Summaries der Vorträge

der 42. Tagung der Hugo Obermaier-Gesellschaft

vom 25. bis 29. April 2000 in Tübingen

Programm

 

Utz BÖHNER, Erlangen-Köln:

Späte Moustérien-Inventare und ihre Stellung zum Micoquien.

Die räumliche Nähe von Moustérien- und Micoquien-Fundstellen im unteren Altmühltal bietet die Möglichkeit einer regionalen vergleichenden Analyse. Am besten eignen sich für eine derartige Analyse die Fundstellen Sesselfelsgrotte und Abri I am Schulerloch, da nur bei diesen das gesamte Sediment geschlämmt wurde und alle Kleinfunde vorliegen. In der Sesselfelsgrotte ist eine stratigrafische Abfolge von Moustérien (Untere Schichten) - Micoquien (G-Komplex) - Moustérien (Schicht E3) belegt. Die mittlere Fundschicht im Abri I am Schulerloch ist in das Micoquien zu stellen. Für den G-Komplex und Schicht E3 der Sesselfelsgrotte, sowie die mittlere Fundschicht im Abri I am Schulerloch ist durch naturwissenschaftliche Daten eine Datierung in das OIS 3 gesichert. Während zwischen den Inventaren im OIS 3 deutliche typologische Unterschiede bestehen, was zur Interpretation Moustérien bzw. Micoquien führt, überwiegen die Gemeinsamkeiten im Bereich des Rohmaterialspektrums, der Rohmaterialdiversität, den Grundform-Abbaukonzepten, der durchschnittlichen Werkstückgröße und des Transformationsstadiums. Es lässt sich zudem zeigen, dass der Anteil der Bifazial-Werkzeuge in den Inventaren keine unabhängige Komponente ist und starken Schwankungen unterliegt. Eine Unterscheidung von Moustérien und Micoquien ist somit in Frage zu stellen. Es scheint eher, als ob das Micoquien (besser der Micoquien-Anteil der Werkzeuge) innerhalb der typologischen Variation der Moustérien-Fazies anzusiedeln wäre. Die Anwendung des Leitformenkonzeptes, die erst im Jungpaläolithikum möglich ist, kann im Mittelpaläolithikum als gescheitert angesehen werden.

 

Michael BOLUS, Tübingen:

Aktuelle Arbeiten zur paläolithischen Besiedlungsgeschichte Süddeutschlands.

In Zusammenarbeit mit Nicholas J. CONARD, Tübingen.

Im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches ist ein Team der Tübinger Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie seit 1996 damit beschäftigt, auf mittel- und jungpaläolithischen Fundplätzen Süddeutschlands aussagekräftige archäologische sowie klimatisch-ökologische Parameter zu gewinnen, um die kulturellen und physischen Entwicklungen des Menschen im Mittel- und Jungpaläolithikum und ihre Beeinflussung durch Klima- und Umweltfaktoren nachzuzeichnen. Eine besondere Fragestellung betrifft dabei das Problem, wie sich im Einzelnen die Ablösung des Neandertalers durch den anatomisch modernen Menschen abgespielt hat.

Zur Lösung dieser Fragen ist es nötig, über die z.T. bereits seit dem letzten Jahrhundert bekannten Höhlenfundplätze hinaus stratifizierte Freilandfundstellen zu finden und zu untersuchen. Ein 1996 begonnenes gezieltes Prospektionsprogramm unter Anwendung verschiedener geologischer und archäologischer Methoden hat inzwischen zu ersten Erfolgen geführt, von denen ebenso berichtet werden soll wie von der Fortführung älterer Ausgrabungen.

Untersuchungen in Bollschweil bei Freiburg erbrachten in erster Linie zahlreiche Reste von Großsäugern, vor allem vom Mammut, daneben aber auch mittelpaläolithische Steinwerkzeuge. Herausragendes Stück ist ein Faustkeil aus Amphibolit. Mit den Funden aus Bollschweil konnte erstmals eine mittelpaläolithische Besiedlung im Schwarzwald nachgewiesen und so eine Forschungslücke geschlossen werden.

In Luttingen am Oberrhein sollte durch Bohrungen und Sondagen die Fundposition der z.T. seit dem letzten Jahrhundert bekannten paläolithischen Artefakte und Faunenreste festgestellt werden. Eine der Sondagen lieferte in einer der vorher durch Bohrungen lokalisierten Torflagen eine Artefaktkonzentration, die ins Mittelpaläolithikum gehört. Reiches Aussagepotenzial liegt darüberhinaus in den zahlreichen botanischen und faunistischen Resten.

Mundelsheim im Neckartal bei Heilbronn ist seit 1991 als Blattspitzenfundstelle bekannt. Da Blattspitzen in die Übergangsphase zwischen Neandertaler und anatomisch modernem Menschen gehören, wurde versucht, eine Fundschicht dieser Zeit zu lokalisieren. Zwar fanden sich in Sondagen vereinzelt stratifizierte Artefakte, doch ergaben sich keine Hinweise auf einen Fundhorizont mit Blattspitzen.

Das Lonetal auf der Schwäbischen Ostalb ist eines der klassischen Höhlenfundgebiete, das bereits seit über 100 Jahren archäologisch erforscht wird. Durch Bohrungen war seit 1996 die quartäre Abfolge im Talbereich vor den bekannten Höhlen ermittelt worden, um die Möglichkeit zu prüfen, hier stratifizierte Freilandstationen zu untersuchen. Drei Grabungsflächen vor dem Höhlenkomplex des Hohlenstein erbrachten 1997 und 1998 neben holozänen Sedimenten mächtige pleistozäne Ablagerungen mit zahlreichen Faunenresten sowie jung- und vor allem mittelpaläolithischen Steinartefakten, die auf mehrere paläolithische Siedlungsschichten außerhalb der Höhlen schließen lassen.

Die Fortsetzung der Grabungen im Hohle Fels bei Schelklingen am südlichen Rand der Schwäbischen Alb schließlich lieferte außer detaillierten Erkenntnissen zur Siedlungsweise im späten und mittleren Jungpaläolithikum auch umfangreiche Daten zur Technologie und Subsistenz. Als spektakuläre Funde sind vor allem ein Stein mit roter Bemalung, eine Tierfigur sowie zwei Lochstäbe und zahlreiche Schmuckobjekte zu nennen.

Über die Geländearbeiten hinaus läuft zurzeit ein umfangreiches Datierungsprogramm, um neue Daten für die z.T. nicht gut datierten südwestdeutschen Fundplätze zu gewinnen und so das bestehende chronostratigrafische Gerüst zu ergänzen und zu erweitern.

 

Wolfgang BURKERT, Tübingen:

Fossile Mollusken im Mittel- und Jungpaläolithikum Süddeutschlands.

Fossile Mollusken, die von Menschen in Lagerplätze eingebracht wurden, sind im Mittelpaläolithikum selten und liegen in Stuttgart-Untertürkheim in Form einer Terebratula aus dem Jura vor (ADAM 1986, SCHÄFER 1996). Noch im Aurignacien wurden sie nur im Vogelherd nachgewiesen. Hier gibt es wenige Muscheln der Gattung Glycymeris (Tertiär ?) und ein gekerbtes Ammonitenbruchstück aus dem Lias (RIEK 1934). Im Gegensatz dazu konnten Schmuckmollusken und andere Fossilien im Aurignacien des Geißenklösterle nicht belegt werden (HAHN 1988). Sowohl im Gravettien als auch im Magdalénien werden Fossilien häufiger. Es wurden u.a. Ammoniten und Belemniten eingebracht, deren Funktion in Zusammenhang mit Schmuck gesehen wird (SCHEER 1988, HAHN 1992, SIMON 1993). In beiden Zeitstufen fällt auf, dass kleine, pyritisierte Ammoniten verwendet wurden, die aus dem oberen Dogger (z.B. Hecticoceras) aber auch aus dem Lias stammen können (BURKERT 1999, KIND 1987). Im Magdalénien des Petersfels (Hegau) befinden sich z.B. zwei in jungpaläolithischen Inventaren seltene, ortsfremde Ammoniten: Ein Weissjura-Ammonit der Gattung Rasenia (BURKERT 1994) und ein Ammonit der Gattung Psiloceras aus dem Lias Alpha 1 (RÄHLE 1994). Weiterhin gibt es Gehäuse des ebenfalls ortsfremden Grabfüßers Dentalium (RÄHLE 1994; s.a. BEURLEN & LICHTER 1986), von denen aus Hasenröhrenknochen gearbeitete, mögliche "Dentaliumimitationen" vorhanden sind (HAHN-WEISHAUPT 1994). Imitationen von Fossilien wie Seeigelstachel und Seeigel sind auch aus dem Magdalénien des Kesslerloch bekannt (BOSINSKI 1980). Bereits Hugo OBERMAIER (1912) erwähnt, dass sich die raffinierte Kunst des Magdalénien sich auch an "Imitationen" wagte. Sowohl im Gravettien als auch im Magdalénien sind Schmuckmollusken aus dem Miozän des Steinheimer Becken nachgewiesen, dagegen sind solche aus der Süß- und Brackwassermolasse aus dem Miozän der Oberen Donau nur im Magdalénien bekannt (RÄHLE 1994), was für den Hohle Fels eine Distanz von ca. 100 km Luftlinie bedeutet. Umgekehrt liegen auch im Magdalénien des Petersfels Mollusken aus dem Steinheimer Becken vor (ca. 135 km). Während die meisten der oben erwähnten Fossilien aus Entfernungen von 10 bis 40 km stammen, wird die Herkunft von Dentalium und anderen, tertiären Fossilien aus dem Eozän des Pariser Beckens oder dem Oligozän des Mainzer, des belgischen oder Pariser Tertiärgebietes in Betracht gezogen (RÄHLE 1994). Schmuckmollusken, deren Herkunftsort im Mainzer Becken angenommen wird, kommen auch im Magdalénien der Fränkischen Alb vor (WENIGER 1989; s.a. BOSINSKI 1982, ZÜCHNER 1979). Fossile Mollusken sind im Magdalénien zahlreicher als im Gravettien und deuten auf größere Entfernungen, wie z.B. Stücke aus dem Tertiär des Pariser oder Mainzer Becken, von der Atlantikküste und vom Mittelmeer belegen. Die Aufschlüsse befinden sich von 220 km bis 700 km entfernt (z.B. PASDA 1994, WENIGER 1987).

Zusammenfassend weist das Vorkommen bzw. Fehlen fossiler Mollusken in Mittel- und Jungpaläolithikum auf eine Entwicklung, die etwa parallel verläuft zur Nutzung lithischer Rohmaterialien (BURKERT & FLOSS i. Dr.). Dabei zeigt sich auch hier zwischen Aurignacien und Gravettien ein Bruch, der in der relativ häufigen Verwendung fossiler Mollusken im Gravettien zum Ausdruck kommt. Während im Gravettien Fossilien aus geringeren Entfernungen eingebracht wurden, nehmen im Magdalénien Vielfalt und Anzahl sowie die Entfernung zu den Herkunftsgebieten stark zu.

 

Thomas EINWÖGERER, St. Pölten:

Eine Station des mittleren Jungpaläolithikums in Langenlois, NÖ. (Posterpräsentation).

Bei Abbauarbeiten im Ziegelwerk Kargel in Langenlois, ca. 8 km nordöstlich von Krems an der Donau in Niederösterreich, entdeckte ein Baggerführer am 25.4.1961 dunkle Stellen im Löss und meldete seine Beobachtungen dem Leiter des Heimatmuseums in Langenlois. In der Folge übernahm Fritz Felgenhauer die Durchführung der Rettungsgrabungen mit Studenten des Institutes für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien und Mitarbeitern des Fundbergedienstes der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühgeschichte. Die Freilegung der Fundschicht erfolgte in vier kleineren Etappen zwischen Mai 1961 und Oktober 1962, wobei etwa 70 Quadratmeter untersucht wurden. Erstmals in der österreichischen Paläolithforschung wurden auch Pläne der Fundschicht im Maßstab 1:10 angefertigt und jedes einzelne Objekt (Steine, Knochen und Elfenbein) eingezeichnet.

Das Material wurde dem Referenten als Dissertation übertragen. Im Zuge der Umzeichnung der Einzelpläne mittels AutoCAD wurde die strukturelle Gliederung der Station sichtbar. Im Zentrum der aufgedeckten Fläche fand sich eine kreisrunde Feuerstelle in Form eines tiefrot verziegelten Bereiches mit etwa einem Meter Durchmesser. Die Nord - Süd verlaufende ovale Fundstreuung dünnt an drei Seiten aus. Nur im südlichen Bereich ist die Fundverteilung durch die Abbauarbeiten in der Ziegelei nicht mehr vollständig erhalten. Eine auffällige Lücke in der Knochen- und Silexstreuung ist südöstlich der zentralen Feuerstelle zu erkennen. Zwei "Pfostenlöcher" und mehrere Mammutstoßzähne um diese nahezu fundleere Zone dürften auf eine Behausung hindeuten. "Pfostenlöcher" sowie eine wannenförmige Eintiefung konnten auch am Südende der Fundstelle festgestellt werden. Eine weitere wesentlich kleinere Brandstelle östlich des großen Herdes sowie mehrere Knochen- und Silexanhäufungen deuten auf spezielle Aktivitätszonen innerhalb des Lagers hin. Neben etwa 2000 Silices, die eine Vielzahl von verschiedenen Typen wie Kratzer, Schaber, Stichel und Gravettespitzen beinhalten, ist auch die Knochen-, Geweih- und Elfenbeinindustrie von besonderer Bedeutung. Ins Lager wurden Teile verschiedener Tiere, vor allem aber Steinböcke, eingebracht und weiterverarbeitet. Auch Mammutstoßzähne zerlegte man in kleinere Späne, um daraus feine Spitzen und gelochte Plättchen zu fertigen. Als Schmuck wurden gelochte Schneckenschalen (Cyclope neritea Linneo, 1758) aus dem Mittelmeer oder dem Schwarzen Meer verwendet. Auf Grund des Fundmaterials und mehrerer 14C Daten zwischen 25.480+/-880 B.P. und 26.960 +/-1200 B.P. ist die Station ins frühe Gravettien zu stellen.

Literatur:

FELGENHAUER F. 1974: Langenlois, Fundberichte aus Österreich 8, Fundberichte 1961-65, 1974, 2 f.

 

Lutz FIEDLER, Marburg:

Siedlungsstrukturen des Atérien in der Sahara.

In Zusammenarbeit mit Gabriele und Rüdiger LUTZ, Innsbruck und Horst QUEHL, Alsfeld.

Das so genannte Atérien Nordafrikas gilt allgemein als eine besondere Kultur mittelpaläolithischen Charakters, die durch gestielte Geräte gekennzeichnet ist. Ihr radiometrisches Alter liegt zwischen 100.000 und 20.000 BC. Man kann das Atérien als eine an semiaride Gebiete angepasste Begleit- und Folgeerscheinung des mediterranen Levallois-Moustérien auffassen. Bisher ist wenig über die Lebensweise der Menschen (urtümlicher Homo sapiens sapiens) des Atérien bekannt geworden.

Im Rahmen der Felsbildforschungen von Rüdiger Lutz im Messak entdeckten wir zusammen einen fundreichen Siedlungsplatz des Atérien im Wadi Tidoua. Ein Teil des Fundplatzes (15x25 m) wurde in der Viertel-Quadratmeter-Methode kartiert. Artefakte wurden exemplarisch gezeichnet. Im Westen dieses Siedlungsgeländes liegt eine ovale Behausungsstruktur von 3x4 m. Die Verteilung der Steingeräte vor der Behausung lässt eine intensive Nutzungszone von 15x10 m erkennen, die durch Schneid- und Schabgeräte gekennzeichnet ist und vermutlich dem Zerteilen von Wild sowie dem Präparieren von Häuten gedient hat.

Im Gegensatz zu den früher von uns entdeckten Lagern mit "Windschirmen" des Atérien wurde dieser Platz als Jagdlager von einer sehr kleinen Menschengruppe genutzt, die zu ihrem Schutz eine Hütte errichtete. Das Inventar des Platzes unterscheidet sich von solchen, die in den Ebenen südlich und nördlich des Messak liegen. So ist dieser Platz z. B. reich an groben Kratzern und es kommen Kostenki-Schaber vor. Als Besonderheiten gibt es gepickte Reibplatten und einen Retuscheur mit einer eingeritzten Darstellung. Die zahlreichen gestielten Geräte sind selten flächenretuschiert und zumeist terminal abgebrochen. Ebenso fand sich keine ungebrochene Blattspitze. Fast alle Brüche sind glatt; es gibt nur wenige, die als kennzeichnende Frakturen bei einer Benutzung als steinerne Geschossspitzen entstanden sein könnten.

Die gute Erhaltung des Platzes in dem an meso- und neolithischen Funden extrem armen, aber an Felsbildern – auch solchen einer jägerischen Phase – reichen Gebietes, wirft erneut die Frage nach den Anfängen der Tierdarstellungen in Nordafrika auf.

 

Florian A. FLADERER, Wien:

Demografische Analyse der Mammut-Reste von Krems-Wachtberg.

Von einer 1930 durchgeführten Notgrabung in einer nur ca. 15 m2 großen Fläche in südexponierter Hangposition 80 m oberhalb des damaligen Donautalbodens liegt ein Tierreste-Inventar von ca. 220 bestimmbaren Objekten vor. Radiokarbondatierungen liegen bei ca. 27,2 ka BP. Die Vergesellschaftung beinhaltet sechs Wölfe (Canis lupus), vier Rotfüchse (Vulpes vulpes), einen Eisfuchs (Alopex lagopus), drei Vielfraße (Gulo gulo), acht Mammuts (Mammuthus primigenius), zwei Rentiere (Rangifer tarandus), einen Rothirsch (Cervus elaphus), zwei Steinböcke (Capra ibex) und einen Moschusochsen (Ovibos moschatus) – jeweils als Mindestindividuenzahl.

In der Knochenanzahl dominieren Mammutreste mit 53%. Die demografische Analyse der cranialen und postcranialen Mammutreste ergab ein Sterbealter-Profil mit mindestens vier Milchkälbern zwischen ca. 0,3 bis 2 Jahren, mindestens drei älteren Kälbern bis Subadulti und mindestens einem adulten Bullen. Die osteologischen Muster zeugen von Hertransport bzw. Verwendung von Kopf-, Rücken-, Brust - und Fussteilen der Mammutkarkassen. Kortikaler Knochen von Langknochen und Rippen wurden für Werkstücke und als Rohmaterial für Geräte verwendet.

Der Erhaltungszustand der Tierreste wird als einheitlich beurteilt; nur ein einziger Knochen (< 0,1%) ist durch deutlichen Karnivorenverbiss modifiziert. Die hohe Präsenz von Resten der untersten Altersgruppe, die (1.) in einer natürlichen verendeten Gruppe Beutegreifern als Erste zum Opfer fallen würden und die (2.) kaum von ernährungsphysiologischen Wert sind, widerspricht einer eventuelle Aasnutzungs-Hypothese. Vielmehr lässt die Alterszusammensetzung auf die erfolgreiche Bejagung eines Herdenverbandes schließen. Analog zu wildbiologischen Beobachtungen bei rezenten Elefanten plädiert das Altersprofil mit dem hohen Anteil an Milchkälbern für eine gesunde und nicht degradierende Mammutpopulation. Aus der Artenvergesellschaftung, die Tundren-, Steppen- und Waldhabitate repräsentiert, und der Vielfältigkeit der regionalen Landschaftsgliederung sind eine ebensolche Vielfältigkeit von Jagd- und Sammelgründen und damit eine stabile Versorgungslage der Gruppe zu rekonstruieren. Auf Grund der Präsenz von vier Mammutkälber im Alter von 4-8, 6-12, 6-12 und 18-24 Monate AEY (African elephant equivalent years) ist das Jagdereignis und damit eventuell die Belegungssaison des Lagerareals in den ersten Wintermonaten anzunehmen. Kommunale Jagd mit Schwerpunkt auf regionale Mammutherden-Verbände und zumindest saisonal größere Lager stehen in ursächlichem Zusammenhang und werden als entscheidend zum Verständnis der "Pavlovien-Kultur" gesehen.

Die osteologischen Muster der Wölfe sind nicht signifikant unterschiedlich von den drei weiteren repräsentierten Karnivorenarten. Die an mährischen Inventaren beobachtete große Häufigkeit von Zahnanomalien bei den Wölfen, die mit einer hypothetischen Domestikation des Wolfs im Pavlovien erklärt wird, kann an Hand einer gleichgerichteten Untersuchung auch in Krems-Wachtberg dokumentiert werden. Sie wird hier allerdings nur als ein besonderer phänotypischer Ausdruck der komplexen synökologischen Beziehung zwischen Landschaft, herdenbildenden Megaherbivoren und Beutegreiferarten mit unterschiedlicher Nahrungspräferenz und Greifverhalten interpretiert.

Literatur:

FLADERER F. A. (im Druck): A calf-dominated mammoth age profile from the 27 ka BP stadial Krems-Wachtberg site in the middle Danube valley. - Deinsea, Rotterdam.

FLADERER F. A. (im Druck): Die Faunareste von Krems-Wachtberg, Ausgrabung 1930. - Mitt. Prähist. Komm. Österr. Akad. Wiss.

 

Burkhard FRENZEL, Stuttgart-Hohenheim:

Stratigrafische und paläoökologische Probleme des Mittleren und Oberen Quartärs.

Die internationale Quartärforschung hat eine Fülle von Daten zur Geschichte des Eiszeitalters zusammengetragen, deren zeitliche Position durch unterschiedliche litho-, bio- und chronostratigrafische Verfahren bestimmt worden ist. Es konnten wichtige Denkschemata erarbeitet werden, doch bei kritischer Überprüfung der jeweiligen Datierungssicherheit wird schnell deutlich, dass selbst wesentliche Vorgänge der Quartärgeschichte in Tiefsee und Festland, oft sogar innerhalb eines dieser Sedimentationsräume, nicht zweifelsfrei miteinander verknüpft werden konnten. Im Vortrag sind Beispiele zu nennen. Paläomagnetische Vorgänge können zwar wichtige Zeitmarken liefern, sie reichen aber nicht aus und müssen durch andere Marker, wie Tephralagen, vielfältig ergänzt werden.

Ähnlich steht es bei der Paläoökologie. Es ist sehr viel zu Vegetationsgeschichte und Faunenentwicklung bekannt. Ökologie ist aber die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Organismen eines bestimmten Gebietes und ihrer Umwelt. Diese wechselseitige, sich immer wieder ändernde Abhängigkeit ist bisher kaum untersucht worden. Vielmehr sucht man gern nach modernen Analoga, obwohl gerade der ewige Wandel das Charakteristikum der ökologischen Entwicklung des Eiszeitalters gewesen ist. Dies ist auch im Blick auf die Biomodellierung misslich, da angenommen wird, dass die gegenwärtige, z. T. nur angenommene Klimaabhängigkeit wichtiger Vegetationstypen in die Vergangenheit extrapoliert werden könne, obwohl damals offensichtlich oft ganz andere Lebensgemeinschaften bestanden hatten. Es wird darauf ankommen, an Hand sehr sicherer Datierungen zunächst die Arealgeschichte verschiedener Taxa des Tier- und Pflanzenreiches zu ermitteln, um – hierauf aufbauend – vorsichtig die ehemaligen Lebensgemeinschaften zu ermitteln und in das schwierige Problem der Paläoökologie einzudringen.

 

M. FRIEDRICH, Stuttgart-Hohenheim:

Eine 1000-jährige Kiefern-Jahrringchronologie des Bølling-Allerød-Interstadials Mitteleuropas – Ein Beitrag zur Klimageschichte des Spätglazials.

Im Institut für Botanik der Universität Hohenheim wurden in den letzten Jahrzehnten mit Hilfe subfossil erhaltener Baumstämme mehrere lange Jahrringchronologien des Holozäns und des Spätglazials aufgebaut. Die süddeutsche Eichenchronologie deckt das gesamte Holozän ab; sie beginnt heute 8.480 BC. Die erst jetzt eingehängte Präboreale Kiefernchronologie beginnt 9.931 BC, am Ende des Jüngeren Dryas, und reicht bis 7959 BC. Damit konnte erstmals eine ununterbrochene 12.000-jährige Jahrringchronologie zusammengestellt werden. Mit ihr kann die jahrringgestützte 14C-Kalibration weitergeführt werden. Überdies sind hochauflösende ökologische und klimatologische Untersuchungen bis ans Ende des Spätglazials möglich.

Zusätzlich ist es gelungen, durch neue Kiefernfunde und die Bearbeitung bislang undatierter Kiefern aus den Sedimenten verschiedener Flusstäler S-, O- und N-Deutschlands und der italienischen Po-Ebene sowie durch Kiefern von der Lehmgrube Dättnau in der NO-Schweiz eine 1090 Jahre umfassende Kiefernchronologie des Bølling-Allerød-Interstadials aufzubauen. Die 14C-Daten dieser Chronologie reichen von 12.300 bis 11.350 BP. Eine weitere rund 300 Jahre umfassende Sequenz, die noch nicht angeschlossen werden konnte, erbrachte 14C-Daten von 11.300 bis 10.850 BP. Über 14C-Serienmessungen der Hölzer konnte die Kiefernchronologie mit Hilfe von 14C-Kalibrationsreihen mariner Warven, die ihrerseits in die Präboreale Kiefernchronologie eingehängt sind, auf einige Jahrzehnte genau datiert werden. Diese Serie stellt nun auch eine hochauflösende 14C-Kalibrationskurve des Bølling-Allerød-Komplexes dar.

Die Jahrringbreiten der Chronologie zeigen mehrere starke Schwankungen, die in verschiedenen Regionen Mitteleuropas synchron verlaufen sind. Neben der Älteren Dryas bei 12.000 BP konnten auch mehrere kürzere Schwankungen identifiziert werden, die vermutlich Kaltphasen anzeigen. Der Vergleich der Jahrringkurven der Kiefern verschiedener Regionen Mitteleuropas zeigt teilweise überraschend hohe Ähnlichkeiten. Dies lässt auf eine überregionale Ausprägung des allerødzeitlichen Witterungsgeschehens schließen.

 

Miriam Noël HAIDLE, Tübingen:

Planungsmuster – Ein Merkmalsystem zur Analyse von Objektplanung.

Planung beherrscht das moderne menschliche Verhalten, zunehmende Planungstiefe ist ein wichtiger Aspekt der menschlichen Kognitionsentwicklung. Häufig schon wurde unterschiedliches, meist minderes Planungsverhalten sowohl bei lebenden Primaten als auch bei fossilen Hominiden konstatiert, für einen Vergleich fehlten bisher aber klar definierte und leicht nachweisbare Planungsmerkmale. Der Vergleich der Planungstiefe zweier Technokomplexe wurde bisher meist auf ganze Verhaltenskomplexe bezogen wie das Subsistenzverhalten (Jagen/Sammeln, Rohmaterialversorgung) oder das Siedlungsverhalten (Organisation des Siedlungsplatzes in Aktivitätszonen, Differenzierung und Organisation von verschiedenen übergeordneten und spezialisierten Lagern). Bei diesem Verfahren ergeben sich aber vielfältige Probleme: Das unterschiedliche Planungsverhalten zweier Fundplätze ist auf Grund verschiedener Fundplatzgenesen und Erhaltungsbedingungen nur schwer im Detail fassbar, die Quellenlage zum Subsistenzverhalten ist hinsichtlich der Planung nur schwer beurteilbar, zum Siedlungsverhalten nur vage generalisierbar. Auf Grund der mangelhaften Quellenlage wurden Vergleiche hinsichtlich des Planungsverhaltens fast ausschließlich für das Mittelpaläolithikum gegenüber dem Jungpaläolithikum angestellt. Unter anderem mag diese quellenbedingte Betonung in der Untersuchungshäufigkeit mit ursächlich sein für eine Überbewertung jungpaläolithischen Fortschritts im Planungsverhalten.

Einen möglichen Ausweg aus den Unwägbarkeiten bietet die gezielte Untersuchung der einzelnen Artefakte auf die ihnen zu Grunde liegende Planung hin. Planung, und sei sie noch so rudimentär und z.T. unbewusst, ist die gedankliche Grundlage nahezu aller Artefakte; ausgenommen werden können nur Artefakte, die auf Grund von Reflexen oder Automatismen entstanden. Das hier vorzustellende Merkmalsystem zur Analyse von Objektplanung fußt auf der Untersuchung des Objektgebrauchs bei verschiedenen Nichtprimaten, Primaten, einzelnen urgeschichtlichen und modernen Artefakten. Es umfasst sechs Planungsaspekte:

Das Objektverhalten von Schimpansen weist im Gegensatz zum Objektverhalten des modernen Menschen, das alle Varianten der genannten Planungsaspekte kennt, einen eingeschränkten Planungsspielraum auf. Schimpansen planen ausschließlich für sich selbst bzw. bekannte Individuen, Probleme werden nur in der Gegenwart wahrgenommen, der Lösungsimpuls kann instinktiv wie erlernt sein, Objekte werden nicht, direkt und indirekt manipuliert als Lösungsmedium eingesetzt, systemische Objekte werden nicht hergestellt und Lösungsansätze sind nicht nur an ein spezifisches Problem gebunden. Das Planungsmuster eines Faustkeil z. B. zeigt im Vergleich zum Objektverhalten von Schimpansen ein erweitertes Spektrum der Planungsaspektvarietäten. Die Problemdistanz ist in die erweiterte/vorhersehbare Zukunft verschoben, das vom Nutzungsort einige Kilometer entfernt vorkommende Rohmaterial wird als Lösungsmedium seriell manipuliert. Die Untersuchung unterschiedlicher Artefaktinventare aus verschiedenen Technokomplexen, die die menschliche Entwicklung seit ca. 2,5 MA nachweislich begleiten, wird differenziertere Einblicke in die Veränderungen des Planungsverhaltens bieten als bisher möglich und kann zu einer Umbewertung des vorjungpaläolithischen Planungsverhaltens führen.

Literatur:

HAIDLE, M.N. 1999: Der Unterschied liegt in der Zukunft: Untersuchungen zur Planungstiefe als Marker kognitiver Evolution. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 129, 1-11.

HAIDLE, M.N. (im Druck): Neanderthals – ignorant relatives or thinking siblings? A discussion of the "cognitive revolution" at around 40,000 BP. Proceedings of the workshop "Central and Eastern Europe from 50.000-30.000 BP". Neanderthal-Museum Mettmann.

 

Renate HECKENDORF M.A., Marrakesch:

Zum Stand der Forschungen über die Felsmalereien in Marokko.

Durch zufällige Neufunde ist deutlich geworden, dass die Untersuchung der gemalten Felsbilder Marokkos zu Unrecht von der archäologischen Forschung vernachlässigt wurde. Ein Kurzbericht über die im Jahre 1995 in den Abris von Ifrane n'Taska (Jbel Bani, westlicher Anti-Atlas, Südmarokko) entdeckten Felsmalereien ergänzt die Zusammenfassung der noch lückenhaften Kenntnisse zu einigen seit Jahrzehnten bekannten Fundstellen. Hinsichtlich ihrer räumlichen Verteilung ergänzen die Fundstätten der Malereien die der Gravierungen. An zwei Fundorten sind neben Malereien auch Ritz- und Schleifspuren belegt. Die bisher bekannt gewordenen farbigen Bilder befinden sich unter Felsüberhängen oder in Hölen, deren Öffnung überwiegend nach Norden oder Nordosten exponiert ist. In der Regel sind die Verkehrswege, die natürlichen Ressourcen und die vorislamischen Grabhügel im umgebenden Tal von diesen Standorten aus gut zu übersehen. Im Rahmen der saisonalen Nutzung der Weideflächen dienen diese geschützten Plätze heute den Hirten und Viehherden als Zufluchtsort (Azib). Neben zoomorfen und anthropomorfen Motiven und Schriftzeichen des libyco-berberischen Typs stellen die überwiegend in roten Farbtönen erhaltenen Malereien hauptsächlich Punkte, Linien und geometrische Formen dar, die z. T. wiederholt an mehreren Fundstellen vorkommen. An zwei Felsbildstationen erbrachten ältere Ausgrabungen zwar vermutlich neolithische Besiedlungsspuren, aber keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Verknüpfung der Malereien mit dem stratigrafischen Befund. Im überregionalen Vergleich zeichnet sich ab, dass die vermutlich nachneolithischen Felsmalereien Marokkos thematische und stilistische Ähnlichkeiten mit denen der Region Constantine und denen der Kabylei aufweisen und sich unter diesen Gesichtspunkten von den Malereien der Zentralsahara unterscheiden. Durch systematische Forschungen auf regionaler Ebene dürften die thematischen und stilistischen Eigenarten und das Alter der marokkanischen Felsmalereien näher zu bestimmen sein. Sie müssten insbesondere die vollständige Aufnahme der noch erhaltenen Bilder, Analysen der Farbzusammensetzungen und gegebenenfalls Versuche zur naturwissenschaftlichen Datierung der organischen Farbbestandteile, sorgfältige Ausgrabungen an den Felsbildstationen und intensive Begehungen in ihrer Umgebung zum Inhalt haben.

Literatur:

HECKENDORF R., SALIH A. 1999: Les peintures rupestres au Maroc: Etat des connaissances - Zum Stand der Forschungen über die Felsmalereien in Marokko. Beiträge zur Allgemeinen und Vergleichenden Archäologie 19, 233-257.

SALIH A. 1995: Les abris peints du Jbel Bani (Maroc). International Newsletter on Rock Art (I.N.O.R.A.) 12, 3.

 

Wilfried HENKE, Mainz:

Historische Betrachtung der Beziehungen zwischen Paläoanthropologie und Älterer Urgeschichte.

Traditionell gehört die Urgeschichte zu den Geisteswissenschaften, während die Paläoanthropologie als biologische Disziplin zu den Naturwissenschaften zählt. Die unterschiedliche Fakultätszugehörigkeit der beiden Nachbar- oder Schwesterwissenschaften gründet auf der Tatsache, daß die Urgeschichte primär die kulturellen Hinterlassenschaften, die Paläoanthropologie dagegen das biologische Substrat zum Forschungsgegenstand hat.

Während die heutigen Grenzen beider Disziplinen im Rahmen integrierter Forschungsansätze nahezu aufgehoben und fließend sind, zeigt die retrospektive Betrachtung, daß sich die Prinzipien und Methoden von Archäologie und Paläoanthropologie erst allmählich angenähert haben.

Ziel des Beitrags ist es, das historisch gewachsene Verhältnis beider Fächer seit dem paradigmatischen Wandel aufgrund Darwins Erkenntnis einer real-historisch-genetischen Verwandtschaft aller Organismen zu beleuchten. Dabei steht die Analyse der zeitspezifischen Interaktionen zwischen den kultur- und naturwissenschaftlichen Forschungsansätzen im Vordergrund, insbesondere deren gegenseitige Hemmung bzw. Befruchtung im vergangenen Jahrhundert.

Eurozentrische Denkmuster, narrative Interpretationen und Klischees sowie typologische Ansätze wurden erst allmählich zugunsten moderner theoriengeleiteter, hypothetiko-deduktiver, multi- und interdisziplinärer Forschung abgebaut.

Die gegenwärtigen universitären und akademischen Strukturen beider Fachdisziplinen tragen der hochgradigen Vernetzung beider Fächer bislang kaum Rechnung und verlangen nach neuen konzeptionellen Lösungen.

 

Lubomira KAMINSKÁ, Kosice (Slowakische Republik):

Benutzte Steinrohstoffe im Paläolithikum der Slowakei.

Das Gebiet der Slowakei ist ein Ort des Vorkommens von Radiolariten, Menilit-Hornsteinen, Limnoquarziten, Obsidianen, Opalen, Chalzedonen, Andesiten, silifizierten Sandsteinen und von Quarz. Die übrige Silizite (Feuersteine), die in paläolithischen Inventaren vorkommen, sind Importe aus Polen, Ungarn und der Karpaten-Ukraine. Das Früh- und Mittelpaläolithikum war im wesentlichen an der Ausnützung von heimischen Quellen orientiert, hauptsächlich von Quarz und Radiolarit (Hôrka-Ondrej, Beharovce-Sobotište, Myjava-Hügelland). Eine Ausnahme bildet die Region des Ondava-Mittellaufes (Nižný Hrabovec), wo ist der jüngeren Phase des Mittelpaläolithikums erstmals Importe des Swieciechow- und Krakauer Jurafeuersteins aus Polen, Limnoquarzit aus Ungarn und Andesit aus der Karpaten-Ukraine auftauchten. Die im Jungpaläolithikum importierten Rohstoffe haben einen wichtigen Anteil an der Zusammensetzung der Industrie. Dies ist für das Aurignacien des Košice-Beckens charakteristisch (Barca, Sena, Kechnec), das Limnoquarzit aus Ungarn benützte. Das Gravettien mit dem Horizont von Kerbspitzen im westslowakischen Waagtal bevorzugte nordischen Feuerstein aus Moränen in Schlesien (Banka, Trencianske Bohuslavice). In der Spätphase dominierten dann heimische Rohstoffe. Ein hoher Prozentsatz von importiertem Feuerstein ist auch im Spätgravettien in der ostslowakischen Tiefebene zu verzeichnen (Cejkov II, Kašov, untere Schicht). Das nachfolgende Epigravettien orientierte sich hauptsächlich an der Verarbeitung heimischer Obsidiane. Im Epipaläolithikum war das Verhältnis der heimischen und importierten Rohstoffe verschieden, doch hing dies auch vom Charakter der einzelnen Lokalitäten ab. Es kommen Lokalitäten – Ateliers – vor, die auf die Verwendung örtlicher Rohstoffe eingestellt waren (Menilit-Hornstein) oder in denen Gesteine aus dem breiten Umkreis vorherrschten (Radiolarite in Velký Slavkov).

 

Claus-Joachim KIND, Stuttgart:

Ökologie der mittelpaläolithischen Fundstelle Kogelstein.

 

Petra KRÖNNECK, Tübingen:

Rekonstruktion der Paläoumwelt anhand von Großsäugerfunden.

In meiner Dissertation im Rahmen des SFB 275 - Klimagekoppelte Prozesse in meso- und känozoischen Geoökosystemen sollen Faunenreste aus der ersten Hälfte des Würms untersucht werden. Dabei sollen archäologische und paläontologische Fundplätze miteinander verglichen werden. Die unterschiedlichen tafonomischen Gegebenheiten ergänzen sich dabei zu einem besseren Gesamtbild der Umwelt. Außer bereits vorhandenen Daten aus Analysen der Mikrofauna, der botanischen Reste usw., sollen die Großsäuger zu einer Umweltrekonstruktion herangezogen werden.

Die Vorgehensweise soll hier exemplarisch vorgestellt werden. Die Methode kann auch auf Altgrabungen angewandt werden, die in der Regel größere Fundmengen, aber auch eine größere Zeittiefe aufweisen.

Bei einer Neubearbeitung alter Inventare sind vor allem die bisher als unbestimmbar geltenden Funde zu beachten, die in Größenklassen, wie Pferde- bis Rindergröße oder Nashorn- bis Mammutgröße, aufgenommen werden. Wichtig für die quantitative Auswertung ist besonders das Knochengewicht, das die Zusammensetzung der ehemaligen Jagdbeute besser wiedergeben kann als die Fundzahl.

Die Arbeitsweise und vorläufige Ergebnisse sollen am Beispiel der Schicht h (Micoquien) der Bocksteinschmiede/Bocksteinloch exemplarisch dargestellt werden.

 

Kurt LANGGUTH, Tübingen:

Neue Funde aus dem Hohle Fels bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis.

In Zusammenarbeit mit Nicholas J. CONARD und Hans-Peter UERPMANN, Tübingen.

Seit 1977 wird, mit einer Unterbrechung von einigen Jahren (1980 – 1986), im Hohle Fels im Achtal bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis, von der Universität Tübingen eine Forschungsgrabung durchgeführt. Sie wurde bis 1996 von J. Hahn geleitet. Nach dessen frühen Tod wurden die Grabungen durch N. J. Conard und H.-P. Uerpmann seit 1997 fortgesetzt.

Die Höhle wurde 1870/1871 fast vollständig von O. Fraas, dem damaligen Leiter des Naturkundemuseums Stuttgart, auf der Suche nach Höhlenbären- und anderen Knochen der eiszeitlichen Fauna ausgeräumt. Nur in Bereich einer Nische von fast 30 m2 vor dem Durchgang zur Höhlenhalle verblieben Reste der paläolithischen Schichten.

Bisher konnten magdalénien- und gravettienzeitliche Schichten untersucht werden. In einer Testsondage konnten weitere Fundschichten durch zwei Aschehorizonte belegt werden. Die Aschen wurde mittels Radiocarbon-Untersuchungen auf 30.000 bis 31.000 BP datiert. Da keine typologisch ansprechbaren Werkzeuge gefunden wurden, ist unklar ob es sich um ein spätes Aurignacien oder ein frühes Gravettien handelt. Georadar-Untersuchungen ergaben noch Sedimente von ca. vier Meter Mächtigkeit unter den Gravettienschichten. Weitere frühjungpaläolithische oder gar mittelpaläolithische Siedlungsreste sind daher wahrscheinlich.

1998 war der Schwerpunkt der Grabung die vollständige Erfassung der Magdalénien-Schichten. 1999 wurden in einer über viermonatigen Kampagne große Teile der mächtigen Gravettien-Schichten ergraben.

Das Magdalénien wird auf ca. 13.000 BP datiert. Diese Fundschicht lieferte ein umfangreiches lithisches Inventar. Neben örtlichen Rohmaterialien gibt es auch Hinweise auf Ferntransport von Silices. Das typologische Spektrum ist, wie im Magdalénien üblich, standardisiert und zeichnet sich durch Kratzer, Stichel, Bohrer und Rückenmesser, aber auch einige Rückenspitzen aus. Es liegt ebenfalls eine reiche Knochenindustrie vor mit einer zweireihigen Harpune, Geschossspitzen, Nadeln und einem Lochstab. Bemalte Gerölle und ein mögliches Bruchstück einer bemalten Wandfläche sind Ausdruck der Kunstfertigkeit der Magdalénien-Bewohner des Hohle Fels. Die Jagdfauna ist umfangreich und wird vom Ren dominiert.

Im Gravettien liegt eine außergewöhnlich intensiver Begehung der Höhle vor. Im typologischen Spektrum der Steinartefakte finden sich Rückenmesser, Gravettespitzen und auch ein Basisfragment einer Font-Robert-Spitze. Auffällig ist das zahlreiche Vorkommen von tropfenförmigen Anhängern aus Elfenbein. Erwähnenswert sind ferner eine gravierte Geweihhacke, Hasenknochen mit Kerben, zahlreiche Geschoss-Spitzen und zwei Lochstäbe, einer davon mit Verzierungen. Die wichtigste Schicht des Gravettien ist eine dünne Schicht ("Leithorizont") von meist nur drei bis fünf Zentimetern, die überwiegend aus Knochenkohle besteht und deren Ausdehnung über mehrere Quadratmeter verfolgt werden konnte; die Grenzen waren bisher jedoch noch nicht fassbar. Diese Ascheschicht ist auf 29.000 BP datiert.

Einer der Höhepunkte der Grabungskampagne 1999 war der Fund einer kleinen Tierplastik, einem Pferdeköpfchen, das aus Elfenbein geschnitzt wurde. Es lag unter der Gravettien-Ascheschicht und sollte auf Grund der Fundlage noch dem Gravettien zuzurechnen sein. Typologisch erinnert es aber eher an die bekannten Vogelherdfiguren. Eine Datierung eines benachbarten Rentiergeweihstückes (ca. 2 cm entfernt) ist in Auftrag gegeben und sollte bis Februar 2000 vorliegen.

Literatur:

CONARD, N. J., FLOSS, H. 1999: Ein bemalter Stein vom Hohle Fels bei Schelklingen und die Frage nach paläolithischer Höhlenkunst in Mitteleuropa. Archäologisches Korrespondenzblatt 29/1999 Heft 3, 307 – 316.

CONARD, N. J., UERPMANN, H.-P. 1999: Die Ausgrabungen 1997 und 1998 im Hohle Fels bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1998, 47 –52.

CONARD, N. J., LANGGUTH, K. & UERPMANN, H.-P. 2000 (im Druck): Die Ausgrabungen 1999 im Hohle Fels bei Schelklingen, Alb-Donau-Kreis. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1999.

 

Rüdiger LUTZ, Innsbruck:

Die Neolithischen Wanderhirten des Fezzan – Felsbilder im Messak Sattafet und Messak Mellet, Fezzan, Libyen.

Die mächtige Geröllhochfläche der Gebirge Messak Sattafet und Messak Mellet erstreckt sich im Ausmaß von etwa 400 x 80 km im südlichen Libyen. In den tief eingeschnittenen Schluchten finden sich Zehntausende prähistorische Felsgravuren. Gegen Norden und gegen Westen fällt die Tafel mit einer unzugänglichen, 300 m hohen Steilwand (Falaise) gegen die Dünen von Ubari und Uan Khasa ab. Gegen Osten senkt sie sich flach in das Sammelbecken des Wadi Berdijush und die angrenzenden Dünen von Murzuk. Hierher entwässern die Flüsse. Nur aus dieser Richtung konnten Mensch und Tier in das Gebirge gelangen. Im Zuge einer möglichst flächendeckenden Gesamtaufnahme der Felsbilder wurden die Wadis (Täler) zu Fuß begangen, wobei der Talgrund besonders aufmerksam untersucht wurde. Am Rückweg zu den abgestellten Fahrzeugen bot sich reichlich Gelegenheit auch die Bodenfunde auf der Hochfläche genauer zu beobachten. Insgesamt liegen Milliarden Steinwerkzeuge an der Oberfläche. Sie belegen die Anwesenheit des Menschen über gut zwei Millionen Jahre. Die überwiegende Menge an Artefakten ist dem Levallois-Moustérien zuzuordnen, das die vergangenen hunderttausend Jahre abdeckt. In einer frühen Phase der Felskunst wurden überwiegend Wildtiere und deren Jagd abgebildet. Diese Bilder sind durch Ausscheidung von Schwermetalloxiden stark patiniert, d.h. nachgedunkelt. Die Werkzeuge desLevallois-Moustérien und des Atérien könnten mit der frühesten Felskunst in Zusammenhang stehen. Im Neolithikum (ab ca. 8.000 v.Chr.) überwiegen Tausende Bilder von Haustieren. Diese Gravuren sind grundsätzlich besser erhalten, ihre Linien sind frischer. Überraschenderweise sind neolithische Steinwerkzeuge und Keramik, die man hierzu erwarten müsste, kaum aufzufinden. Trotz jahrelanger aufmerksamer Suche konnten nur an ganz wenigen Stellen geringe Spuren bzw. Einzelstücke entdeckt werden. Das Argument, dass die neolithischen Werkzeuge verschüttet sein könnte, gilt nicht, da ähnlich kleine Stücke des Atérien und des Levallois-Moustérien in großer Menge unmittelbar an der Oberfläche liegen. Vergleicht man die unvorstellbare Dichte neolithischer Werkzeuge innerhalb der Dünen von Murzuk mit der geringen Zahl an Einzelstücken im Gebirge, so drängt sich der Schluss auf, dass die Hirtenbevölkerung nicht im Gebirge gesiedelt hat. Die Menschen lebten am Ufer der zahlreich vorhandenen Seen innerhalb der Dünenlandschaft. Es muss aber zu jeder Zeit ein reger ökologischer Austausch zwischen dem Gebirge und dem Vorland stattgefunden haben. Aus drei triftigen Gründen suchten die Menschen, schon vom frühesten Paläolithikum an, das eher unwirtliche Gebirge auf:

Die Felsbilder selbst belegen diese Annahme. Es gibt Abbildungen von Hirtenlagern und Rinderherden. Wahrscheinlich haben nur wenige Hirten große Herden über begrenzte Zeiträume begleitet. Aufgrund fehlender Sesshaftigkeit haben sie außer den Felsbildern kaum Spuren hinterlassen. Es fehlen neolithische Siedlungs- und Schlagplätze, Reibsteine, Reibschalen und die Bruchstücke von Keramik, die in den Dünen massenweise vorkommen.

 

Hansjürgen MÜLLER-BECK, Tübingen:

Die Ältere Urgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland in den Nachkriegsjahren 1950-1990 und 1991-1999.

In einem Vorspann wird zunächst auf die Einbindung der "Paläolithforschung" in die Planungen und Entwicklungen im Dritten Reich eingegangen, die Basis der Nachkriegsgeschichte des Faches in der Bundesrepublik sind. Zwischen 1933 und 1939 wurden in der Älteren Urgeschichte – im Gegensatz zur Indogermanenforschung – fast nur schon bestehende Ansätze fortgeführt. Sie wurden aber bis zu ihrer weit gehenden Einstellung 1939 oft von Angehörigen regional oder überregional tätiger "Parteigliederungen" übernommen (Weinberghöhlen oder Lonetal). Eine Sonderrolle spielten die Grabungen im Meiendorfer Tunneltal durch A.RUST, der dank der Unterstützung des damaligen Präsidenten des DAI seine Untersuchungen weiterführen und noch 1943 repräsentativ publizieren konnte. Nach 1939 ging es vor allem um die sehr oft wirkungslose Sicherung der Bestände im Reichsgebiet. Im Zuge der bis 1944 unentwegt und mit hohen Investitionen weiter verfolgten Germanisierungsplanungen erfolgte die rücksichtslose Übernahme der osteuropäischen prähistorischen Forschung, die ideologisch im Bereich der Ethnogenese und Rassenkunde und vor allem in Polen und der Sowjetunion mit mörderischer Konsequenz durchgesetzt wurde.

Mein eigener Kontakt zur Urgeschichte hatte schon in den Berliner Museen und mit der politischen Schulung in der Hitlerjugend begonnen. Er setzte sich speziell im Biologieunterricht in Giessen fort und intensivierte sich bereits bei Studienbeginn 1949/1950 zunächst in Marburg und dann speziell in Heidelberg bei E.WAHLE und H.KIRCHNER, wo die Ältere Urgeschichte, wie an fast allen anderen universitären Fachinstituten der Republik, Teil des allgemeinen Lehrangebots war, hier freilich mit starker ethnohistorisch-geowissenschaftlicher Ausrichtung.

Ein erster Universitätsschwerpunkt der Paläolithforschung entwickelte sich in den fünfziger Jahren bei den aus Prag zurückgekehrten L.F.ZOTZ und G.FREUND in Erlangen. A.RUST setzte als Mitarbeiter des Universitätsmuseums Schleswig seine Grabungen fort, an denen ich teilnehmen konnte. G.RIEK kam in Tübingen zur Paläolithforschung zurück, nachdem er dort zuvor die regionale Keltenforschung ausgebaut hatte, die andere weiterführten. H.KÜHN konnte sich in Mainz ausführlich weiterhin der paläolithischen Kunst widmen. Ein neues Steinzeit-Institut etablierte H.SCHWABEDISSEN mit guter naturwissenschaftlicher Ausstattung in Köln. Dort baute G.BOSINSKI in Zusammenarbeit mit dem RGZM in Mainz die Paläolithforschung stark aus. In Göttingen (K.J.NARR) und Freiburg (H.MÜLLER-BECK) wurden der Älteren Urgeschichte gewidmete Dozenturen zeitweilig verfügbar. Eine Reihe von Museen und Denkmalämtern führten und führen auch weiterhin mit unterschiedlicher Intensität urgeschichtliche Forschungen durch.

Neuberufungen von Paläolithikern auf Lehrstühle erfolgten in Tübingen, Münster, Köln und Erlangen. Nur in Erlangen und Tübingen kam es bisher zu einer weiteren Nachfolge eines Paläolithikers, nicht so in Köln und Münster. Einen wichtigen Schritt für die Kontakte der Urgeschichtsforschung zur Öffentlichkeit stellt das neue Neandertalmuseum dar. Dagegen wurde die besonders aktive museale Urgeschichtsforschung in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung 1991 reduziert. Das Forschungsprojekt Bilzingsleben (D.MANIA) konnte an der Universität Jena fortgeführt werden. Der notwendige Ausbau der Forschung wird postuliert und begründet.

 

Susanne MÜNZEL, Tübingen:

Mammutjäger und Flötenspieler im Achtal. Zum Stand der Faunenauswertung im Geißenklösterle und im Hohle Fels.

Die Geißenklösterle-Höhle und der Hohle Fels liegen im Achtal zwischen Blaubeuren und Schelklingen auf der Schwäbischen Alb. Die chronologische Abfolge in den beiden Höhlen reicht vom Magdalénien über das Gravettien bis zum Aurignacien. Das Mittelpaläolithikum ist bisher nur im Geißenklösterle erschlossen. Während die Fauna im Geißenklösterle bereits ausgewertet ist, steht die Auswertung der Hohle Fels-Fauna erst an ihrem Beginn. Dennoch lassen sich bereits erste Parallelen zum Geißenklösterle ziehen. Das Artenspektrum der beiden Höhlen ist sehr ähnlich. Artefaktzusammensetzungen zwischen den beiden Stationen haben gezeigt, dass hier sowie mit der Brillenhöhle enge Kontakte bestanden haben.

Im Geißenklösterle ist die Faunengesellschaft vor dem Hochglazial artenreich und divers, mit vielen verschiedenen Biotopansprüchen. Sie kann als gemäßigt kaltzeitlich bezeichnet werden. Neben Tundrenelementen, wie Rentier, Eisfuchs und Schneehase, kommen Steppenelemente wie Mammut, Wildpferd und Nashorn vor sowie Arten, wie Rothirsch, die Galeriewälder an Flussläufen oder Busch- und Strauchvegetation bevorzugen, oder Arten, wie Steinbock, Gämse und Murmeltier, die heute typische Vertreter der Gebirgsfauna sind. Karnivoren sind in der Regel nicht sehr typisch für bestimmte Biotope, da sie überall dort leben können, wo Beutetiere leben. Doch das breite Spektrum an Raubtierarten spiegelt die Vielfalt der Beutetiere wider.

Trotz stratigrafischer Unsicherheiten in den obersten geologischen Horizonten ist ein Faunenwandel vor und nach dem Hochglazial deutlich erkennbar, sowohl in Bezug auf die Artenvielfalt als auch in Bezug auf die Veränderung der Körpergröße bei einigen Arten.

Am häufigsten sind Tiere der offenen Landschaft, wie Mammut, Pferd oder Rentier erbeutet worden, die als Herdentiere in größerer Stückzahl gejagt werden konnten, obwohl Steinbock und Gämse als Felsbewohner wahrscheinlich in unmittelbarer Umgebung der Höhle erreichbar waren. Dass die letztgenannten Arten im Fundmaterial nur schwach vertreten sind, könnte damit zusammenhängen, dass sie in den Felsklüften schwieriger zu jagen sind, zumal sie eher einzeln oder in kleinen Gruppen auftreten. Ähnlich schwierig war wahrscheinlich die Jagd auf Nashörner, die zwar in der offenen Landschaft leben, aber als Einzelgänger seltener anzutreffen waren.

Die quantitative Auswertung der wichtigen Jagdtierarten im Geißenklösterle zeigt nur geringe Unterschiede zwischen den drei archäologischen Hauptfundhorizonten (Gravettien, Aurignacien und Protoaurignacien), während die quantitative Zusammensetzung der Skeletteile für die Hauptjagdtierarten ganz erheblich von einer "natürlichen Verteilung" der Skeletteile abweicht. Hier haben offensichtlich Selektionsprozesse stattgefunden. Welcher Natur diese sind, wird Gegenstand des Vortrages sein.

 

Christine NEUGEBAUER-MARESCH, Wien:

Neue Prospektionen und Forschungen zum Paläolithikum in Niederösterreich.

Mit Beginn des Jahres 2000 wurde von der Prähistorischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und mit Finanzierung durch den Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung ein Dreijahresprojekt gestartet, das den Titel: "Paläolithische Industriekreise vor dem letzten Eishöchststand zwischen 32.000 und 20.000 BP unter archäologischen und paläoökologischen Aspekten" trägt.

Wie beim Symposium in Wien im Februar 1999 bereits dargestellt, gibt es bekanntlich zwar eine große Anzahl an altsteinzeitlichen Fundplätzen vor allem in Niederösterreich, wenn man aber ihren wissenschaftlichen Wert hinterfragt, so kommt man sehr schnell an die Grenzen ihrer Aussagemöglichkeiten. Nicht einmal bei 10% der Stätten sind außer Artefakt- und eventuell paläontologischen Funden auch klimageschichtliche Untersuchungen oder Profilaufnahmen erstellt worden.

Ausgehend von den durch die Fundstätten von Willendorf und Stratzing erlangten Bausteine zur Archäologie und Klimageschichte soll versucht werden, den Zeitraum des Endes des Aurignacien und den Verlauf des Gravettien bis zum letzten Vereisungshöchststand zu erfassen. Dazu sollen – in einem ersten Stadium beschränkt auf den Zentralraum Niederösterreichs – einerseits altbekannte Fundstätten herangezogen werden, andrerseits eine Prospektion nach neuen Fundplätzen erfolgen. Sämtliche angestrebte Ziele sind Ergebnisse einer Vernetzung geowissenschaftlicher, paläontologischer und archäologischer Forschungen: Charakterisierung des Zeitraumes an der Wende vom Aurignacien zum Gravettien und die Beurteilung ausgesuchter Altfundplätze nach modernen Kriterien zwecks Rekonstruktion eines Paläoreliefs und der Lokalisierung von neuen Fundstellen. Besonderes Augenmerk gilt den süddanubischen Stationen, da zu den dortigen Fundstätten überhaupt keine modernen naturwissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen (z. B. Langmannersdorf).

Im Jahre 1999 konnte von Referentin bereits mit Vorarbeiten zu diesem Projekt begonnen werden. Hauptarbeit dabei war der Versuch, beiläufig in der Literatur erwähnte Fundstätten auch tatsächlich im Gelände wieder aufzufinden, Zustand und ev. Gefährdung zu erheben. So konnte etwa in einem Keller in Gobelsburg ein Profil erstellt und beprobt werden. Weiters wurden rechtzeitig vor einem Bauvorhaben umfangreiche Bohrungen und sedimentologische Untersuchungen am Hundsteig in Krems durchgeführt, die eine Fortsetzung der Kulturschichten nach Süden erwarten lassen. Auch die Arbeiten am Galgenberg von Stratzing wurden fortgesetzt und sollen 2000 zum Abschluss gebracht werden.

 

Laura NIVEN, Tübingen:

The Aurignacian Faunal Assemblage from Vogelherd and Subsistence Behavior

of Early Modern Humans in Southern Germany.

In Zusammenarbeit mit Nicholas J. CONARD und Hans-Peter UERPMANN, Tübingen.

In 1931 Gustav Riek conducted excavations at Vogelherd Cave in southwest Germany and uncovered a stratigraphic sequence spanning the Middle and Upper Paleolithic. The rich Aurignacian horizons contained abundant lithic artifacts, faunal remains, bone and antler tools, ivory artworks, and skeletal remains of Homo sapiens sapiens. The Aurignacian fauna includes ca. 10,000 specimens dominated by mammoth, horse, and reindeer, and preserves numerous indications of modification by humans in the form of cutmarks and impact fractures. The abundant mammoth (Mammuthus primigenius) remains provide information on the season of occupation at the cave, age profile, and utilization of this species by the inhabitants of Vogelherd. While Ulrich Lehmann analyzed the material from a paleontological perspective in the 1950s, this paper presents preliminary results from an archaeozoological analysis of the Aurignacian fauna from Vogelherd and places these results in a regional context of early Upper Paleolithic subsistence strategies and settlement patterns.

 

Clemens PASDA, Erlangen:

Die Nutzung von Höhlen und Abris bei historischen Inuit in Westgrönland.

Vorgestellt wird ein kleines, 1999 und 2000 im küstenfernen Inland Westgrönlands durchgeführtes Projekt. Ziel der als Survey durchgeführten Untersuchung ist, wie und in welcher Form historische Eskimo Höhlen und Felsüberhänge nutzten. Hier werden die Ergebnisse des vergangenen Jahres erläutert. Neben dieser Zielsetzung wurden weitere archäologische (Dokumentation von neu entdeckten Fundstellen, Aufnahme von Feuerstellen und Zeltringen) und archäozoologische Fragestellungen (osteometrische und tafonomische Untersuchungen an Rentierskeletten) verfolgt.

 

Andreas PASTOORS, Neuwied:

Das Mittelpaläolithikum im Tal des Riera de Mediona (Spanien) – Die Systematik der Steinbearbeitung.

In Zusammenarbeit mit Gerd-Christian WENIGER, Mettmann.

Im Rahmen eines interdisziplinären Projekts wurden in den Jahren 1987 bis 1997 Ausgrabungen zur Erforschung der Talgeschichte des Riera de Mediona (30 km südwestlich von Barcelona) durchgeführt. Die Leitung des Projekts hatte von spanischer Seite Jordi Estévez und von deutscher Seite Gerd-Christian Weniger.

Vier mittelpaläolithische Fundstellen mit zum Teil mehreren Fundplätzen konnten im Rahmen des Projekts entdeckt und untersucht werden (La Boria, Can Costella, La Canyada und La Mediona I). In der von Andreas Pastoors durchgeführten Bearbeitung der Steinartefakte zeigten sich überraschende Ähnlichkeiten in der Systematik der Steinbearbeitung über eine zeitliche Dauer von 40.000 Jahren. Dies gilt für die Rohmaterialauswahl, die Initialisierung der Rohstücke, die Realisierung der physikalischen Voraussetzungen der Grundformproduktion und die Weiterverarbeitung zu retuschierten Werkzeugen. Eine besondere Rolle kommt der Nutzung des Feuers im Rahmen der Initialisierung der Rohstücke zu.

Diese im Wandel der Zeit verbleibende Gleichförmigkeit ist sicherlich zu erheblichem Maße durch das Rohmaterial beeinflusst. Es zeigt sich aber auch die Fähigkeit, das technologische Wissen effektiv und zielgerichtet einzusetzen.

 

Wilfried ROSENDAHL, Darmstadt:

Die "Neue Laubensteinhöhle" - eine neue alpine Bärenhöhle in Deutschland und ihre interdisziplinäre Erforschung.

In Zusammenarbeit mit Robert DARGA, Siegsdorf und Arthur HOFFMANN, Neubeuren.

Das Laubensteingebiet in den Chiemgauer Alpen gehört speläologisch zu einem der bekanntesten und interessantesten alpinen Karstgebiete Deutschlands. Im November 1996 entdeckte A. Hoffmann, Höhlenforscher und Mitglied derBergwacht, in einer schon länger bekannten kleinen Höhle eine mit Geröll verstopfte Gangfortsetzung. Nach dem Ausräumen der Gangverfüllung und der einer wenige Meter langen Kriechstrecke führte der Gang über eine Steilstufe in eine Halle. Schon in der Gangstrecke fanden sich einige Kochen, die später als Reste von Capra ibex und Ursus arctos bestimmt werden konnten. Die weitaus interessanteren Knochenfunde befanden sich aber verstreut am Boden der großen Halle. Der Entdecker verhielt sich sehr umsichtig, ließ die Kochen an Ort und Stelle und verständigte das Naturkunde- und Mammutmuseum in Siegsdorf. Koordiniert durch diese Institution begann im Sommer 1997 die interdisziplinäre, wissenschaftliche Erforschung der Höhle. Zuerst wurde der neue Höhlenteil vermessen und die Lage der Knochen und Schädel dokumentiert. Anschließend wurden die Skelettreste geborgen und im Bereich mit den meisten Oberflächenfunden eine 4x2 m große, etwa 1-2 m tief reichende Sondage-Grabung durchgeführt. Hauptziel der Grabung waren tafonomische und sedimentologische Informationen. Die Bestimmung der Knochen aus der Halle ergab wiederum Ursus arctos, aber auch Ursus spelaeus. Beide Bären sind durch juvenile wie adulte Individuen vertreten. Der Erhaltungszustand der Skelettreste war sehr unterschiedlich. Insgesamt deuteten die Faunenfunde auf eine zweiphasige Begehung der Höhle durch Bären hin. In diesem Zusammenhang stellte sich auch die Frage, ob Ursus arctos und Ursus spelaeus zeitgleich oder in unterschiedlichen Phasen die Höhle besuchten. Um dies zu beantworten, wurden 1998, u.a. mit finanzieller Unterstützung des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, sechs AMS 14C-Datierungen durchgeführt. Das Ergebnis: die jüngste Bärenbelegung der Höhle, durch Ursus arctos , fällt in das Frühholozän, die nächst ältere Bärenbelegung, durch Ursus arctos und Ursus spelaeus fällt zweiphasig in das Oberpleistozän. Neben 14C-Datierungen wurden ESR-Datierungen an einem Höhlenbärenzahn, Paläo-DNA-Untersuchungen und isotopengeochemische Analysen an Höhlenbärenmaterial vorgenommen. Des Weiteren laufen Untersuchen zum Alter der Speläotheme, zur Sedimentologie und Pollenanalyse sowie die weitere Bearbeitung des Faunenmaterials. Mit der "Neuen Laubensteinhöhle" liegt für Deutschland erstmals eine im Fundkontext ungestörte alpine Bärenhöhle vor. Dies, und die weitgefächerte interdisziplinäre Erforschung machen die Bedeutung der Höhle und ihrer Funde aus.

 

Helga Roth, Konstanz:

Der Jäger aus der Bichon Höhle im Jura im Vergleich zwischen Neandertalern und subaktuellen Europäern: eine Untersuchung des Unterkiefer-Alveolarbogens.

In Zusammenarbeit mit Christian SIMON, Genf-Carouge.

Das epipaläolithische Skelett (12 000 BP) aus der Bichon-Höhle wurde vor beinahe 50 Jahren entdeckt und untersucht. Interdisziplinäre Untersuchungen versuchen, die Informationen zu aktualisieren. Nach Formicola et al. (1998) ist er ein robuster, rund 20-jähriger Mann von mittlerer Statur, mit einer relativ langen Tibia - verglichen zu seinem proximalen Segment. Sein Schädel ähnelt dem Cro-Magnon Typ (länglicher Schädel mit niederem, breitem Gesicht und eckigen Augenhöhlen und breiter Nase). In dem voliegenden Beitrag wird der Bichon-Jäger mit 36 Unterkiefern in 3 Populationen verglichen. Die Rohdaten zeigen die bekannte Entwicklung der zunehmenden Grazilisierung. Multivariate Untersuchungen (Hauptkomponentenanalyse, Diskriminanzanalyse) der 12 respektive 10 Längen und Breiten des Zahnbogens ergeben, dass es im Wesentlichen die Breiten- und Längendimensionen im Bereich der Prämolaren sind, also in der Mitte der Halbarkade, welche die Differenzierung der Gruppen bewirken. Die jugalen Längen spielen allerdings eine geringere Rolle. Die Neandertaler trennen sich bzgl. der 1. Axe im Verteilungsdiagramm der ersten beiden Faktoren durch ihre größeren Breitendimensionen von Jungpaläolithikern und subaktuellen Europäern ab. Die beiden Populationen überlagern sich, differenzieren aber bzgl. der 2. Axe, wobei die Jungpaläolithiker durch längere Arkaden charakterisiert werden. Der Bichon-Mensch hat einen der schmälsten oder relatif länglichsten Unterkiefer des Messmusters und ähnelt der Form der jungpaläolithischen Population, obwohl er geo-chronologischen zu deren jüngsten Vertretern gehört.

 

Klaus SCHMUDE, Essen:

Untersuchung schwieriger, besonders älterer Fundstücke aus Fluss-Terrassen und Strukturierung ihrer Trennung von Geofakten mit Hilfe eines regelbasierten und zusätzlich eines Fuzzy-Experten-Systemes (Posterpräsentation).

Es wird über den Aufbau eines auf Regeln basierenden Expertensystems berichtet, dessen Entwicklung durch eine interdisziplinäre Diplomarbeit des Lehrstuhles 1 für Informatik der Universität Dortmund unterstützt wird. Das System, ARTEGEO, umfasst 9 Regeln, die insgesamt rund 50 Bedingungen enthalten. Die ersten 3 Regeln umfassen den geologischen Teil der Bearbeitung eines Fundstückes bzw. seiner Fundstelle, die folgenden 5 Regeln befassen sich mit der Lithik. Die letzte Regel nennt die resultierende Artefaktwahrscheinlichkeit.

Parallel zum lithischen Teil des regelbasierten Systems wurde zusätzlich ein weiteres unter Verwendung von Fuzzy Logik entwickelt, da diese mathematische Methode besonders aufschlussreiche Aspekte für den Umgang mit unsicherem, schwierigen Fundmaterial bietet. Hierzu wurden Kriterien entworfen, die dazu dienen, mit Hilfe von Fuzzy-Gruppierungen Fundstücke in einer 1. Stufe grob zuzuordnen, um dann ihre Attribute einzeln zu bewerten, in Fuzzy Sets darzustellen und diese Bewertungen mit Hilfe von Regeln grafisch zu dem Ergebnis "Artefaktwahrscheinlichkeit" zusammen zu fassen.

Diese Methoden, die seit ca. 25 Jahren existieren, zerlegen die Untersuchung eines Fundstückes bzw. einer Fundserie in einen schrittweisen, hierarchischen Ablauf und erhöhen die Systematik der Bearbeitung erheblich. Die hier beschriebenen Systeme wurden jedoch lediglich für Geröllgeräte aus Flussterrassen entwickelt, da letztere häufig reiche Fundstellen sind, oft aber vermischtes, auch verschliffenes Fundgut enthalten, gelegentlich noch von hohem Alter mit erheblicher Problematik. Auf anders gearteten Fundstellen sind die beiden Systeme nicht ohne weiteres und nur begrenzt anwendbar. Das Bearbeiten von Fundstellen mit Beifunden und deutlichen Inventaren lithischer Artefakte an gut erkennbarem Gestein wie Flint wäre sinnlos.

Die Methoden der Expertensysteme und der Fuzzy Logik enthalten eine reiche Gedankenwelt, die sicherlich weiteren Bereichen der Archäologie nützlich sein könnten. Dieser Vortrag soll daher eher Anregung zur weiteren Beschäftigung mit der Materie sein und nicht so sehr fertige Ergebnisse vorstellen, da wegen der Neuheit des Stoffes eine konstruktive Diskussion nur in beschränktem Umfang möglich war.

 

Jordi SERANGELI, Tübingen:

Der Küstenlandstrich im jungpaläolithischen Europa. Bemerkungen über eine Region, die heute im Reich Neptuns liegt.

Die Archäologie und die Urgeschichtliche Archäologie insbesondere ist in einem bestimmten Sinne die Wissenschaft der "begrenzten Möglichkeiten". Sie bringt nur das ans Tageslicht, was nach dem Einwirken verschiedener Ausleseprozesse in einem Zeitraum von Tausenden von Jahren aus der Vergangenheit übrig geblieben ist. Weiterhin wirkt der Archäologe selbst durch die Ausgrabung und Bestimmung der Funde als Filter. In dieser Arbeit soll die Auswirkung des Meeresspiegel-Anstieges seit dem Jungpaläolithikum als Filter für die archäologischen Aussagen besprochen sowie eine bestimmte archäologische Einstellung dazu hinterfragt werden. Anhand von archäozoologischen Resten und paläolithischen Darstellungen insbesondere von Robben und Riesenalk soll der Küstenlandstrich im jungpaläolithischen Europa in ein anderes Licht gerückt werden. Dies gilt insbesondere für Interpretationsmodelle, die mit den für das Mesolithikum geltender Modellen verglichen werden sollen.

 

Marco SPURK, Stuttgart-Hohenheim:

Natürlich und anthropogen bedingte Umweltänderungen rekonstruiert aus subfossilen Bäumstämmen von Main, Rhein und Donau.

In Zusammenarbeit mit Hanns-Hubert LEUSCHNER, Göttingen, Michael FRIEDRICH und Jutta HOFMANN, Stuttgart-Hohenheim.

Die zur Untersuchung herangezogenen Bäume entsprechen dem gesamten Material, das in den Kiesgruben der Flüsse Main, Rhein und Donau in den letzten 30 Jahren gesammelt und datiert worden ist. Letztendlich ergab dieses Material eine Jahrringchronologie, die das gesamte Holozän, also die letzten 12.000 Jahre, abdeckt.

In der Chronologie vom Main können sehr deutlich Zeiträume identifiziert werden, in denen große Mengen an Bäumen eingelagert wurden, so genannte Depositionsphasen. Diese werden von Phasen unterbrochen, in denen keine oder nur wenige Bäume deponiert wurden. Jeweils während dieser Phasen ohne Einlagerung konnte eine Regeneration der Auenwälder ausgemacht werden. Dieses typische Muster wiederholt sich um 4000 BC, 2700 BC, 2200 BC, 1700 BC, 400 BC, 140 BC und AD 400.

Ein Vergleich dieses Musters mit D 18O Werten des GRIP Eisbohrkernes zeigt eine erstaunliche Übereinstimmung. Phasen mit erhöhter Deposition treten zeitgleich mit Phasen auf, die höhere D 18O Werte, also höhere Temperaturen, aufwiesen. Diese Übereinstimmung existiert allerdings nur im Zeitbereich vor 2000 BC. Dies lässt den Schluss zu, dass das Depositionsverhalten vor 2000 BC klimatischer Natur ist. Ab 2000 BC scheint dann mit dem immer größer werdenden Einfluss des Menschen diese Relation verloren zu gehen und die Intensität von Einlagerung und Regeneration mit der Anwesenheit oder Abwesenheit des Menschen in der Flussaue zusammenzuhängen. Demnach spiegeln die Phasen, in denen wenig Bäume gefunden wurden, Perioden wider, in denen die Auen stark genutzt worden sind, wogegen eine Regeneration der Auwald-Eichen nur bei einer weniger intensiven Nutzungsform denkbar erscheint.

Ein Vergleich der genannten Depositionsänderungen am Main mit den Flüssen Donau und Rhein konnte nur im Zeitbereich nach 2000 BC verlässlich durchgeführt werden, da nur in diesem Bereich ausreichend Bäume zur Verfügung standen. Es ergaben sich Übereinstimmungen aber auch Gegensätze, die ebenfalls mit dem Einfluss des Menschen in Verbindung gebracht werden, dessen Siedlungsverhalten bis heute nicht ausreichend geklärt ist.

 

Elisabeth STEPHAN, Tübingen:

Rekonstruktion von Paläotemperaturen anhand von Sauerstoffisotopenverhältnissen in Pferdeknochen- und -zähnen aus der Sesselfelsgrotte.

Das Verhältnis der Sauerstoffisotopen 18O/16O in Knochenapatit und Zahnschmelz terrestrischer Grosssäuger wird durch Fraktionierungen sowohl im Verlauf des meteorologischen Zyklus als auch innerhalb des Tierkörpers bestimmt. Da die Variation der Isotopenverhältnisse im meteorischem Wasser, d. h. im Trinkwasser der Tiere, hauptsächlich durch Temperaturschwankungen verursacht wird (Dansgaard, 1964) und innerhalb der Tiere bei der Verstoffwechselung und beim Einbau des Sauerstoffs in Knochen und Zähne eine lineare Anhebung der Verhältnisse erfolgt, bestehen zwischen Isotopenverhältnissen und Temperaturen positive Korrelationen: Je höher die Temperaturen desto höher die18O/16O-Verhältnisse. Auf Grund der lebenslangen Erneuerung des Gewebes kann mit der Analyse von Knochen auf Jahresmitteltemperaturen zurückgeschlossen werden. Die Isotopenverhältnisse im Zahnschmelz dagegen spiegeln saisonale Temperaturschwankungen wider, da der Schmelz nach seiner Bildung keine chemischen Umstrukturierungen mehr erfährt. Nachgewiesen für rezente Tiere, die ihren Wasserbedarf überwiegend aus dem Trinkwasser beziehen, können diese Beziehungen auch auf bodengelagerte Faunenfunde übertragen und zur Ermittlung von Paläotemperaturen verwendet werden. Entsprechende Untersuchungen wurden an Pferdefunden aus der Sesselfelsgrotte durchgeführt. Die beprobten Knochen und Zähne stammen aus der Magdalénien-Fundschicht C sowie aus den mittelpaläolithischen Schichten E, G, L, M, N, O und P. Die Sauerstoffisotopen wurden mittels Silberphosphatfällung aus dem Apatit der Knochen und Zähne isoliert und im Gasmassenspektrometer als Kohlendioxid gemessen (Stephan, 1999). Die 18O/16O-Verhältnisse in Knochen belegen für die so genannten "Unteren Schichten" M, N, O und P, die sterile Schicht L und das späte Mittelpaläolithikum in Schicht E höhere Mitteltemperaturen bzw. wärmeres Klima als für den G-Schichtkomplex. Diese Ergebnisse lassen sich mit der hypothetischen Chronologie von Richter (1997) in Übereinstimmung bringen. Die Schichten von M bis P mit anspruchsvollen Wasserschnecken sind in die noch recht warmen Frühwürm-Tiefseeisotopenstadien OIS 5(b)/a datiert. Die Funde aus den G-Schichten zeigen mit einem Wechsel von gemässigter zu kalter Steppenfauna ein ausklingendes Interstadial, evtl. das Örel am Beginn des OIS 3 an. Für die Magdalénienschicht C, die an den Übergang von der Ältesten Dryas zum Bölling datiert, zeigen die Sauerstoffdaten wieder ansteigende Temperaturen an. Die Analysen von Pferdezähnen aus verschiedenen Schichten weisen - auch nach langer Bodenlagerung -unterschiedlich starke saisonale Schwankungen auf. Die Ergebnisse für Funde aus der Sesselfelsgrotte stehen mit Isotopenanalysen von Tierknochen aus mittelpaläolithischen Fundplätzen wie z. B. Wallertheim, Villa Seckendorff und Kogelstein in recht guter Übereinstimmung. Die18O/16O-Verhältnisse der Knochen aus Schicht C dagegen fallen im Vergleich mit Analysen magdalénienzeitlicher Funde z. B. aus dem Geissenklösterle, dem Vogelherd, Andernach und Gönnersdorf relativ hoch aus (Stephan, 1999).

Literatur:

DANSGAARD, W. 1964: Stable isotopes in precipitation. - Tellus 16, 436-468.

RICHTER, J. 1997: Der G-Schichten-komplex der Sesselfelsgrotte. Zum Verständnis des Micoquien. Quartär-Bibliothek Bd. 7. Saarbrücken.

STEPHAN, E. 1999: Sauerstoffisotopenverhältnisse im Knochengewebe grosser terrestrischer Säugetiere: Klimaproxies für das Quartär in Mittel- und Westeuropa. - Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten (TGA), Reihe E: Mineralogie, Petrologie und Geochemie. Band 6/99. Shaker Verlag, Aachen.

 

Jiri SVOBODA, Brno-Dolní Vestonice (Tschechische Republik):

Stránská skála 1982-1999. Neue Erkenntnisse zum Frühjungpaläolithikum Mährens.

Im Jahr 1999 wurden die langjährigen Grabungen auf dem Gipfel der Stránská skála beendet und die Ergbnisse werden gegenwärtig für eine monografische Veröffentlichung vorbereitet. Zwei frühjungpaläolithische Kulturen, das Bohunicien und das Aurignacien, wurden an mehreren Stellen und in den Profilen (Ss II-IIa, Ss III, IIIa-e) im Rahmen der zwei wichtigen Bodenhorizonte gefunden, die zwischen 40 - 30 ky datiert sind. Die 14C-Daten des Bohuniciens liegen zwischen 41 - 34,5 ky. Das Aurignacien ist radiometrisch und stratigrafisch später (33 - 30 ky) und entwickelt sich dann noch weiter in dem oberen Löss.

hrend das Aurignacien Mitteleuropas mit dem modernen Menschen verbunden ist (Mladeč), und es mehrere indirekte Hinweise gibt, dass das Szeletien (sowie das Chatelperronien in Westeuropa) ein Produkt der späten Neandertaler sein könnte, sind die Träger der spezifischen Technologie des Bohuniciens bisher anthropologisch noch unbekannt geblieben.

 

Elaine TURNER, Neuwied:

Neandertaler oder Höhlenbär? Eine Neubewertung der "Neanderthaler" Schädelreste aus der Wildscheuer, Hessen.

In Zusammenarbeit mit Martin STREET, Neuwied, Winfried HENKE, Mainz und Thomas TERBERGER, Greifswald.

Altsteinzeitliche Menschenreste erfahren nach wie vor eine besondere Aufmerksamkeit in der Forschung, insbesondere dann, wenn es sich um solche des klassischen Neandertalers handelt. Obwohl aus den letzten Jahren zwei Neufunde größerer Schädelfragmente zu erwähnen sind (von Berg 1997; Czarnetzki 1998), ist die Gesamtzahl aussagekräftiger Neandertalerfunde in Deutschland nach wie vor bescheiden.

Ein näherer stratigrafischer und archäologischer Zusammenhang ist für diese Funde zudem nur in Ausnahmefällen gegeben. Die 1967 im Fundmaterial der ehemaligen Lahntalhöhle Wildscheuer identifizierten Menschenreste (Knußmann 1967) haben seit ihrer Publikation einen festen Platz in der "Familie" der Neandertaler eingenommen. Zwei Schädelfragmente (Wildscheuer A und B) sollen auf ein erwachsenes sowie ein juveniles Individuum zurückgehen.

Als im Oktober 1997 im Museum Wiesbaden Proben für Radiokarbondatierungen ausgewählt wurden, fiel eine Schachtel mit einer Reihe von kleineren Schädelfragmenten auf, in der ein älterer Zettel mit der Aufschrift "Homo zu geben an Knußmann" lag.

Im Juni 1999 wurde eine erste vergleichende Begutachtung dieser Schädelreste mit den als Neandertaler bestimmten Fragmenten (Wildscheuer A-B) durch die Autoren im Museum Wiesbaden vorgenommen, eine Zusammenkunft, die der Ausgangspunkt für die hier vorgestellten weiter gehenden Untersuchungen war.

Literatur:

BERG, A. von 1997: Ein Hominidenrest aus dem Wannenvulkan bei Ochtendung, Kreis Mayen-Koblenz. Arch. Korrespondenzblatt 27, 1997, 531-538.

CZARNETZKI, A. 1998: Neandertaler: Ein Lebensbild aus anthropologischer Sicht. In: Neandertaler und Co. Ausstellungskatalog (Münster).

KNUSSMANN, R. 1967: Die mittelpaläolithischen menschlichen Knochenfragmente von der Wildscheuer bei Steeden (Oberlahnkreis). Nassauische Annalen 68, 1-25.

 

Karel VALOCH, Brno (Tschechische Republik):

Paläolithische Archäologie in der ehemaligen Tschechoslowakei und ihr Beitrag zur mitteleuropäischen Forschung.

Die Erforschung der Altsteinzeit begann in Mähren um das Jahr 1870 durch H. Wankel in der Býcí skála (oder Stierfelshöhle) im Mährischen Karst. In Böhmen und in der Slowakei kamen die Anfänge um einige Jahre später. In dieser ersten Forschungsetappe während der letzten Jahrzehnte des 19. und des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts beteiligten sich an den Grabungen in Mähren wesentlich auch österreichische Forscher, namentlich Josef Szombathy (Höhle von Lautsch/Mladec), Richard Trampler (einige Höhlen im Mährischen Karst) und Gundacker Graf Wurmbrand (Lössfundstelle Joslowitz/Jaroslavice a.d. Thaya). Während dieser Zeit wurde die Gleichzeitigkeit des Menschen mit dem Mammut und Höhlenbär bestätigt, in Mähren wurden wichtige Fundstellen und zahlreiche menschliche Skelettreste entdeckt (Neandertaler: Šipka und Ochos, moderne Menschen in Predmostí, Mladec und Brno II).

Die zweite Forschungsetappe umfasst die Zeit zwischen beiden Weltkriegen 1918-1938. Die führende Persönlichkeit war Karel Absolon, die Forschung konzentrierte sich dadurch nach Mähren (Grabungen in Unter-Wisternitz und in der Pekárna-Höhle). In dieser Zeit waren in Brünn noch deutsche Amateurforscher tätig: Rudolf Czizek, Karl Schirmeisen, Hans Freising und Franz Cupik. In Böhmen und in der Slowakei wurden einige Fundstellen entdeckt und kleinere Grabungen durchgeführt (Lubná und Höhle Nad Kacákem in Böhmen, Zamarovce und Höhle Prepoštská sowie oberflächliche Obsidianindustrien von Cejkov und Kašov in der Slowakei).

Während der dritten Etappe (1939-1945) stand die Forschung unter der Leitung deutscher Fachleute. Lothar F.Zotz erforschte Moravany in der Westslowakei, der Holländer Assien Bohmers grub in Unter-Wisternitz und Gisela Freund studierte eingehend die Funde von Predmostí.

Nach 1945 trat eine neue Generation sowohl von Archäologen, als auch von verschiedenen mit dem Quartär sich befassenden Naturwissenschaftlern an. Als Aufgabe galt mit Hilfe neuer typologischer Kriterien die paläolithischen Kulturen zu unterscheiden und definieren und in Zusammenarbeit mit den Naturwissenschaftlern ein modernes stratigraphisch- chronologisches Gerüst des Paläolithikums aufzubauen. Diese Ziele wurden innerhalb von etwa 20 Jahren erreicht. Bei Feldforschungen wurde vom Anfang an darauf geachtet, großflächige Aufschlüsse unter genauer Dokumentation der Fundumstände durchzuführen.

Nach heutigem Stand kennen wir ein stratifiziertes und auch oberflächlich gesammeltes Altpaläolithikum (Böhmen, Mähren), ein zeitlich und typologisch mannigfaches Mittelpaläolithikum, Übergangsstufen vom Mittel- zum Jungpaläolithikum (Mähren, Slowakei), ein kulturell gegliedertes Jungpaläolithikum, ein Spätpaläolithikum und sogar ein ziemlich reiches Mesolithikum (Böhmen).

 

Jaco WEINSTOCK, Stuttgart:

Sex Ratios in Cave Bear (Ursus spelaeus): a matter of cave size, diet, or something else?

During the Palaeolithic, caves were an important resource – and a subject to inter- and intraspecific competition – for bears, wolves, hyenas, lions, and hominids. Thus, the knowledge of the use of caves by each of these species is necessary in order to better understand the relationship between the different taxa and their environment (i.e. Palaeoecology). One possibility to investigate the use of caves by carnivores is to analyse their remains in terms of their demographic characteristics, i.e. their sex and age structure.

Concerning cave bears (Ursus spelaeus and U. deningeri), the proportion of males and females is known to differ considerably between sites and, sometimes, even between different layers of single sites. In some locations, males and females are represented in roughly the same proportions; in other caves, however, females are overwhelmingly more abundant, whereas in a few sites males dominate the assemblage.

The cause of this variation is not known, but two serious hypotheses have been formulated to explain it. Kurtén argued that, due to the cannibalistic behaviour of male bears, females choose to hibernate with its young in small, easily defensible caves while males were less selective and would hibernate mostly in large caves, sometimes in the company of other individuals. In contrast, M. Stiner has postulated that the proportion of male bears hibernating within a given region, and consequently dying in the caves, was dependent on the seasonality of food availability.

In order to further explore the cause of the variation in the sex ratios of cave bears, the assemblages of three cave sites in southern Germany were examined: the Bärenhöhle-Hohlenstein, the Sibyllenhöhle, and the Zoolithenhöhle. Sex ratios were determined through osteometrical data and the age structure of the population was analysed by means of eruption and wear of mandibular teeth. Each of these caves shows a different sex ratio and a somewhat different age structure. The sex ratio in Hohlenstein is biased towards the males, whereas females are somewhat more abundant than males in the Sibyllenhöhle; and the assemblage of the Zoolithenhöhle is almost completely dominated by females.

According to the results of this analysis, the sex ratio in cave bear assemblages was determined neither by the size of the cave nor by the seasonality of food. While males and female bears selected caves according to different criteria, these criteria remain still unclear.

 

Christian ZÜCHNER, Erlangen:

Archäologische Datierung – eine antiquierte Methode zur Altersbestimmung von Felsbildern?

Bis vor wenigen Jahren war die Forschung bei der Altersbestimmung von Felsbildern ganz auf archäologische Methoden angewiesen. Trotz mancher Irrwege ist es im Laufe der Jahre gelungen, eine recht zuverlässige Chronologie der europäischen Felskunst aufzubauen. Seit es möglich geworden ist, aus kleinsten Mengen (1,5 mg – 0,5 mg) von Farbpartikeln und von organischem Material aus Felskrusten AMS-Daten zu gewinnen, gelten die herkömmlichen Methoden der Altersbestimmung für manche Autoren als subjektiv und überholt. AMS-Daten werden eo ispo als richtig angesehen, weil die Zuverlässigkeit naturwissenschaftlicher Methoden gewöhnlich höher eingestuft wird als diejenige geisteswissenschaftlicher Verfahren. Mit archäologischen Methoden gewonnene Ergebnisse haben sich denen der Naturwissenschaften unterzuordnen. Dieser Glaube an die "exakten" Wissenschaften hat – nicht nur in der Felsbildforschung – zum Teil verheerende Folgen.

Einer der weltweit bedeutendsten jungpaläolithischen Kultplätze – Foz Côa in Mittelportugal – wäre um ein Haar in den Fluten eines gewaltigen Stausees versunken, weil einige selbst ernannte "Spezialisten" den Bildern ein Alter von nur wenigen Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten zugebilligt hatten. Abgesehen davon, dass die Prämissen zur Datierung von Felskrusten von vorn herein falsch waren, hat sich die leidenschaftlich geführte Diskussion dadurch ad absurdum geführt, dass man neuerdings gravierte Felsen freigelegt hat, die von quartären Sedimenten bedeckt waren, die im Liegenden ein mittleres, im Hangenden ein spätes Jungpaläolithikum enthielten. D. h. die Gravierungen können nur in auch archäologisch zu erwartenden Zeithorizonten (Solutréen und Magdalénien) entstanden sein.

Ähnlich ist die Situation in der Grotte Chauvet (Ardèche, Frankreich). Die Bilder wurden zunächst von Jean Clottes auf Grund stilistischer Merkmale dem Mittleren Jungpaläolithikum zugeordnet, was im Großen und Ganzen zutreffen dürfte. Als dann AMS-Daten gewonnen wurden, welche die Malereien in das Aurignacien wiesen, galt die Grotte Chauvet als Beweis dafür, dass es schon im frühen Jungpaläolithikum in Frankreich herausragende Kunstwerke und Künstler gegeben hat – kurz dass die Kunstgeschichte neu geschrieben werden muss und dass die klassischen Methoden der Felsbildforschung versagt haben. Das blinde Vertrauen in die "exakten" Wissenschaften geht so weit, dass selbst ein eindeutiges "Leitfossil" des ausgehenden Solutréen und beginnenden Magdalénien, ein neu entdecktes "claviformes Zeichen", zu einem einfachen, nicht aussagefähigen Symbol deklariert und somit wegdiskutiert wird, obwohl es genau in den archäologisch zu erwartenden Zeithorizont gehört. Ich fürchte, die Folgen werden für die aus vielen Gründen einmalige Grotte Chauvet verheerend sein, wenn sich eines Tages die Medien der Sache ebenso vehement annehmen sollten, wie das 1995 bei der Datierung in das Aurignacien geschehen ist. Und die Front der überzeugten "AMS-Anhänger" bröckelt bereits!

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