierten Teilskeletten zusammen, denen im Regelfall nur die Knochen der besonders fleischreichen Körperpartien fehlen. Diese Fazies ist eindeutig als Schlacht- und Zerlegungsplatzfazies anzusprechen.

Von den höher am Ufer gelegenen Bereichen, etwa 50 bis 100m von der Uferlinie des Sees entfernt, stammt eine Steinartefakt- und Knochenassemblage mit deutlich anderer Zusammensetzung.

Etwa 40 % der Feuersteinartefakte sind retuschiert, weitere ca. 10 % zeigen deutliche Gebrauchsspuren. Bemerkenswert ist der Umstand, dass trotz des extrem hohen Anteils retuschierter und genutzter Stücke charakteristische mittelpaläolithische Typen fehlen. Vielmehr handelt es sich bei den modifizierten Stücken fast ausschließlich um gezähnte und gebuchtete Stücke.

Das Knochenmaterial der äußeren Uferzone setzt sich aus stark zertrümmerten Knochen zusammen, unter denen die Knochen der fleischreichen Körperpartien dominieren, also eben jene Teile, die von den Schlacht- und Zerlegungsplätzen direkt am Ufer weggeführt wurden.

Diese Fundassoziation muss als Fazies kurzfristiger Rastplätze und Jagdlager verstanden werden.

Neben den Zusammensetzungen der Faunenreste und der extremen räumlichen Nähe existieren verschiedene Funde und Befunde, die es erlauben, beide Faziestypen ökonomisch-ökologisch miteinander zu verbinden und im Rahmen einer differenzierten Jagdfazies zu verbinden.

 

 

Ingo CLAUSEN, Neumünster: Pioniere in unendlicher Tundra. Stationen der Hamburger Kultur bei Ahrenshöft, Kreis Nordfriesland (Schleswig-Holstein, Deutschland)

Schleswig-Holstein am Ende der Weichseleiszeit: weite Bereiche der heutigen Nordsee waren landfest; im Osten erstreckte sich ein gewaltiger, von kalbenden Gletschern gespeister Eisstausee. Das Land existierte in seinen heutigen Konturen nicht, sondern war binnenländischer Teil eines räumlich stark nach Westen erweiterten Kontinentes. Ansteigende Durchschnittstemperaturen während des Meiendorf-Intervalles (vorallerödzeitliches Hippophaé-Maximum) begünstigten das Aufwachsen einer mit Sanddorn und Wacholder bestockten Steppentundra und führten zur Einwanderung anspruchsvoller Säugetiere sowie deren Jäger. Diese erreichten Schleswig-Holstein und Teile des südlichen Skandinaviens vor etwa 14.500 Jahren.

Bei Ahrenshöft wurden 1995 bis 1999 insgesamt fünf Lagerplätze dieser frühen Pioniere (Hamburger Kultur) durch das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein untersucht (CLAUSEN 1999). Eng benachbart mit weiteren, durch Oberflächenfunde erschlossenen, Stationen der Hamburger Kultur liegen die Siedlungsreste am Rande einer vermoorten Niederung in flachkuppiger Moränenlandschaft. Nur einen Kilometer westlich schließen holozäne Seemarschen und letztlich die Nordsee an. Sie bedecken die im Spätglazial begehbare Tiefebene des Nordsee-Festlandes.

Bei der Untersuchung der Station Ahrenshöft LA 73 wurden zwei sich überlagernde Fundhorizonte der Hamburger Kultur angetroffen, welche durch unterschiedliche Geschossspitzen charakterisiert sind. Während die basale Kulturschicht II fast ausschließlich Kerbspitzen führt, dominieren in der jüngeren Schicht I schlanke Stielspitzen vom Haveltetyp. Die innere Gliederung der HH-Kultur in eine (ältere?) Kerbspitzen- und eine (jüngere?) Haveltephase findet erstmals eine stratigraphische Bestätigung.

Kulturschicht II (Kerbspitzenhorizont): Ein von Steinartefakten, Bernsteinen und flächig verbreiteten Holzkohlen markierter Lagerplatz von etwa 8 m Durchmesser wurde vollständig erfasst. An der Peripherie des durch Solifluktion geringfügig überprägten Befundes befand sich eine mit Steinplatten umsetzte Feuerstelle. Zahlreiche Brandrückstände, besonders aufgeblühte Weidenkätzchen, belegen einen Frühjahrsaufenthalt (AMS 12.130 ± 60 BP). Die Fundpositionen von Steinartefakten und Bernsteinen lassen unterschiedliche Aktivitätszonen erschließen. Sie dürften im Zusammenhang mit einem nicht direkt nachweisbaren Wohnbau entstanden sein. Besonders hervorzuheben sind zwei Schmuckstücke aus Bernstein (durchlochte Scheibe; „Zahnstocher“), welche bislang einzigartig für das Jungpaläolithikum sind.

Kulturschicht I (Havelte-Horizont): Drei eng benachbarte Lagerplätze mit randlich gelegenen Feuerstellen wurden jeweils etwa zur Hälfte bei den Ausgrabungen erfasst. Die periglazial z.T. stark überprägten Befunde sind von flächig verbreiteten Holzkohlen (AMS 12.200 ± 60), Steinartefakten und Bernsteinen bestimmt. Die Lagerplätze erreichen 6 bis 8 m Durchmesser; Zusammenpassungen von Felssteinen deuten darauf hin, dass die Stationen nacheinander entstanden.

Lithostratigrafische und pollenanalytische Befunde (USINGER 1998) sowie 14C Bestimmungen weisen beide Fundhorizonte der jüngeren Hamburger Kultur im ausgehenden Meiendorf-Intervall zu.

 

Literatur:

CLAUSEN, I. 1998: Neue Untersuchungen an späteiszeitlichen Fundplätzen der Hamburger Kultur bei Ahrenshöft, Kr. Nordfriesland. Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 8, 1997, 8 – 49.

USINGER, H. 1998: Pollenanalytische Datierung spätpaläolithischer Fundschichten bei Ahrenshöft, Kr. Nordfriesland. Ebenda, 50 – 73.

 

 

Viola Dobosi, Budapest: The two sisters, Connection between two geosciences in Hungary.

Both archaeology in the traditional sense and geosciences deal with unearthing and reconstruction events in a temporal scale that can be put into a chronological framework.The dimensions of the sources in archaeology and geosciences respectively are different. The suitable methods are basically determined by the position and coordinates of the subject of analysis. An essential differences between these branches, disregarded or not adequately considered by many of us that archaeology deals with artifacts, the objectified symbols of the deliberate human activity (on any degree of evolution), starting with the first tools made by man of a lasting material, collecting relics of our material and spiritual heritage.We do this, without any hope of ever reaching the "origo".

The interdependence of the two disciplines is necessary, the harmonization of research objectives and  the mutual utilisation of the results is most desirable for the students of both disciplines. In my presentation I will review from the point of -Lithics (paleo-and neo-as well) research the possibilities residing in the potentials in the connection of Hungarian geological, gemorphological, palaeontological research to archaeology. The geological formations of certain age (minerals, rocks, fossils) can be the decisive raw material sources for certain archaeological periods. In the Quaternary period, the surface morphological formations investigated by geomorphology-geology form the immediate environment of human settlements, and the scientific results can be most fruitfully turned to practical help in the frames of interdisciplinary collaboration.

 

 

Philipp Drechsler, Tübingen: Gunsträume als Grundlage menschlicher Aktivitäten

während des Neolithikums im Südosten der Arabischen Halbinsel.

Während des frühen Holozäns herrschte im Südosten der Arabischen Halbinsel ein im Vergleich zu heutigen Klimabedingungen feuchteres Klima unter dem Einfluss des Südwest-Monsun. Während für die Zeit zwischen 9700 BP und 6200 BP viele Paläoklima-Proxys auf erhöhte Niederschlagsaktivitäten hindeuten, ist das Ende dieser Feuchtphase um 6200 BP nachweisbar.

In dieser Zeit günstiger Klimaverhältnisse sind im heute ariden Umland des Jabal Buhays im Emirat Sharjah/V.A.E. intensive menschliche Aktivitäten anhand von Steinartefaktfunden belegt. Unter den günstigeren klimatischen Bedingungen des frühen Holozän bot dieser geographische Raum eine Vielzahl ökologischer Nischen, die potenzielle Gunsträume für Pflanzen, Tiere und Menschen darstellten.

Als Ergebnis einer differenzierten Nutzung des ökologischen Potenzials durch den neolithischen Menschen finden sich heute zwei Gruppen von Artefakt-Ensembles, welche mit unterschiedlichen geomorphologischen Oberflächenformen korrespondieren und durch diese determiniert sind.

Eine mit Hilfe von Luftbildern erstellte geomorphologische Kartierung des Gebietes um den Jabal Buhays zeigt deutlich die Diversität der Oberflächenformen. Damit lassen sich auf der Basis der rezenten Morphologie mit Hilfe von Satellitenbildern und unter Einbeziehung Geographischer Informationssysteme in einem größeren Maßstab weitergehende Aussagen zur Gunst einzelner Landschaftsräume in Bezug auf ihr anthropogenes Nutzungspotenzial treffen.

 

 

Gerd Elvers (Fürth): Die Geologie als wichtiger Indikator für die  Lokalisierung von urgeschichtlichen Freilandstationen in Dritte-Welt-Ländern am Beispiel von Kuba.

Generell fördern die Regierungen in Dritte-Welt-Ländern die geologische Forschung, in der Hoffnung, Rohstoffe für den Export auf dem Weltmarkt zu erschließen (Erdöl, Kupfer, Nickel, ...). Die prähistorische Archäologie in vielen Entwicklungsländern kann sich im Gegensatz dazu auf keine beachtlichen politischen Prioritäten seitens ihrer Regierungen stützen, so weit nicht  ökonomische Interessen (Fremdenverkehr) existieren oder identitätsstiftende Kulturen von welthistorischem Rang vorliegen, wie die prähistorischen Kulturen in Peru oder Mexiko. Eine geringe personelle und sachliche Ausstattung der nationalen Archäologie lässt oft nur flächenmäßig begrenzte Insel-Aktivitäten zu, was zu Zufallsergebnissen in einer archäologischen Terra Incognita führt. Dies betrifft vor allem die ältesten Freilandstationen, die keine auffälligen Bodendenkmäler aufweisen.

Am Beispiel von Kuba versucht der Referent zu belegen, wie die Geologie Ansätze zu einer ersten Einschätzung der potenziellen Verbreitung von paläoamerikanischen Freilandstationen in paläolithischer Tradition zu liefern vermag. Aufbauend auf solche Analysen können die beschränkten personellen und sachlichen archäologischen Kräfte zu einer näheren Lokalisation von Freilandstationen gezielt eingesetzt werden. Als Unterlage dienen Karten des  Instituts für Geologische Wissenschaften von Professor Martin Meschede, Universität Greifswald sowie Beiträge kubanischer Wissenschaftler. Die Ergebnisse sollen in ein Projekt über die Archäologie Kubas mit paläolithischer Tradition eingearbeitet werden.

Ausgangspunkt derartiger Analysen war die in den letzten 3 Jahren von einer kleinen archäologischen Gruppe in Mittelkuba (Sagua La Grande) gemachte Erfahrung, dass die ältesten Migranten, die wahrscheinlich in spätglazialer Zeit den Weg von Nordamerika (Florida) über die Bahamas nach Kuba fanden, eine Affinität zum Feuerstein (Chalzedon) als Rohstoff für ihre Werkzeuge in paläolithischer Tradition hatten. Diese Jäger und Sammler scheinen mit ihrer hohen Mobilität gezielt rohstoffreiche Karstgegenden aufgesucht zu haben. Für spätere sesshaftere paläoindianische Kulturen lässt sich ähnliches nicht beobachten.

Der Feuerstein ist mit den geologischen Formationen des Spätjura/Frühkreide verbunden, die in Nordkuba einem Hebungsprozess und somit einer erheblichen Erosion mit Karsterscheinungen unterliegen. Eine Nachprüfung durch den Referenten bei seinem letzten Kubabesuch im November 2003 zeigt auf, dass die in der Provinz Villa Clara in den letzten 3 Jahren gefundenen hundert alten Freilandstationen auf Karst-Kalkböden liegen. Es handelt sich dabei um Rohstoff-Gewinnungsplätze (quarries) von z.T. großer flächenmäßiger Ausdehnung. Der Silex wurde aus dem Kalk gelöst und Reduktionssequenzen unterworfen, die dem älteren Jungpaläolithikum in Europa – Aurignacien, Gravettien – ähneln (Müller-Beck, Weißmüller, Rieder, Kozlowski). Die qualitätsvolleren Artefakte wurden zu Jagdstationen um Karstgruben und unbekannten Siedlungsplätzen gebracht. Stichproben, die den geologischen Karten folgen und über die bisherigen engeren Suchgrenzen hinaus gehen, belegen die Deckungsgleichheit von Geologie und Fundhäufigkeit über die Provinzgrenzen in Kuba hinweg.

500 Kilometer weiter östlich in der Provinz Holguin treffen wir auf andere geologische Verhältnisse. Die Flüsse Mayari (Seboruco) und Levisa tragen Silex-Gerölle mit sich, die wahrscheinlich von ihren Oberläufen aus Maastricht-Kreide-Formationen stammen, während sie im Mittel- und Unterlauf andere geologische Schichten durchschneiden. Diese Silex-Gerölle haben die ersten Migranten im Mittel- und Unterlauf der Flüsse als Rohkerne für ihre Artefakte verwendet. Die Artefakte sind in Abris, Höhlen und zu deren Vorplätzen getragen worden. Hier dürfte die Wahrscheinlichkeit groß sein, auf ungestörte Sedimente von Siedlungsplätzen des Menschen mit paläolithischen Traditionen zu stoßen.

Bei der Abschätzung potenzieller urgeschichtlicher Stationen aus geologischen Karten ist also auch die Möglichkeit einer Verfrachtung durch Flüsse zu bedenken.

 

 

Susanne C. FEINE, K. Felix HILLGRUBER und Ralf W. SCHMITZ, Tübingen: Neandertal - dreidimensionale Auswertung der Fundsedimente mit GoCAD und typologische Ansprache des lithischen Gerätespektrums.

Im Sommer 1856 räumte man die Höhlen Kleine Feldhofer Grotte und Feldhofer Kirche im Verlauf von Steinbrucharbeiten aus und barg die später Namen gebenden Gebeine des Neandertaler Urmenschenfundes. Obwohl der Fund bereits durch Fuhlrott als menschlich bestimmt und 1858 von Schaaffhausen anatomisch beschrieben wurde, erfuhr der Fundplatz keine ausführliche Untersuchung und der genaue Fundpunkt geriet schon bald in Vergessenheit. Die neueste Bearbeitungsphase des Typusexemplares begann 1991 mit einem interdisziplinären Forschungsprojekt, zu dessen Ergebnissen auch die 1997 veröffentlichte erste Neandertaler-mt-DNA-Sequenz zu zählen ist. Im Rahmen eines zweiten Projektes konnten 1997 die fundführenden Höhlensedimente wiederentdeckt und 2000 ausgegraben werden. In 2003 erfolgte die Bearbeitung der im Gelände angetroffenen Fundsituation und der Steingeräte im Rahmen zweier Magisterarbeiten an der Universität Tübingen.

Mit Hilfe des Computerprogrammes GoCAD, dessen wichtigste Funktion eine speziell entwickelte Interpolationsmethode ist, ließ sich ein dreidimensionales Schichtmodell erzeugen, durch das nicht nur die Fundsituation analysiert, sondern auch deren Entstehung rekonstruiert werden kann.

Bei der Analyse des jungpaläolithischen Gerätespektrums standen drei Aspekte im Vordergrund: durch Vergleich einzelner Gerätetypen wurde ein jungpaläolithisches Inventar abgegrenzt, zeitlich und räumlich in die zur Verfügung stehenden gravettienzeitlichen Daten eingehängt und auf seine Stellung innerhalb der anzunehmenden Subsistenzstruktur hin untersucht.

Das Mittelpaläolithikum ist neben den menschlichen Skelettresten durch entsprechende Artefakttypen vertreten. Bei der Behandlung wurde besonderes Augenmerk auf die Position der Stücke im Verhältnis zu den menschlichen Knochenfunden und eine mögliche Trennung vom jungpaläolithischen Fundstoff gelegt. Weitere Arbeitsschwerpunkte waren die Bestimmung der Art des Fundplatzes und die Einordnung anhand von typischen Werkzeugformen in den Kontext des Micoquien / Keilmessergruppen.

 

Literatur:

Feine, S. C. 2003: Die jungpaläolithischen Steinartefakte aus den wiederentdeckten Höhlensedimenten von 1856 im Neandertal. - Magisterarbeit Universität Tübingen.

Hillgruber, K. F. 2003: Die mittelpaläolithischen Artefakte der Fundstelle Neandertal. Material aus den wieder entdeckten Sedimenten von 1856.- Magisterarbeit, Universität Tübingen.

Schmitz, R. W., Serre, D., Bonani, G., Feine, S., Hillgruber, F., Krainitzki, H. Pääbo, S., & Smith, F. H. 2002: The Neandertal type site revisited : Interdisciplinary investigations of skeletal remains from the Neander Valley, Germany.- Proceedings of the National Academy of Sciences, U.S.A., 99: 13342-13347 + 5 p. sup. inf.: www. pnas.org/cgi/content/full/192464099/DC1/2.

 

 

Burkhard Frenzel und Sonja Adamczyk, Hohenheim: Über den pollenana-lytischen Nachweis einer prähistorischen Weidewirtschaft auf dem Tibetischen Plateau.

Prähistorische Befunde belegen, dass der Mensch schon sicher seit dem zeitlichen Äquivalent des Hengelo-Denekamp-Interstadials (MIS-3) auf dem Tibetischen Plateau bis in mindestens 4600 bis 4700 m Höhe jagend tätig gewesen ist (Literatur: Frenzel, Huang and Liu, 2001). Die Funddichte scheint im Spätpaläolithicum und Mesolithicum zuzunehmen, und vom Mittleren Neolithikum (etwa 5000 14C-Jahre vor heute) liegen südlich von Qamdo im oberen Mekong-Tal bei etwa 3500 m Höhe reiche Funde über bereits damals praktizierten Hirseanbau vor, ausgeführt durch die Bevölkerung großer Dörfer (CPAM, 1985). Gleichzeitig scheint auch das Yak gezähmt worden zu sein (Schlütz, 1999). Andererseits ist bekannt, dass die recht artenreichen Wälder, die ab ungefähr 10.000 14C-Jahren vor heute (v.h.) von Süden, Osten und von eiszeitlichen Waldrefugien der tiefen „Meridionalen Stromfurchen" aus in die Hochlagen Ost- und Süd-Tibets eingewandert waren (Frenzel, Bräuning und Adamczyk, 2003), sich seit ungefähr 5500 bis 2400 v.h. wieder zurückzogen. Dies erfolgte in den verschiedenen Landschaften zu unterschiedlichen Zeiten, wird aber generell klimatisch gedeutet, und zwar meist als Ausdruck eines kälter und trockener werdenden Klimas (Frenzel, 2001).

Bei den eigenen Expeditionen der Jahre 1989, 1992 und 1996 nach Ost-, Zentral- und Süd-Tibet wurde dem Vorkommen möglicher Weidezeiger in der Vegetation dieser Gebiete besondere Beachtung geschenkt. Es konnte die folgende Liste derartiger Pflanzen aufgestellt werden:

 

Aconitum cf. pendulum Busch.

Meconopsis aff. pinnatifolia C.Y. Wu et H. Chuang ex L.H. Zhou

Aster cf batangensis Bur. et Franch.

Meconopsis cf. impedita Prain

Caragana cf. gerardiana Royle

Pedicularis cf. tenacifolia Tsoong

Clematis cf. tangutica (Maxim.) Korsh.

Phyllophyton sp. Kudo

Clematis rehderiana Craib

Polygonum aff. aviculare L.

Cf. Comastoma cyananthiflorum (Franch. ex Hemsel.) Holub

Polygonum bistorta L.

Cremanthodium aff. lingulatum S.W. Liu

Potentilla fruticosa L.

Cremanthodium cf. arnicoides (DC. ex Royle) R. Good

Potentilla fruticosa L. var. albicans Rehd et Wils.

Delphinium cf. kamaonense Huth

Primula aff. minutissima Jacquem. ex Duby

Delphinium cf. thibeticum Finet et Gagnep.

Primula cf tibetica Watt

Cf. Dolomiaea calophylla Ling.

Primula sikkimensis Hook. f.

Gentiana aff. simulatrix Marq.

Rheum cf. palmatum L.

Gentiana aff. tongolensis Franch.

Rhododendron cf. forrestii Balf. f. ex Diels

Gentiana cf. depressa D. Don

Salvia aff. przewalskii

Gentiana cf. erecto-sepala T.N. Ho

Saussurea Sect. Pycnocephala oder Sect. Eriocoryne (DC.) Hook.

Gentiana tubiflora (G. Don) Wall. ex Griseb.

Senecio cf. diversifolius Wallich ex DC.

Cf. Heracleum candicans Wall. ex DC

Sibbaldia cuneata Homem ex Kuntze

Lamiophlomis rotata var. subglabra (Benth.) Kudo

Stellera chamaejasme L.

Leontopodium cf. stracheyi var. tenuicaule Beauv.

Thermopsis cf. lanceolata R. Br.

 

Schlütz (2003) hatte aber als Weidezeiger im Gobi-Altai Vertreter der Gattungen Tribulus, Lilium, Aconitum, sowie den Polygonum aviculare-Typ erwähnt. Dort, wie auch in Tibet, handelt es sich um Pflanzen, die entweder durch ihre Wuchsform oder ihre Inhaltsstoffe verbissresistent sind. Sie alle sind Mitglieder der dort heimischen Flora und leider ausnahmslos insektenbestäubt. Die produzierte Pollenmenge ist also gering, und es bedarf eines hohen Aufwandes, um sie pollenanalytisch nachzuweisen. Zu diesen Weidezeigern gehören auch manche Cyperaceen aus den windblütigen Gattungen Carex und Kobresia, deren Mengenanteile an der Vegetation durch Abweiden der Gräser (Poaceen) stark gefördert werden: Ihre Mengenzunahme kann im Pollendiagramm fälschlicherweise leicht als Indiz einer Ausdehnung feuchter Standorte gedeutet werden. Wegen dieses zwiespältigen Charakters sind sie nicht als Weidezeiger aufgeführt.

Die eigenen pollenanalytischen Untersuchungen an sechs Mooren Ost- und Zentral-Tibets lassen erkennen, dass sich der Anteil dieser „Weidezeiger“ – gebietsweise zu unterschiedlichen Zeiten – ab frühestens 5000 bis 5300 v.h. verstärkt hat. Der Wald wich gleichzeitig zurück. Auch heute fehlt in den beweideten, offenen Wäldern der Baumjungwuchs weitgehend. Es scheint demnach so zu sein, dass der oben erwähnte mittel- bis jungholozäne Rückzug der Wälder vor allem durch Beweidung erfolgt ist (Frenzel, 2000), aber weniger durch ein ungünstiger werdendes Klima, zumal da in demselben Zeitraum, in dem sich der pollenanalytische Nachweis des Waldes verringerte, an zahlreichen Stellen der Untersuchungsgebiete immer wieder Wald- und Steppenböden neu gebildet worden sind (u.a. Frenzel, 2001). Das Klima kann sich also gar nicht so stark verschlechtert haben, wie meist angenommen wird.

 

Literatur:

CPAM 1985: Karou, a neolithic site in Tibet. - Cultural Relics Publishing House, Beijing, 179 S. (chinesisch).

Frenzel, B. 2000: Nacheiszeitliche Veränderungen des Waldlandes in der Osthälfte des Tibetischen Plateaus. Akademie-Journal 2: 2-7.

Frenzel, B. 2001: History of flora and vegetation during the Quaternary. Progress in Botany 63: 368-385.

Frenzel, B.; Bräuning, A.; Adamczyk, S. 2003: On the problem of possible last-glacial forest-refuge-areas within the deep valleys of eastern Tibet. Erdkunde 57: 182-198.

Frenzel, B.; Huang Weiwen; Liu Shijian 2001: Stone artefacts from South-Central Tibet, China. Quartär 51/52: 33-53.

Schlütz, F. 1999: Palynologische Untersuchungen über die holozäne Vegetations-, Klima- und Siedlungsgeschichte in Hochasien (Nanga Parbat, Karakorum, Nianbaoyeze, Lhasa) und das Pleistozän in China (Qinling-Gebirge, Gaxun Nur). Dissertationes Botanicae 315, 182 S., J. Cramer, Berlin-Stuttgart.

Schlütz, F. 2003: Grazing on salty ground – palynological results from the Gobi Altai, Mongolia. Berliner Paläobiol. Abh. 2, S. 103.

 

 

Paul Goldberg, Boston/Tübingen: Micromorphology and Cave Sediments.

Prehistoric caves are interesting locations.  From the archaeological point of view they functions as loci for habitation that included a variety of activities, from food processing to sleeping, and religious. From the geological point of view they represent special sedimentary environments since they function as excellent sedimentary traps, and what is transported into the cave by natural or anthropogenic processes, tends to stay there. Thus, caves and their sediments can preserve true to life records of past environmental conditions and past human activities.

Problems arise however, in looking for analytical techniques that can be used to unravel the complex of depositional and post-depositional processes that can be of human and natural origin. One such technique that has been particularly successful is micromorphology, the study of undisturbed soils and sediments using petrographic thin sections, whereby the geometry of the components are preserved. This presentation will provide several examples of micromorphological research that have been carried out in cave sediments from both the New and Old Worlds.

 

Miriam Noël Haidle, Tübingen: Sie küssten und sie schlugen sich – Begegnungen von Neandertalern und Homo sapiens sapiens in der Populärliteratur.

Während in J.-H. Rosny Aînés (1911) „La guerre du feu“ Neandertaler und moderne Menschen sich gegen noch wildere Menschenfresser, rote Zwerge und Gorilla-ähnliche Waldmenschen verbünden, führt der Homo sapiens sapiens bei H. G. Wells (1927) und Gustav Riek (1934) einen Kampf gegen geistig unterlegene Neandertaler um Territorium. In William Goldings (1955) „The inheritors“ versuchen die rot behaarten, in der Fähigkeit zu Sprache und Zukunftsdenken beschränkten, eher gleichberechtigt organisierten und viel lachenden Neandertaler die klügeren, kühleren und aggressiveren modernen Menschen, die ihre Kinder als Spielzeug stehlen, zu meiden. Die Neandertalerfrauen in Björn Kurténs (1978) „Den svarta tigern“ sehen moderne Männer gottgleich und sexuell attraktiv, in Jean Auels (1980) „Ayla und der Clan der Bären“ finden sich beide Gruppen gegenseitig hässlich und fremd, sodass nur aus seltenen Vergewaltigungen Mischlinge entstehen. Elizabeth Marshall Thomas (1990) beschreibt in „Die Frau des Jägers“ die Anziehung eines blonden, blauäugigen und durch enge Regeln in der eigenen Gesellschaft gebundenen Homo sapiens sapiens-Mann durch das ungehemmte, haarige Wesen einer Neandertalerin. John Darnton (1996) lässt moderne Wissenschaftler in einem Tal des Pamir-Gebirges Überreste einer Neandertalerpopulation entdecken, die zwar keine Sprache besitzt, aber telepathisch begabt ist und durch ihre Unfähigkeit zu arglistiger Täuschung von modernen Menschen verdrängt wurde. Marc Canter (1996) schließlich lässt in „Sonnentochter“ aus der befruchteten Eizelle einer gefrorenen Neandertalerin eine intelligente, hellsichtige und mitfühlende junge Frau erwachsen, die es in der aggressiven modernen Welt schwer hat.

Erzählungen und Romane, in denen sich Neandertaler und moderne Menschen begegnen, spiegeln nicht die zeitgenössischen Vorstellungen über das Leben am Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum wider. Vielmehr sind sie Parabeln über unser heutiges Menschsein. Je nach dem, wie die AutorInnen ihre eigene Gesellschaft wahrnehmen, werden die modernen Menschen überzeichnet als klug, aggressiv, durch strenge Regeln gebunden oder liberal, patriarchalisch oder gleichberechtigt organisiert dargestellt und negativ oder positiv bewertet. In den Figuren der Neandertaler werden dazu passende Antipoden entworfen. Details über Werkzeuge, Lagerplätze, Umwelt und Jagdfauna liefern lediglich die Kulisse, die, wenn sie dem momentanen urgeschichtlichen Wissensstand entsprechen, einen wissenschaftlichen Hintergrund und damit größere Glaubwürdigkeit verleihen sollen. Subtiler zwar, aber dennoch durch ähnliche Mechanismen geprägt läuft auch die Erschaffung eines wissenschaftlichen Bildes von Neandertalern gegenüber modernen Menschen ab. Die gesellschaftlichen Auffassungen über unser modernes Menschsein und unsere Position zu diesen Standards bestimmen die urgeschichtlichen Forschungsansätze und Interpretationen. Nur wenige haben ihre Sicht so explizit gemacht wie der Quartärpaläontologe Björn Kurtén (1978) in seinem Roman.

 

 

Sönke Hartz, Schleswig: Aktuelle Forschungen zur Chronologie und Siedlungsweise der Erteböllekultur in Schleswig-Holstein.

In den vergangenen Jahren wurden an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste neue Forschungsgrabungen auf Feuchtbodensiedlungen zur endmesolithischen Erteböllekultur und frühneolithischen Trichterbecherkultur durchgeführt. Es handelt sich dabei um die Fundstellen Wangels LA 505, Grube-Rosenhof LA 58, Grube-Rosenfelde LA 83 und Neustadt LA 156. Alle Stationen sind mittels AMS-Daten und pollenanalytischen Untersuchungen absolut datiert, die Einzelinventare aus organischen und anorganischen Hinterlassenschaften spiegeln exemplarisch die Entwicklungsgeschichte des 5. Jts. v. Chr. in Schleswig-Holstein wieder. Die zahlreichen organischen Reste geben neue Einblicke in die Jagd- und Ernährungsgewohnheiten der damaligen Küstenbewohner, die besondere Rolle des Fischfangs (Rosenhof, Rosenfelde, Neustadt) und der Jagd auf marine Säuger (Neustadt) konnte anhand von Knochenresten und speziellen Gerätschaften nachgewiesen werden.

Mit der Fundstelle Grube-Rosenfelde LA 83 ist erstmals eine akeramische Phase der Erteböllekultur in Schleswig-Holstein sicher belegt. Darüber hinaus geben Verteilungsmuster und Artenzusammensetzung der Tierknochen in Verbindung mit den Siedlungsbefunden Hinweise auf eine Funktion des Platzes als temporäre, spezialisierte Aalfangstation.

 

 

Klaus-Dieter JÄGER, Halle/Saale: Landschaftsarchäologie als Brücke zwischen archäologischen und geowissenschaftlichen Disziplinen.

Landschaftsarchäologie integriert nach Problemstellung, Methodik und Aussagepotenzial For-schungstraditionen unterschiedlicher Natur- und Humanwissenschaften, deren Zusammenführung im letzten Jahrhundert und besonders in dessen letztem Viertel im Vortrag erörtert wird:

1.      Siedlungsarchäologie als Teildisziplin der Archäologie;

2.      Landschaftsforschung und Naturraumerkundung als Forschungsrichtungen mit physisch geografischer Orientierung;

3.      Quartärforschung als interdisziplinärer Verbund von ökohistorisch arbeitenden Teildisziplinen benachbarter naturraumorientierter Naturwissenschaften, wie Vegetations- und Klimageschichte, Bodenkunde, Geomorphologie u.a., wobei sich aus der Zuordnung des jeweiligen Forschungsgegenstandes zur jüngsten Erdgeschichte eine Einordnung in deren geologische Erforschung zwangsläufig ergibt.

Sowohl die beteiligten Disziplinen wie auch deren Zusammenwirken bei der Erforschung vormaliger Landschaftszustände haben besonders im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa grundlegende Fortschritte erzielt, die besonders der Landschaftsarchäologie für die letzen Jahrtausende zugute gekommen sind. Dafür sind u.a. herausragende neuere Beispiele aus dem Ostseeraum anzuführen. Ungeachtet längerer Tradition bewährter Interdisziplinarität in der Quartärforschung sind aber auch Desiderate erkennbar. Die nicht zuletzt die gesellschaftshistorisch weiter zurückliegenden Zeiträume von Jungpaläolithikum und Mesolithikum betreffen.

 

 

Jacek Kabaciński, Poznan, Jolana Ilkiewicz, Kozalin und Thomas Terberger, Greifswald: The Dąbki site near Koscalin - last hunter-gatherer-fishers at the Polish coast

First stone age sites near Dąbki ca. 30 km northeast of Koscalin were detected in the 1930ies. Excavations under the direction of J. Ilkiewicz were conducted there from 1978 to 1985. The site is situated at a depression close to a small river flowing into lake Bukowa, which has an outflow into the Baltic Sea. In some trenches find layers with excellent preservation conditions of the younger Atlantic and Subboreal (ca. 5000 bis 3000 calBC) were documented. The find material shows parallels to the Ertebølle culture of the western Baltic with T-shaped antler axes and pointed bottom vessels. Imported finds like a pierced “Schuhleistenkeil” and foreign ceramic elements indicate contacts to Neolithic communities at that time.

Dąbki 9 is the most important site of the final Mesolithic at the Pomeranian coast. The site is not only of relevance for the question of the transition to farming in northern Poland, but it has the potential to give valuable information about the influence from southern Neolithic communities and from the eastern Batic area in the Atlantic period. The Polish Academy of Science and Greifswald University are planning new field work at Dąbki 9 in 2004 to get more detailed information on the character of the find layers and the development of the environment (geology, palynology, palaeo-zoology).

 

Litertatur:

Ilkiewicz, J. 1989. From Studies on Cultures of the 4th Millennium BC in the Central Part of the Polish Coastal Area. Przeglad Archeologiczny 36, 17-56.

 

 

Knut Kaiser, Marburg: Geoarchäologie und Paläoökologie begrabener Landober-flächen des Spätglazials in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.

In den Jahren 1998-2003 wurden in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vier Standorte mit äolisch begrabenen Böden des Spätglazials interdisziplinär untersucht (Pedologie/Geomorphologie, Geochronologie, Paläobotanik, Archäologie). Neben Aussagen zur Geoarchäologie spätpaläolithischer Fundplätze (Kaiser 2003) erlauben die Arbeiten auch regionale bis überregionale Schlussfolgerungen zur spätglazialen Bodengenese und äolischen Dynamik sandiger Akkumulationsstandorte.

Zwei im spätpleistozänen Beckensandgebiet der Ueckermünder Heide (“Haffstausee”) gelegene spätpaläolithische Fundplätze wurden geoarchäologisch dokumentiert (Fpl. Hintersee 24 und Mützelburg Forst 9; Bogen et al. 2003). Hintersee 24 ließ sich anhand der Funde der Ahrensburger Kultur zuordnen. Eine Artefakthäufung führte hier zur Rekonstruktion eines Flintschlagplatzes. An beiden Fundplätzen lagen die Artefakte in einem geringmächtigen Verbraunungshorizont (fBv), der von Flugsand begraben war. Es handelt sich um den spätglazialen “Finowboden”, dessen Typuslokalität sich in Brandenburg befindet. Mittels 11 OSL-Daten (11,7 ± 0,8 bis 14,0 ± 1,0 ka) ließ sich die Bodengenese auf den Zeitraum Bölling bis Alleröd und die Überdeckung mit Flugsand in die Jüngere Dryas datieren.

Auf dem Altdarss wurde eine ca. 4 km2 große spätglaziale Landoberfläche entdeckt (Kaiser im Druck). Die begrabenen Böden sind als Rohhumslagen bzw. geringmächtige Torfauflagen, schwach podsolierte Regosole (fAeh-Horizonte), Gleye und Moorgleye ausgebildet. Die Regosole lassen sich mit dem in den Niederlanden, in Nordwestdeutschland und in Zentralpolen nachgewiesenen “Usselo-Boden” parallelisieren. Des Weiteren wurden in den begrabenen Böden Baumstämme und -stubben von Kiefer und Birke dokumentiert. Drei Radiokohlenstoffdaten an pflanzlichen Makroresten ergaben Alter von 10030 ± 200 bis 10680 ± 60 BP (unkalibriert). Diese Daten und ein Pollendiagramm datieren die begrabene Landoberfläche in die Jüngere Dryas. Dieser Befund, zwei weitere Pollendiagramme und 17 OSL-Daten (9,7 ± 0,8 bis 13,7 ± 1,0 ka) erlauben es, die Überdeckung mit Flugsand an das Ende der Jüngeren Dryas zu datieren.

Auf dem spätpaläolithischen Fundplatzensemble Alt Duvenstedt wurde eine artefaktführende und von Flugsanden begrabene Bodenbildung dokumentiert (Ahe-Horizont = “Usselo-Boden”; Kaiser & Clausen in Vorb.). Dieser Fundplatz lieferte aus der begrabenen Bodenbildung Artefaktmaterial der Federmesser und Ahrensburger Kultur. Vier Radiokohlenstoffdaten aus der Fundschicht/Bodenbildung ergaben 10770 ± 60 bis 11780 ± 110 BP (unkalibriert). Analog zu den Fundplätzen in Mecklenburg-Vorpommern kann angenommen werden, dass die Bodenbildung längere Zeit in der Jüngeren Dryas eine mehr oder weniger stabile Geländeoberfläche war und erst am Ende dieser Chronozone von Flugsand überdeckt wurde.

 

Literatur:

Bogen, C., Hilgers, A., Kaiser, K., Kühn, P. & Lidke, G. 2003: Archäologie, Pedologie und Geochronologie spätpaläolithischer  Fundplätze in der Ueckermünder Heide (Kr. Uecker- Randow, Mecklenburg-Vorpommern). Archäologisches Korrespondenzblatt 33: 1-20.

Kaiser, K. 2003: Geoarchäologie und landschaftsgeschichtliche Aussage spätpaläolithischer und früh-mesolithischer Fundplätze in Mecklenburg-Vorpommern. Meyniana 55: 49-72.

Kaiser, K. (im Druck): Geomorphic characterization of the Pleistocene-Holocene transition in Northeast Germany. In: Terberger, T. & Eriksen, B. V. (Hrsg.): Hunters of a changing world - Environment and archaeology of the Pleistocene-Holocene transition in northern Central Europe ca. 11,500 years ago; Rhaden/Westf. (Leidorf).

Kaiser, K., Clausen, I. (in Vorb.): Pedologie und Sedimentologie des spätpaläolithischen Fundplatzes Alt Duvenstedt, Schleswig-Holstein.

 

 

Thomas M. Kaiser, Greifswald und Nicholas Conard, Tübingen: Dental Wear in Horses – Can we use it as a Climate Proxy ?

Ungulates feed on a wide variety of vegetation types as sources of food. Owing to the comparably low content of available nutritious components, in most mammals abrasive food requires extensive comminution by grinding. The high degree of abrasiveness inherent to plant food mainly derives from phytoliths and grit contamination. Tooth wear is controlled by two major factors, attrition (tooth-tooth contact) and abrasion (food-tooth contact). The influence of these on the occlusal morphology of wear patterns leads to an equilibrium, which remains stable over considerably long periods of time. This equilibrium is therefore widely dependent upon the degree of abrasiveness of food comminuted. Both parameters are also tightly related to the availability of certain plant food items in a given habitat. As an indicator of the attrition/abrasion equilibrium in herbivorous mammals, the morphology of the ectoloph apex in the upper P4-M3 cheek dentition after Kaiser & Solounias (2003) is used. For each population investigated, a trophic reference taxon can be identified.

The hypothesis tested here is weather taxa with a wide spanning trophic diversity (eg. zebras) can be employed as indicators for the structure of habitats and thus make it possible to differentially investigate the habitat parameters of equid and ruminant populations based on tooth wear.

Eight populations of zebras (Equus burchelli) from habitats in Namibia, Botswana, Sudan, South Africa, Angola, Tanzania, Kenya and Mozambique are therefore investigated in terms of their mesowear signatures. These habitats have precipitation means ranging from 200 mm (Namibia) to 1100 mm (Mozambique).  The mesowear signatures are linked with other grazers using cluster analysis. It is found that dry environments shift the mesowear signature towards more abrasion control, while the same species from a moister habitat shows more attrition control in the mesowear signature. Mesowear may therefore mirror differential food availability in habitats and it is therefore considered a strong indicator for habitat characterization and food availability in a given habitat. Fossil remains of horses, namely cheek teeth, are among the most frequently preserved faunal remains in the Pleistocene, moreover, horses are a frequently hunted prey by Palaeolithic man and thus their remains are frequent in Palaeolithic contexts. A database relating dental wear with habitat parameters is currently under construction and will hopefully help to add more information about habitat structure and resource partitioning in the Quaternary period.

 

References:

Kaiser, T. M. & Solounias, N. (2003). Extending the Mesowear Method to extinct and extant equids. Geodiversitas 25(2): 321-345.

 

 

Petra Kieselbach, Harald Floss und Nicholas J. Conard, Tübingen: Erste Untersuchungsergebnisse zu den Silexartefakten aus der Gravettien-Schicht IIcf des Hohle Fels bei Schelklingen (Alb-Donau-Kreis).

Seit Oktober 2002 werden im Rahmen eines Auswertungsprojektes, das sich in mehrere Teilprojekte aufgliedert, die gravettienzeitlichen Schichten des Hohle Fels analysiert. Ein Teilprojekt befasst sich mit der Analyse der Silexartefakte. Ziel der Untersuchung ist es, die lokale und regionale Funktion und Bedeutung der Höhlenfundstelle während des Gravettiens nachzuvollziehen und im kulturellen Wandel zu beleuchten. Im Hohle Fels konnten von 1977-2003 insgesamt über 7000 einzeln eingemessene Silexartefakte in den Gravettien-Schichten IIb, IIc und IIcf geborgen werden. Davon kommen über 4500 Silexartefakte aus dem nur 3-10cm mächtigen AH IIcf, der nach  C14-Daten zwischen 27000 und 28000 BP datiert. Nach mikromorphologischen Untersuchungen handelt es sich beim AH IIcf um eine Knochenkohleschicht, die aufgrund fehlender Hinweise auf eine Feuerstelle und der Vermengung von unverbranntem und verbranntem Material als Abfallzone interpretiert wird. Erste Untersuchungen der Silexartefakte deuten hingegen auf eine Aktivitätszone hin, in der Silexartefakte hergestellt und benutzt wurden. In unserem Beitrag möchten wir anhand erster Untersuchungsergebnisse der Silexartefaktverteilungen und Zusammenpassungen das für und wider der ‚Dumping’-Hypothese diskutieren und die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten darlegen. In diesem Zusammenhang werden auch Aspekte zur Rohmaterialversorgung und -verarbeitung für den gravettienzeitlichen Horizont AH IIcf vorgestellt.

 

 

Stefanie Labes, Kiel: Endmesolithische Holzgeräte aus der südlichen Mecklenburger Bucht.

Bedingungen für eine organische Erhaltung von Fundgütern und damit auch die Überlieferung von Holzgegenständen auf archäologischen Fundplätzen ist nur selten gegeben. Daher fehlen in der archäologischen Forschung oft Aussagemöglichkeiten zu wesentlichen Lebensbereichen des vorgeschichtlichen Menschen. In den letzten Jahren konnten bei Ausgrabungen endmesolithischer Fundstellen am Rande der Mecklenburger Bucht sowohl in Schleswig-Holstein als auch in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche Holzartefakte geborgen werden, die den Forschungsstand zur Herstellungstechnik und Funktion selten überlieferter Geräte wesentlich bereichern sowie Aussagen zum Wandel von Lebensweise, Jagdtechnik, Rohstoffnutzung und Transportwesen am Ende des Mesolithikums ermöglichen. Der typologische Vergleich der Holzgeräte von verschiedenen Fundplätzen ermöglicht die Erarbeitung eines Entwicklungsschemas der Geräteformen sowie die Herausstellung von regionalen Unterschieden. Der Vortrag stellt ein im Jahr 2002 begonnenes Dissertationsvorhaben vor, das sich diesem Fundmaterial und den damit verbundenen Fragestellungen widmet.

 

 

Reinhard Lampe, Greifswald: Rapider Wandel des südbaltischen Küstenraumes – Verlauf und Auswirkungen der spätglazialen und holozänen Wasserspiegelschwankungen.

Postglaziale Wasserspiegelvariationen im vorpommerschen Küstenraum setzten unmittelbar nach der Deglaziation mit der Bildung präböllingzeitlicher Eisstauseen mit Wasserspiegellagen bei etwa +20m ein (alle Angaben sind auf heutigen Meeresspiegel bezogen). Infolge des Eisrückzuges, der Absenkung der Seespiegel und damit der Erosionsbasis schnitten sich zweimal während des Spätglazials und des Frühholozäns die Küstenflüsse kerbtalartig ein. Diese Phasen können mit einer Wasserspiegelschwankung des Baltischen Eisstausees und mit seiner finalen Absenkungen zum Yoldia-Meer auf –40m parallelisiert werden. Zwischen diesen beiden Tiefständen stieg der Wasserspiegel bis etwa –10m an.

Die ersten marinen Sedimente, die im heutigen Küsteraum bei ca. –18 bis –15 m auftreten, wurden nach 7800 BP abgelagert. Der Höhepunkt der ersten Littorina-Transgressionsphase wird um 5800 BP bei etwa –1,5m erreicht, wofür es inzwischen auch gut datierte archäologische Hinweise gibt. Der Ostseespiegel hätte damit aber rund. 5m höher gelegen als der zeitgleiche Nordseespiegel, was als Hinweis auf  synchrone isostatische Bewegungen anzusehen ist. Für die Zeit nach 5800 BP lässt sich die Meeresspiegelentwicklung aus Sedimentserien der Küstenüberflutungsmoore mit hoher Auflösung rekonstruieren. Es kann gezeigt werden, dass bis zur Gegenwart nur wenige, geringfügige Schwankungen stattfanden, die sich mit überregionalen Klimaschwankungen korrelieren lassen.

Während des rapiden Transgressionsfortschritts bis 5800 BP kam es zu einem schnellen Ertrinken der Landschaft, einer weit in die Unterläufe der Küstenflüsse hineinreichenden Verbrackung, zur zeitweisen Bildung eines Archipels sowie zur submarinen Auffüllung der glazial angelegten  Depressionen. In dem Maße, wie sich die Rate des Meeresspiegelanstiegs verringerte, wuchsen auch die subaerischen Küstenausgleichsbildungen. Mit dem Ende der ersten Littorina-Transgression ging deshalb die schnelle Bildung von Haken und Nehrungen einher, die die heutigen Boddengewässer von der Ostsee weitgehend isolierten. Bereits mit der Entstehung der ersten Überwasserbauformen kam es zur Bildung von Dünen, die deutlich unter dem heutigen Meeresspiegel ansetzen.

Der weitere, stark verlangsamte Meeresspiegelanstieg führte zur Progradation und Elongation der Küstenausgleichsbildungen, verbunden mit der Ausweitung der Dünengürtel. Etwa um 1000 BP setzte erneut eine Phase schnelleren Meeresspiegelanstiegs ein, die mit einem stärkeren Rückgang der Küstenlinien, der Entstehung transgressiver Dünen, der endgültigen Schließung der Nehrungen und einem schnellen Wachstum der Küstenüberflutungsmoore verbunden war. Dieser Anstieg wurde durch eine Retardation oder Regression während der Kleinen Eiszeit unterbrochen, während der sich in den Küstenmooren Torfdegradationshorizonte bildeten. Diese jüngste Anstiegsphase verursachte außerdem beschleunigte Anpassungstendenzen der Küstenlinie, was teilweise mit der Auflösung alter und dem Aufbau neuer Ausgleichsformen verbunden war und ist.

 

 

Martin Langanke, Erlangen: Wissenschaftstheoretische Untersuchungen zur Datierungskontroverse um Neumark-Nord.

Wissenschaftstheoretisch fundierte und entsprechend grundlagentheoretisch ausgerichtete Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit von Datierungsverfahren in der Quartärforschung liegen bislang nicht vor. Solche Untersuchungen könnten jedoch bei der Beurteilung der Verlässlichkeit konkreter relativ-chronologischer oder numerischer Alterseinstufungen helfen.

Im Rahmen eines von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsvorhabens hat der Referent die Datierungskontroverse um das Interglazial von Neumark-Nord zum Anlass genommen, einzelne relative und numerische Altersbestimmungsverfahren aus genuin methodologischer Sicht zu evaluieren. Es sollen erste Ergebnisse des Projektes vorgestellt werden.

 

 

Thomas Laurat und Enrico Brühl (unter Beteiligung von Dietrich Mania), Jena: Neue archäologische Untersuchungen im Tagebau Neumark-Nord – Die Fundstellen

NN 3 und NN 2 (Alt- und spätes Mittelpaläolithikum).

Die Fundstelle Neumark-Nord bei Frankleben, Kr. Merseburg-Querfurt (Sachsen-Anhalt) ist der Fachwelt schon seit längerem durch die Untersuchungen eines präeemzeitlichen Seebeckens mit Aufenthaltsplätzen des frühen Menschen bekannt (Fundstelle Neumark-Nord 1), die seit 1986 von D. Mania in interdisziplinärer Zusammenarbeit geleitet werden. Das Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt beteiligt sich seit Juli 2003 erneut mit archäologischen Grabungen im Tagebau Neumark-Nord an diesen Forschungen. Diese Untersuchungen betrafen zunächst eine Fundstelle im sog. Körbisdorfer Schotter (Fundstelle Neumark-Nord 3). Dieser Flussschotter liegt stratigraphisch unterhalb der Saalegrundmoräne. Bereits 1922 erfolgte aufgrund von Funden der Flussmuschel Cobicula fluminalis eine holsteinzeitliche Einstufung. Während der laufenden archäologischen Untersuchung wurden 20m² des Schotters untersucht. Dabei konnten Artefakte altpaläolithischen Charakters entdeckt werden, die vorwiegend basisnah liegen. Aus den selben Abschnitten des Schotterkörpers stammen Reste von C. fluminalis. Im Sinne einer feinstratigraphischen Untergliederung des Pleistozäns wird dieser Schotter einem Interglazial vor dem Saaleglazial zugewiesen und mit der Terrasse von Bilzingsleben II gleichgesetzt.

Weitere Untersuchungen betrafen den Uferrand eines Seebeckens frühweichselzeitlicher Stellung, welches durch M. Thomae und D. Mania bereits 1998 während Sanierungsarbeiten im Böschungsbereich des Tagebaus entdeckt wurde (Fundstelle Neumark-Nord 2). Von dieser Fundstelle wurden bis Ende 2003 rund 150m² ausgegraben und dabei rund 3.000 Fundobjekte geborgen. Diese entfallen je zur Hälfte auf Knochen und steinerne Artefakte. Die Artefakte zeichnen sich durch einen hohen Anteil an bifaziellen Geräten – Keilmessern, Blattspitzen, blattförmigen Schabern, Fäusteln und Schabern aus. Auffällig ist vor allem die geringe Dimension der Artefakte. Die Geräte sind überwiegend zwischen 3 und 5cm groß, das größte bisher geborgene Gerät ist knapp 8cm lang. Offensichtlich waren die Geräte zur Schäftung mit organischen Materialien gedacht, zumal einige Stücke nur als Einsatzschneiden nutz- und handhabbar waren. Eine bestimmte Vorauswahl der Rohmaterialien ist nicht erkennbar. Der frühe Mensch von Neumark-Nord verstand es geschickt, auch Rohstücke geringer Qualität zu nutzen. Die Dominanz von Trümmern als Ausgangsstücke für die Geräteproduktion korrespondiert dabei zu Befunden anderer Keilmesserfundstellen. In diesem Kontext steht auch der Fakt, dass am Fundplatz bisher keine echte Grundformproduktion nachzuweisen ist. Das überwiegende Abschlagmaterial stellt Retuschierabfälle dar.

Eine kulturelle Zuordnung ist bisher schwierig. Grundsätzlich lassen sich Ähnlichkeiten zu den Fundstellen vom Gamsenberg bei Oppurg und von Buhlen feststellen. Zudem liegen besonders in Bezug auf die Gerätetypen wie auch die Typenzusammensetzung des Inventars deutliche Ähnlichkeiten zur Wolgograd(Stalingrad)-Gruppe des östlichen Micoquien in Russland und auf der Krim vor.

 

 

Stefan LOEW, Köln: Korrespondenzanalyse und Behausungsstrukturen – Siedlungs-analyse des Federmesser-Fundorts Rüsselsheim 122.

Der Fundplatz Rüsselsheim 122 liegt am unteren Main und wurde 1989/90 in einer Notgrabung von Lutz Fiedler (Landesamt f. Denkmalpflege Hessen) ausgegraben. Neben dem Fundplatz Mülheim-Dietesheim ist er einziger Referenzpunkt der endglazialen Besiedlung in der Rhein-Main-Region. Anhand des in der Fundschicht eingelagerten Laacher-See-Tuffs kann die Besiedlung von Rüsselsheim 122 exakt dem Ende der Allerödzeit zugewiesen werden und liegt damit zeitgleich zu den Federmesser-Fundplätzen des Neuwieder Beckens.

Eine Besonderheit des Rüsselsheimer Befundes ist die Vielfalt der für die Artefaktherstellung verwendeten Rohmaterialien (17 verschiedene Rohmaterialgruppen), die eine detaillierte Untersuchung der Bearbeitungstechnik, aber auch differenzierte räumliche Vergleiche der Fundverteilungen zulässt. Dieser Umstand und die Dokumentation des Fundplatzes in Einsechzehntel-Quadraten bieten eine gute Ausgangslage für eine Siedlungsanalyse mit Hilfe statistischer Verfahren.

Die Siedlungsanalyse konzentrierte sich bisher auf die Suche nach Behausungsstrukturen. Ausgangshypothese der Untersuchung ist die Existenz des sog. „Barriereeffekts“, der bewirkt, dass Zelt- oder Hüttenwände sich in Artefaktverteilungen durchpausen, indem sie deren räumliche Verteilung begrenzen. Weiterhin wurde davon ausgegangen, dass bestimmte Fundkategorien aufgrund ihrer spezifischen Rolle im Siedlungsalltag den Innenraum einer Behausung eher nachzuzeichnen vermögen als andere. Diese Fundkategorien müssten separat kartiert werden, um einen Behausungsgrundriss abzubilden. Sie würden sich durch eine außerordentliche Ähnlichkeit in der Fundverteilung zu erkennen geben.

Um Fundverteilungen großer Ähnlichkeit objektiv erkennen zu können, wurden die Häufigkeiten der einzelnen Fundkategorien pro Sechzehntelquadrat in Korrespondenzanalysen miteinander verglichen. Die in Korrespondenzanalysen verwendete Chi-Quadrat-Statistik nimmt einen mehrfach gewichteten Vergleich der Mengenverteilungen in den Quadraten vor und entzieht sich so der in vielen statistischen Verfahren vorgegebenen Prämisse einer Normalverteilung, die archäologischen Befunden nicht gerecht würde. Damit wird ein objektiver Ähnlichkeitsvergleich zwischen Fundkategorien ermöglicht, der unabhängig vom Auge des Betrachters ist.

Die Korrespondenzanalyse der Variable „Abbauprodukte“ zeigte schließlich im Diagramm des 1. und 2. EV ein Cluster aus fünf Fundkategorien, deren Fundverteilungen einander sehr ähneln. Diese Kategorien wurden aufeinander addiert und mit Hilfe des Interpolationsverfahrens Kriging kartiert.

Das Ergebnis zeigt eine Artefaktverteilung quadratischen Umrisses mit symmetrisch gelegener Öffnung im Südwesten. Sowohl Verbindungslinien von Artefaktzusammenpassungen als auch weitere Fundverteilungen berücksichtigen diese Struktur, bei der es sich um einen Zeltgrundriss handeln kann.

 

 

Harald Lübke, Lübsdorf: Submarine Forschungen zur Steinzeit in der Wismarbucht.

Seit 1998 konnte das ALM/LBD MV in der Wismarbucht zahlreiche neue Fundstellen des Spät- und Endmesolithikums zwischen 6000 und 4000 vor Christus nachweisen. Auf einigen der neu entdeckten Stationen sind insbesondere für organogene Kulturreste ausgezeichnete Erhaltungsbedingungen anzutreffen. Sie zeigen, dass in der Wismarbucht ähnlich wie in vergleichbaren Regionen in Südskandinavien in dieser Zeit eine zunehmend intensivere Küstennutzung stattgefunden hat. Die steinzeitlichen Fundstellen liefern aber nicht nur für die Rekonstruktion der Kulturgeschichte des südwestlichen Ostseegebietes wichtige Daten, sondern auch wichtige Hinweise für die regionale Entstehungsgeschichte der Ostsee. Der Vortrag gibt einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand.

 

 

Luc Moreau, Tübingen: Das Gravettien des Geissenklösterle: technologische Untersuchung der Steinindustrie

Bei seinen Untersuchungen zur Charakterisierung des Donau-Gravettiens in Hinsicht auf die westlichen (Périgordien supérieur Va) und östlichen (Willendorfien-Pavlovien) Einflüsse, hat bereits J.K. Kozlowski (1986; 1991) auf die mangelnde Präzision bei der typologischen Einordnung der süddeutschen Gravettien-Fundstellen in ein „mittleres Jungpaläolithikum“ hingewiesen. Klima (1968) hatte sie aufgrund der nach „Kostienki-Technik“ bearbeiteten Klingen in den Weinberghöhlen bei Mauern und dem Abri I im Dorf Neu-Essing bei Kelheim dem mährischen Gravettien (Pavlovien) zugewiesen. Was durch das Vorkommen von „fléchettes“  in den Weinberghöhlen und den Höhlen des Achtals Bestätigung fand, jedoch angesichts der im Inventar nachgewiesenen westlichen Komponente relativiert werden muss.

Die Rohmaterialbeschaffung in Richtung Bayern (Scheer, 1993; Burkert, 2001) neben der Verbreitung von tropfenförmigen Elfenbeinanhängern in den Fundstellen entlang der Donau-Achse (Otte, 1981; Scheer, 1985) sind bis heute die einzigen Hinweise auf mögliche Wechsel-beziehungen mit den Gruppen des mittleren Donau-Gebiets (Österreich, Tschechien).

Vor diesem Hintergrund soll die Untersuchung der Geissenklösterle-Steinindustrie im analyti-schen Rahmen der „chaîne opératoire“ zu einer besseren Kenntnis der Geräteherstellung in Zusammenhang mit der Rohmaterialbeschaffung beitragen, und Aussagen zum technologischen Verhalten der Urmenschen des Achtals zwischen 29 und 27 ka ermöglichen.

 

 

Philip R. NIGST, Wien: Ein gravettienzeitlicher Behausungsgrundriss aus Grub/Kranawetberg (Österreich).

In dem Vortrag werden erste Beobachtungen zur räumlichen Organisation der gravettienzeitlichen Fundstelle Grub/Kranawetberg vorgestellt. Der Fundplatz Grub/Kranawetberg stellt mit seinen relativ gut erhaltenen, modern gegrabenen und dokumentierten Siedlungsstrukturen (evidente und latente Strukturen) einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der räumlichen Organisation gravettienzeitlicher WildbeuterInnenlager dar.

In der analysierten Fläche sind evidente Befunde vorhanden: eine Feuerstelle und 16 Gruben. Die Gruben sind um die Feuerstelle gruppiert. Einzel- und Mengenkartierungen und Analysen mittels der Ring and Sector method zeigen eine deutliche Konzentration der einzeln eingemessenen Fundobjekte direkt um die Feuerstelle. Ein zweiter Konzentrationsbereich konnte in einer Distanz von etwa 2 bis 3 Meter um die Feuerstelle festgestellt werden. Diese Konzentration kann als eine Abfallakkumulation entlang einer Barriere (Behausungswand) interpretiert werden. Über 3 Meter von der Feuerstelle entfernt, wurden fast keine Fundobjekte in der analysierten Fläche dokumentiert. Beim derzeitigen Bearbeitungsstand wird eine (polygonale ?) Behausung mit einer Feuerstelle im Zentrum als Erklärungsmodell für die festgestellten Muster vorgeschlagen.

Ein Vergleich mit anderen gravettienzeitlichen Behausungsgrundrissen zeigt, dass die Behausung in Grub/Kranawetberg sowohl von der Größe als auch von der Verteilung der evidenten Strukturen im Rahmen der in das Gravettien datierenden Behausungen liegt.

 

Literatur:

Nigst, P. R., 2003: Fundverteilungen um Feuerstellen, die Ring and Sector Method und Grub/Kranawetberg: Eine Studie zur Analyse latenter Strukturen altsteinzeitlicher WildbeuterInnenlager, unpublizierte Diplomarbeit, Universität Wien.

-, im Druck: Ein Behausungsgrundriss aus Grub/Kranawetberg? Erste Beobachtungen zur räumlichen Organisation der Gravettien-Fundstelle Grub/Kranawetberg (Österreich), Archäologisches Korrespondenzblatt.

 

 

Philip R. NIGST, Wien: Neue Forschungen in Willendorf II. Vorbericht über die Arbeiten an „neuen" alten Funden der Kulturschicht 3 (frühes Aurignacien).

Das Fundinventar von Willendorf II, Schicht 3, gehört zu den wenigen Inventaren des frühen Aurignacien in Zentraleuropa. Die 14C-Daten stellen das Fundmaterial in den Zeitraum zwischen 39 und 38 ka BP. Bekannt sind die 31 inventarisierten Fundobjekte der Prähist. Abt. des Naturhist. Museums in Wien. Aus Depotbeständen sind jedoch vor einiger Zeit etwa 400 weitere Steinartefakte aus der Grabung 1908 (Originalverpackung) aufgetaucht. Unter diesen „neuen“ alten Funden sind nur wenige chronologisch aussagekräftige Typen; das Hauptaugenmerk der neuen Arbeiten liegt in technologischen Analysen und Aussagen zu den Ressourcennutzungsstrategien.

Präsentiert werden die „neuen“ Funde, eine aktualisierte Typenliste und erste Aussagen zu Technologie und Rohmaterialnutzung.

 

Literatur:

Nigst, P. R., im Druck: „Neue“ alte Funde aus Willendorf II, Schicht 3, Archäologie Österreichs.

 

 

Clemens Pasda, Jena: Höhlen - und Abrinutzung in Westgrönland – Der Abschlußbericht.

Das Inland von Westgrönland wird von Menschen seit 4.000 Jahren zur sommerlichen Rentierjagd aufgesucht. Hierdurch entstanden unterschiedliche Fundstellentypen in Form großer und kleiner Freilandlagerplätze, Zelthäuser und -ringe, Depots, hunting-drives u.ä., die in einem bestimmten Muster in der Landschaft vorkommen. Das reiche ethnographische und -historische Quellenmaterial sowie die Ergebnisse früherer archäologischer Untersuchungen zeigen die Entstehung dieser Fundlandschaft unter dem Einfluss von Klima- und Ressourcenschwankungen, regionale Abhängigkeiten und Einflüssen der globalen (Kolonial-) Geschichte. Dies äußert sich in Unterschieden in Gruppengröße, -zusammensetzung und -herkunft sowie Mobilität und Jagdmethoden der das Inland aufsuchenden Menschen. Vor diesem Hintergrund wurden hier von 1999-2003 in Zusammenarbeit mit der Abteilung SILA des Dänischen Nationalmuseums die von Menschen genutzten Höhlen und Felsüberhänge untersucht. Dies geschah durch Surveys mit Dokumentation der archäologischen Funde und Befunde.

Aus der Sicht des Archäologen zeichnen sich die genutzten Höhlen und Felsüberhänge durch folgende Eigenschaften aus: Sie sind im Gegensatz zu Freilandfundplätzen selten, treten wie diese jedoch an bestimmten Stellen der Fundlandschaft auf. Ihr natürlich geschützter Raum ist klein, der von Menschen darin genutzte Teil noch kleiner. Letzterer ist durch einfache, rechteckige bis rundliche, aus Steinen und Grassoden gebaute Mauern fassbar. Artefakte fehlen dagegen. Tierknochen treten selten auf. Der Aufbau der Strukturen zeigt Instandhaltung ohne Veränderung der Form.

Die ethnographischen und –historischen Quellen zeigen, welches menschliche Verhalten zur  Entstehung dieser Fundstellen führte: Höhlen und Felsüberhänge wurden von mobilen Kleinstgruppen nur kurzfristig zum Ausruhen und Übernachten aufgesucht. Die Strukturen waren vor allem ein Windschutz zur Konservierung von Körperwärme. Namen für solche Lokalitäten zeigen, dass Höhlen und Felsüberhänge in Raum und Zeit fixierte Plätze waren, die nicht zufällig aufgesucht, sondern immer wieder während der Hin- und Rückreise vom Fjord ins Jagdgebiet bzw. während der Jagd im eisrandnahen oder höher gelegenen Hinterland genutzt wurden. Die Instandhaltung ohne Veränderung der Struktur legt wiederkehrende Aufenthalte in Höhlen und Felsüberhängen in gleicher Funktion nahe. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu einigen Fundstellentypen im Freiland, die oft Umbauten und damit einen Funktionswandel in ihrer Nutzungsgeschichte zeigen. Dieser Funktionswandel hängt wahrscheinlich mit den erwähnten Wechseln menschlicher Inlandnutzung zusammen, die sich damit - soweit ohne Ausgrabung feststellbar - nicht in Höhlen und Abris dokumentieren lassen. Die Befunde in Höhlen und Felsüberhängen ähneln allerdings einem anderen Fundstellentyp im Freiland, dem sog. hunters´ bed, das in ähnlicher Funktion genutzt wurde und auch an gleichen Stellen in der Fundlandschaft auftritt. Damit zeigt sich auch für Westgrönland, dass eine Gesellschaft/Kultur ihren Raum sowohl in Höhlen als auch im Freiland gleich strukturiert, sich aber durch diese Raumwahrnehmung von zeitgleichen anderen Kulturen unterscheidet.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen in Westgrönland einen deutlichen Zusammenhang zwischen Aktion menschlicher Kultur der Vergangenheit (kurzfristiger Aufenthalt weniger Personen während einer Reise bzw. einer Jagdexpedition) und ihren heute erkennbaren archäologischen Konsequenzen. Damit lässt sich auch eine neue Art des Aufenthalts in Höhlen und Felsüberhängen beschreiben, womit unsere Vorstellung vom Leben unter kalten Klimabedingungen um eine weitere Variante erweitert werden kann. Befunde und Funde aus Höhlen und Felsüberhängen dokumentieren allerdings nur einen Ausschnitt menschlicher Lebensweise, die in ihrer Gesamtheit und Vielfalt nur unter Einbeziehung aller archäologischer Quellen zu verstehen ist. Stimmt die Annahme von kulturspezifischem Verhalten, das sich auch in der Raumstrukturierung widerspiegelt, sei auf Gefahren bei der Übertragung, Interpretation oder Wertung von diachronen Vergleichen von Befunden und Funden verwiesen.

 

Literatur:

C. Pasda: Die urgeschichtliche Fundlandschaft: Zeugnis einer Kulturlandschaft – Ergebnisse der Surveys im Inland von Westgrönland 1999-2000. – Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 43, 2002, 323-376.

C. Pasda: Hotel Grönland – Human use of caves and rockshelters in West Greenland (press in prep.) manuscript 2003: 51 pp. + 34 fig., 2 tab.

 

 

Svea Rathje, Kiel: Die Steingeräte von Timmendorf-Nordmole.

Von 2000 bis 2002 wurde der endmesolithische Fundplatz Timmendorf-Nordmole in der Wismarbucht durch das Archäologische Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern durch Ausgrabungen untersucht. Die dabei geborgenen Steinartefakte wurden im Rahmen einer Diplomarbeit an der Christian-Albrechts-Universität Kiel analysiert und mit dem Fundmaterial zeitgleicher Siedlungsplätze der jüngeren Ertebölle-Kultur in Schleswig-Holstein und Dänemark verglichen. Der Vortrag stellt erste Ergebnisse dieser Arbeit dar.

 

 

Wilfried Rosendahl, Mannheim, Bettina Wiegand, Peter Nordhoff und Dominik Christ, Göttingen, Brigitte Kaulich, Erlangen: Datierungen an Speläo-themen aus der Höhlenruine Hunas/Ldkr. Nürnberger Land – Daten und Interpreta-tionen.

Die Höhlenruine Hunas wurde im Mai 1956 durch den Erlanger Paläontologen Florian Heller in einem Steinbruch oberhalb des zu Hartmannshof gehörenden Weilers Hunas am Osthang des Steinberges entdeckt. Eine erste Grabungsphase unter der Leitung von F. Heller fand von Herbst 1956 bis Sommer 1964 statt. Nach einer längeren Unterbrechung wurden die Grabungen im Jahr 1983 südwestlich zur Profilabfolge von Florian Heller wieder aufgenommen und bis heute in jährlichen Kampagnen unter Leitung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg fortgeführt.

Im Basisbereich des letzten Profilabschnittes der Grabung Heller wurde am Ende der Hellerschen Grabungskampagne eine Sinterlage angetroffen, von welcher in den 1970er Jahren G. J. Hennig aus Köln (Institut für Kernchemie) im Rahmen einer Dissertation ein Stück mit der konv. U/Th-Methode auf 230 ka (HUNAS Nr. 477) datierte (Hennig 1979). Die gleiche Analyse wurde in Henning et al. (1983) mit dem Datum  221 +52/-34 ka und in Brunnacker (1983) mit dem Datum 260  +60/-40 ka genannt.

Da eine Probendokumentation sowie eine Probenrückstellung der ersten datierten Sinterprobe aus Hunas nicht erfolgt sind, ist eine Überprüfung der Position der Sinterlage zu den Profilschichten sowie neue Analysen an der Probe nicht mehr möglich.

In der Grabungssaison 2002 konnte an der Basis des neuen Grabungsprofils eine Tropfsteinlage freigelegt werden, die die Sedimentabfolge unterlagert. Hiermit bot sich nun erstmals wieder die Gelegenheit, die Basis der Schichtenfolge mit neuen Methoden zu datieren. Im Herbst 2002 wurde dazu ein Stalagmit (HUSi2) zur Datierung mit der TIMS-U/Th-Methode entnommen.

Entgegen aller Erwartungen, wurde für Basis und Top des Stalagmiten HUSi2 im Sommer 2003 ein oberpleistozänes Alter (OIS 5) ermittelt. Die Daten sind stimmig und an der Probe begleitend durchgeführte geochemische Analysen bestätigen, dass die Daten aus methodischer Sicht keine Einschränkung erfahren. Zur weiteren Absicherung des neuen Basisalters für die Schichtenfolge von Hunas wurde Ende 2003 ein zweiter Stalagmit (HUSi3) aus der gleichen Schicht wie Probe HUSi2 datiert. Das im Januar ermittelte Datum bestätigte das oberpleistozäne Alter.

Die neuen Altersdatierungen machen es notwendig, bestehende Interpretationen zu überprüfen bzw. ganz neue Überlegungen, vor allem hinsichtlich bisheriger quartärpaläontologisch-stratigraphischer Sichtweisen, anzustellen.

 

Literatur:

Brunnacker, K. 1983: Die Sedimente der Höhlenruine von Hunas. - Quartär-Bibliothek, 4, S. 53-89; Bonn.

Hennig, G.J. 1979: Beiträge zur Th-239/U-234-Alterbestimmung von Höhlensintern sowie ein Vergleich der erzielten Ergebnisse mit den anderer Absolutdatierungsmethoden. - 171 S., Diss. Inst. für Kernchemie Univ. Köln; Köln

Hennig, G.J., Grün, R. & Brunnacker, K. 1983: Speleothems, Travertines, and Paleoclimates. – Quaternary Research, 20, S. 1-29; Washington.

 

 

Joachim Schäfer, Uli Bauer, Keith Huswell und Reinhold Schulz, Berlin: Heißer gegessen als gekocht? Eine kritische Bestandsaufnahme genetischer Forschungen zur Abstammung des Menschen.

Der Wechsel vom Neanderthaler zum anatomisch modernen Menschen und der Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum vor etwa 40.000 Jahren wird beinahe seit Beginn der urgeschichtlichen Archäologie kontrovers diskutiert.

Bisweilen gewinnt man den Eindruck, dass Paläontologen und Archäologen, die ihre Aufgabe früher darin sahen, Siedlungsverhalten und Abstammungsfragen der Menschheit aus ihren Disziplinen heraus zu beantworten auf den vorbeirauschenden Zug der Genetik aufgesprungen sind ohne die Ergebnisse der Genetik zu überprüfen. Vor dem Hintergrund einer traditionsgemäß interdisziplinär betriebenen Eiszeitarchäologie wurde am Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Humboldt-Universität Berlin deshalb im Rahmen einer Lehrveranstaltung geprüft, inwieweit die Ergebnisse der Genetik zu Fragen der Abstammung des Menschen fundiert sind.

Der Beitrag der Molekularbiologie stützt sich auf die Überlegung, dass genetische Strukturen im Verlauf der Phylogenese berechenbaren Veränderungen unterliegen. Untersuchungsgegenstand sind vornehmlich hypervariable Regionen (HvR) der MtDNA. Methodisch werden zwei Wege beschritten: eine Analyse von DNA-Sequenzen rezenter Menschen und eine begrenzte Untersuchung fossiler DNA.

Die Kritik der Vortragenden bezieht sich auf die für eine Beweisführung als notwendig erachteten klar umrissenen Voraussetzungen, auf den Beweis bzw. die Ergebnisse und auf die in der Sekundärliteratur formulierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen:

1. die Selektionsneutralität der HvR,

2. die Kontinuität der Mutationsrate,

3. die korrekte Identifikation fossiler DNA und fossiler Mutationen,

4. die Zuverlässigkeit der labortechnischen Analysen (PCR),

5. die zu große Zeitspanne von 4-8 Ma zur Eichung der molekularen Uhr,

6. die MtDNA ist stellvertretend für die gesamte DNA,

7. fossile Neandertaler MtDNA kennzeichnet Speziesunterschiede zum anatomisch modernen Menschen,

8. die Reduktion des Menschen und seiner Kulturen auf DNA-Sequenzen.

Unsere Recherchen führten zu einem in seiner Deutlichkeit überraschendem Ergebnis, dass der mikrobiologischen Forschung bezüglich ihrer Ergebnisse zur Abstammung des Menschen keinesfalls der Stellenwert beizumessen ist, der ihr in der Populärwissenschaft und auch von Fachkollegen zugewiesen wird. Hervorzuheben ist aber auch, dass in der Primärliteratur die Ergebnisse zur Abstammungsgeschichte des Menschen sehr viel vorsichtiger formuliert sind als in der Sekundärliteratur und der Populärwissenschaft. Zu kritisieren ist insbesondere dass genetische Ergebnisse zu unbegründeten weiterführenden Schlussfolgerungen führen. Wir möchten aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Molekularbiologie hilfreiche Informationen zu den Quartärwissenschaften beisteuern kann.

 

 

Ulrich Schmölcke, Kiel: Neue Forschungen zu Faunenresten steinzeitlicher Fundplätze an der südlichen Ostseeküste.

In den letzten Jahren beleuchteten neue archäologische Ausgrabungen sowohl auf ostholsteinischer als auch auf westmecklenburgischer Seite der Mecklenburger Bucht wie auch auf Zentralrügen die Siedlungstätigkeit der Menschen zur Zeit der letzten Phase der Littorina-Transgression, das heißt während der Erteböllekultur des ausgehenden Atlantikums. Besonders umfangreich ist das Fundmaterial vieler Plätze insbesondere im Falle der Wirbeltierreste. Beispielsweise konnten vom Fundplatz Timmendorf-Nordmole allein 22 000 Fischknochen bestimmt werden, und aus Neustadt liegen bereits über 1 000 tierartlich zugeordnete Säugetierreste vor. Für alle genannten Fundplätze dauern die archäozoologischen Bestimmungen und die sich daran anschließenden paläoökologischen sowie paläoökonomischen Auswertungen noch an, sodass in diesem Vortrag nur ein erster grober Überblick und Einschätzungen in summarischer Form gegeben werden können.

 

 

Michael Seiler und Thomas Terberger, Greifswald: Neue interdisziplinäre Forschungen auf steinzeitlichen Fundplätzen der Insel Rügen.

Im Rahmen der DFG-Forschergruppe Sincos werden vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Universität Greifswald in Kooperation mit dem Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Grabungen an steinzeitlichen Fundplätzen auf Rügen und auf dem angrenzenden Festland durchgeführt (TERBERGER/ SEILER in Druck). Ziel der Arbeiten ist es, an z. T. seit dem frühen 19. Jh. bekannten Fundstellen gut stratifiziertes Fundmaterial für archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen sowie Einblicke in die Befundsituation zu erhalten.

Der am Strelasund gelegenen Fundstelle Parow kommt eine wichtige Rolle in der Diskussion um die Neolithisierung in Vorpommern zu, da nach den bisherigen Sammelfunden sowohl eine endmesolithische als auch eine frühneolithische Fundschicht repräsentiert sind. Die Bedeutung des Platzes im 5. Jahrtausend wird auch durch Importfunde aus neolithisierten Gebieten unterstrichen. Die Ergebnisse einer ersten Sondierung werden vorgestellt.

Am bekannten Fundplatz Lietzow-Buddelin (Saiser 1) ist es mit Grabungschnitten gelungen neue Erkenntnisse zur Stratigrafie, Größe und Struktur des wichtigen erteböllezeitlichen Küstensiedlungsplatzes zu gewinnen. Durch die Grabungen lassen sich drei 14C-datierte Hauptfundschichten fassen. Neben zahlreichen Steinartefakten sind die guten Erhaltungsbedingungen in Holz-, Knochen- und Geweihartefakten hervorzuheben. Die gesamte Kulturschicht mit einer Mächtigkeit von ca. 1,1 m ist offensichtlich innerhalb relativ kurzer Zeit zwischen ca. 4500 und 4100 v.Chr. entstanden. Die Faunenreste sprechen für eine wichtige Rolle von Robben- und Fischfang, bislang lassen sich nur mit der Pollenanlyse erste Anzeichen für Haustierhaltung zum Ende des 5. Jahrtausends fassen. Zugleich konnten mit Bohrungen neue Erkenntnisse zur topografischen Lage des Platzes und des Meeresspiegelanstiegs dieser Zeit gewonnen werden.

 

Literatur:

T. Terberger, M. Seiler, Flintschläger und Fischer - Neue interdisziplinäre Forschungen zu steinzeitlichen Siedlungsplätzen auf Rügen und dem angrenzenden Festland. Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 2004, im Druck).

 

 

Martina Sensburg, Köln: Räumliche Organisation und „Verhaltensstandardisierung“ in magdalénienzeitlichen Basislagern am Beispiel der Konzentration IIa von Gönnersdorf.

Aus den bisherigen Arbeiten zu den Siedlungsstrukturen der Konzentrationen I, III und IV (im folgenden K I, K III, etc.) von Gönnersdorf war zuletzt ein sehr komplexes Besiedlungsmodell für die magdalénienzeitliche Siedlung entstanden. Demnach handelte es sich um ein von verschiedenen Menschengruppen mehrfach aufgesuchtes Basislager. Zwei feste Behausungen (K I, K III) und ein trapezoides Stangenzelt (K IV) wurden nach Aussage der Tierknochen jeweils im Winter, eine weitere Konzentration (IIa) im Sommer besiedelt. Zumindest für die beiden Konzentration III und IV wurde jeweils eine zweite Besiedlungsphase angenommen, die jedoch dann unter freiem Himmel stattfand.

Eine umfassende Untersuchung der Siedlungsstrukturen von K IIa stand bis zuletzt noch aus. Frühere Arbeiten hatten sich lediglich mit Teilaspekten der Konzentration beschäftigt. Es wurde aber bereits seit Abschluss der Ausgrabungen vermutet, dass es sich ebenfalls um die Überreste einer ehemaligen Behausung handelte. Diese Vermutung konnte nun im Rahmen einer Dissertation an der Universität Köln bestätigt werden. Hingegen erwies sich die früher wiederholt geäußerte Hypothese, dass auch Konzentration IIa mehrfach besiedelt worden sei, als mit den aktuellen Ergebnissen unvereinbar. Zur Unterstützung der genannten Hypothese wurden verschiedene Argumente, wie z.B. die Ausdehnung des Gesamtbefundes, der Umfang des Werkzeuginventars und nicht zuletzt anscheinend gestörte und überprägte Artefaktverteilungen herangezogen.

Die eingehende Untersuchung der Siedlungsstrukturen von K IIa, bei der ein bedeutend höherer Grad der Befundauflösung erreicht werden konnte, als dies in Gönnersdorf bisher der Fall war, ergab jedoch ein völlig anderes Bild. Gerade die Verteilungsmuster der Silexwerkzeuge zeugen von ungestörten Verhältnissen, von einer genau festgelegten räumlichen Organisation und einem standardisierten Ablauf alltäglicher Arbeiten, sowohl im Inneren der Behausung als auch auf dem Vorplatz. Innerhalb der Behausung konnten u.a. spezielle Arbeitsbereiche identifiziert werden, die sich jeweils um drei aufeinander folgende Feuerstellen herum anordnen. Diese Arbeitsbereiche werden jeweils durch unterschiedliche Werkzeugtypen dominiert, sodass sich zusammen mit der chronologischen Abfolge der Feuerstellen auch eine Abfolge unterschiedlicher Tätigkeiten ergibt.

Die standardisierte Organisation der Behausung von K IIa und ihres Umfeldes ist auf ein gleichermaßen standardisiertes Verhalten zurückzuführen. Anstelle des Begriffs der Verhaltensstandardisierung ließe sich besagtes Phänomen wahrscheinlich treffender mit „Traditionsüberlieferung“ umschreiben. Dies erscheint der Verfasserin als ein zentrales Ergebnis ihrer Untersuchungen, da sich überlieferte Traditionen mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den anderen Konzentrationen von Gönnersdorf niedergeschlagen haben. So bietet Konzentration IIa die große Chance auch bei zukünftigen Untersuchungen als „Vergleichsmuster“ Anwendung zu finden. Während ihrer umfangreichen Vorarbeiten stellte die Verfasserin bereits in Ansätzen fest, dass u.a. der Aufbau, die Innenarchitektur und die Dimensionen der K I von Gönnersdorf mit denen der K IIa identisch sind.

Die Konzentration IIa von Gönnersdorf nimmt nicht nur räumlich gesehen eine zentrale Stellung innerhalb des Fundplatzes ein. Sie kann sowohl als Schlüssel zur Gesamtinterpretation der Gönnersdorfer Siedlung, als auch zum besseren Verständnis anderer magdalénienzeitlicher Basislager betrachtet werden.

 

 

Lasse SÖrensen, Kopenhagen: Alyst – a settlement complex from the Maglemose Culture on Bornholm, Denmark. Preliminary results based on unconventional excavation methods.

The preliminary results from Bornholms Museum excavation campaign of the Maglemose settlement complex at Alyst will be presented. The investigation differs from other Mesolithic excavations in Denmark, as the excavation method is unconventional. The topsoil was removed using a catarpillar and the settlement area was excavated in full square meters. The achieved results show a settlement complex with at least 18 flint concentrations and two huts. It is argued that Mesolithic living and activity areas on Alyst, and in general, seems to be much more widespread than expected, containing a complex of many several smaller or larger settlements.

A preliminary interpretation of the internal structure on Alyst is given, dividing the flint concentrations in long term base camps and short term hunting, fishing or transit camps by using feature and tool diversity.

 

 

Martin Street, Elaine Turner, Neuwied, Love Dalén, Stockholm, Mikhail Sablin, Petersburg: Die Eisfuchsreste von Gönnersdorf.

Etwa 2.400 Faunenreste der magdalénienzeitliche Fundstelle Gönnersdorf (Neuwieder Becken) wurden dem Fuchs (v. a. Eisfuchs) zugewiesen. Eine erste Analyse der Fuchsreste der Konzentration 1 wurde bereits 1976 von François Poplin vorgelegt. Die neueren Untersuchungen beziehen auch die bisher nicht veröffentlichten Fuchsreste der restlichen Grabungsfläche in die Analyse mit ein.

Es wird zuerst eine quantitative Erfassung der bestimmbaren Skelettelemente sowie die daraus resultierenden Mindestindividuenzahlen (MIZ) der nachgewiesenen erlegten Eisfüchse präsentiert. Es zeigt sich, dass die Repräsentation der Fuchsreste innerhalb der räumlich zonierten Grabungsfläche (mehrere Behausungen) stark variiert. Es werden zudem die durch menschliche Einwirkung verursachten Modifikationen der Fuchsreste dargestellt, darunter die Verwendung der Fuchszähne für die Herstellung von Schmuck.

Neben den archäozoologischen Untersuchungen findet auch eine osteometrische Analyse der Skelettelemente durch das Zoologische Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften statt. Dazu kommen neuere Untersuchungen des Zoologischen Institutes der Universität Stockholm, die die Herkunft der gegenwärtigen skandinavischen Eisfuchs-Population mitunter anhand einer Analyse der DNS spätpleistozäner, mitteleuropäischer Eisfuchsreste aufklären sollten.

 

 

Günther A. Wagner, Heidelberg: Numerische Datierung und Geoarchäologie.

Geoarchäologie ist Anwendung geowissenschaftlicher Methoden und Konzepte mit dem Ziel, archäologische Fragestellungen zu lösen. Mit dieser Definition sind Weg und Ziel geoarchäologischen Arbeitens vorgezeichnet. Da das geowissenschaftliche Untersuchungsobjekt Erde auch den Lebensraum des Menschen bildet, befasst sich die Geoarchäologie vornehmlich mit Wechselwirkungsprozessen zwischen natürlicher Umwelt und Mensch in der Vergangenheit und verbindet damit in einzigartiger Weise Kultur- mit Naturwissenschaften.

Wie bei allen geschichtlich orientierten Disziplinen ist auch in den Erd- und den Altertumswissenschaften die Zeitachse der grundlegende Maßstab, um überlieferte Ereignisse chronologisch zu ordnen und Prozessgeschwindigkeiten zu erfassen. Prähistorische Zeitabläufe richtig zu messen, ist dem kernphysikalischen Phänomen Radioaktivität vorbehalten. Nur die auf dem radioaktiven Zerfall beruhenden „Uhren“ laufen stets gleichmäßig – unabhängig von allen Umgebungsparametern. Die Einführung kernphysikalischer Uhren vor einem halben Jahrhundert hat nicht nur die prähistorische Archäologie revolutioniert, sondern auch neue Ansätze, wie den der Geoarchäologie, überhaupt erst ermöglicht.

Heute steht eine Vielfalt physikalischer Datierungsmethoden zur Verfügung, die sich je nach Material, Genauigkeit, Altersbereich und Aussagekraft unterscheiden. Die für geoarchäologische Untersuchungen wichtigen Altersbestimmungsverfahren werden vorgestellt und ihre Möglichkeiten und Grenzen beispielhaft skizziert.

 

 

Mayke Wagner, Berlin, Pavel E. Tarasov, Potsdam: Zu Problemen der Verknüpfung von Daten der Archäologie und Paläoklimatologie in Nordwest-China.

An der Nordostecke des Qinghai-Tibet-Hochplateaus und an der Westseite des Innermongolischen Plateaus (35-43°N, 100-105°O) sind in den vergangenen zehn Jahren eine ganze Reihe neuer archäologischer und paläoklimatischer Daten in den meisten Fällen unabhängig voneinander erhoben worden. Für eine umfassende Besiedlungsgeschichte des Raumes seit dem mittleren Holozän, die eine Rekonstruktion von Klima- und Landschaftsfaktoren ebenso einschließt wie eine Dokumentation des Wandels von Landnutzungsstrategien des Menschen, müssen diese Datenreihen korreliert werden. Dabei zeigen sich erhebliche Probleme. Sie entspringen vor allem aus dem unterschiedlichen Aussagepotenzial der Quellen in Bezug auf räumliche Gültigkeitsbereiche und chronologische Auflösung. In diesem Beitrag werden gegenwärtig vorliegende Interpretationen von archäologischen, geologischen und biologischen Daten diskutiert und erstmalig zu einem Gesamtbild zusammengeführt.

 

 

 

Mara-Julia Weber, Tübingen: Technologische Aspekte eines atypischen Inventars des Magdaléniens im Pariser Becken.

Das Magdalénien des Pariser Beckens bietet sich an, um die Variabilität innerhalb eines Technokomplexes zu untersuchen. So weicht eine Gruppe von lithischen Inventaren dahingehend von der regionalen Norm ab, dass Spitzen mit einer den Hamburger Kerbspitzen vergleichbaren Form mehr als einen marginalen Anteil der Geräte ausmachen und in größerer Zahl als Rückenmesser vorliegen.

Unser Untersuchungsgegenstand ist das Steinartefaktinventar des Sektors 7 des Tureau des Gardes bei Marolles-sur-Seine (Seine-et-Marne), welches bis jetzt aus typologischer Sicht den Industrien der Hamburger Kultur am nächsten von allen regional atypischen kommt. Um dieses Inventar auch technologisch zu charakterisieren, wurden zwei Hauptfragestellungen untersucht: die Bedeutung der Lamellenherstellung und die Rolle des weichen Schlagsteins.

Als Ergebnisse zeigten sich anhand von Werkzeugen, Grundformen und Kernen erstens, dass der Lamellenherstellung eine eher geringe Bedeutung zukommt und Lamellen weniger Produkte erster Intention sind, als dass sie eingebettet in die chaîne opératoire der Klingenerzeugung entstanden. Zweitens wurden Grundformen zu unterschiedlichen Anteilen mit einem weichen Schlagstein hergestellt, doch ohne Zusammensetzung lässt sich das Verhältnis dieser Schlagtechnik zur Verwendung eines Schlegels aus organischem Material nicht bestimmen. Diejenigen Kerne, welche eine Serie von mithilfe des weichen Steins erzeugten Klingennegativen aufweisen, besitzen wiederum morphologische Merkmale, die den Gebrauch eines Schlegels erschweren oder gar unmöglich machen.

 

 

Thomas Weber, Halle/Saale und Dieter Schäfer, Innsbruck: Grundformtechno-logie als Datierungskriterium? Fallstudien aus Mitteldeutschland, Südengland und Rheindahlen.

Im letzten Vierteljahrhundert haben wir auf der Basis von über 70 Inventaren drei älterpaläolithische Technokomplexe vor allem der Abschlagherstellung herauszuarbeiten versucht, die mit mittelpleistozänen Warmzeiten (Holstein, Früh-Saale), der beginnenden Saalevereisung s.str. und dem beginnenden Jungpleistozän (Eem, Frühweichsel) zu parallelisieren sind. Die Technokomplexe lassen sich sowohl anhand uni- (Formquotienten, Anteil bearbeiteter Dorsalfläche, Schlagflächenrestzustand, Schlagwinkel) als auch multivariater Merkmalkonfigurationen gut separieren, was auch für Inventare außerhalb Mitteleuropas zutrifft (Clacton, Hoxne).

Für Rheindahlen ist jedoch ein bemerkenswerter Widerspruch festzustellen: Die beiden Inventare B1 und B3 ordnen sich „perfekt“ in die jungpleistozäne Gruppe ein, obwohl B3 schon bisher in die „späte Saaleeiszeit“ eingeordnet wurde und mit bodenkundlichen Argumenten sogar in die „drittletzte Kaltzeit“ gehören soll.

 

 

Stefan WENZEL, Frank GELHAUSEN und Jan KEGLER, Neuwied: Latente Behau-sungsstrukturen im Spätpaläolithikum - die Fundkonzentrationen der Federmesser--gruppen von Niederbieber I und IV, Andernach-Martinsberg 3 und Berlin-Tegel IX.

Während aus dem Magdalénien und aus der bipointe-Phase des Spätpaläolithikums Behausungen bekannt sind, die durch Plattenlagen oder seitliche Beschwersteine kenntlich sind, fehlen für die Zeit der Federmessergruppen im westlichen Mitteleuropa solche evidenten Behausungsbefunde. Einzelne latente Behausungsbefunde aus der Allerödzeit konnten mit der Ring-und-Sektor Methode D. Staperts belegt werden. Um auch Fundkonzentrationen gerecht zu werden, die weder rund sind noch eine zentrale Feuerstelle aufweisen, versuchen wir auf anderen Wegen für die von uns vorgestellten Fundkonzentrationen Indizien aufzuzeigen, die auf das vormalige Vorhandensein von Behausungen hindeuten.

Für Niederbieber I und IV ist am Rand der Artefaktkonzentrationen ein deutlicher Abfall der Funddichte zu registrieren. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn man für die Funddichtelinien äquidistanten Mengengruppen mit geringem Abstand zueinander wählt. Zahlreiche Zusammensetzungslinien von Artefakten enden dort, wo die Funddichte abfällt oder verlaufen entlang dieser Zonen. Innerhalb der Fundkonzentrationen und an deren Rändern finden sich zahlreiche modifizierte Artefakte. Unverbrannte Knochen und größere Steine liegen am Rand und außerhalb der Fundkonzentrationen. Niederbieber IV hat eine trapezförmige Fläche von 4,5m Länge und maximal 4m Breite, während bei Niederbieber I die Fläche gestreckt-trapezförmig mit 4m Länge und 3,8m Breite ist.

In Andernach 3 lässt der Bereich um die südliche der beiden Feuerstellen deutliche Begrenzungen erkennen. Um diese Feuerstelle herum gibt es zunächst eine sehr kompakte 3x4m messende nordwestlich ausgerichtete Artefaktkonzentration mit vielen einzeln eingemessenen größeren Fundstücken. Um diese Konzentration schließt sich ein Bereich an, der immer noch eine beachtliche Zahl kleiner Steinartefakte enthält. Die Knochen liegen, von einer kleinen Anhäufung um die Feuerstelle abgesehen, mit klarer und streckenweise gerader Grenze außerhalb des Bereichs mit mehr als 25 Artefakten pro Viertelquadratmeter. An dieser äußeren Grenze enden etliche Artefaktzusammenpassungslinien. Sie umschließt eine Fläche von gestreckt-hexagonaler Form mit ca. 4,5m Länge und 4m Breite. Die nördliche Stirn der so definierten Fläche deckt sich mit der Lage eines bei der Grabung entdeckten möglichen Pfostenlochs mit Steinverkeilung.

Bei Berlin-Tegel IX nimmt die eigentliche Fundkonzentration eine trapezförmige Fläche von 4m Länge und max. 4m Breite ein, deren Rand dadurch hervorgehoben ist, dass dort viele Zusammensetzungslinien von Artefakten enden bzw. entlang der Seiten verlaufen und sich am Rand viele größere modifizierte Artefakte finden.

Die von uns zur Diskussion gestellten latenten Behausungsbefunde nehmen eine geringere Fläche ein als die Trapezzelte des Magdalénien und der frühen Rückenspitzengruppen, haben aber z.T. einige Merkmale mit diesen gemein: den trapezförmigen Grundriss und die Aufteilung in fundreiche und fundarme Hälften und ein deutlich begrenzter fundreicher Bereich um die Feuerstelle.

 

 

Christoph Zielhofer, Dresden und Jörg Linstädter, Köln: Short-term mid-Holocene climatic deterioration in the West Mediterranean region – climatic impact on Neolithic settlement pattern.

Mid-Holocene palaeoclimatic and palaeoecologial archives indicate a climatic deterioration between c. 6.6 and 6.0 ka BP in the West Mediterranean region. High to moderate resolution records especially show a decrease in humidity in central Italy and northern Tunisia at that time. Additionally, the archaeological survey of Neolithic layers at Hassi Ouenzga cave (semiarid Northeast Morocco) reveal a chronostratigraphical gap during this short-term clima-tic drop. Comparable to the results from Hassi Ouenzga, there is also no evidence of middle Neolithic populations in other drylands in today’s Morocco.

However, middle Neolithic sites at coastal Northwest Morocco indicate an enduring human presence between 6.5 and 6.0 ka BP. In opposite to the early and late Neolithic hunter-gatherer-like economies of steppic Morocco, the coastal societies of subhumid Northwest Morocco show more sedentary land use systems like the exploitation of marine resources and pastoralism. Consequently, the coastal societies might be more adaptable against climatic shifts and/or the subhumid landscape of Northwest Morocco has been less sensitive against drops in humidity. Nevertheless, regarding Moroccan drylands, the impact of a mid-Holocene short-term climatic deterioration on Neolithic societies should not be ignored or considered unimportant.



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